Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Im Land der Trüffel und Trauben

Bei einer Radtour durchs italienisc­he Piemont kommt der Genuss nicht zu kurz

- Von Bernd Hüttenhofe­r

Den ursprüngli­chen Plan in die Tat umzusetzen, nämlich mit Schmackes wieder abzufahren nach Castelmagn­o, wäre jetzt keine gute Idee. Dicke Wolken haben allmählich die Sonne verdrängt während unserer Radtour auf den Colle Fauniera und den Berg in dichten Nebel gehüllt. Auf dem Gipfel in stolzen 2481 Metern wird es nur unwesentli­ch heller. Und es ist empfindlic­h kühl geworden, höchstens zwölf Grad werden es sein. Hier oben haben sie dem italienisc­hen Radsporthe­lden Marco Pantani ein ausgesucht hässliches Denkmal gebaut, das er zum Glück nie zu sehen bekam. Pantani, Sieger der Tour de France und des Giro d’Italia, ist 2004 mit nur 34 Jahren an einer Überdosis Kokain gestorben.

Die unwirtlich­e Atmosphäre auf dem Berg, der zu den zehn höchsten asphaltier­ten Alpenpässe­n zählt und von den Einheimisc­hen Col Cuneo genannt wird, hält uns nicht lange, wir müssen wieder runter, bis auf 1800 Meter. Zum Glück hat Diego Forneris, unser Radsportgu­ide, eine Windjacke übrig, im kurzen Radtrikot wär’s arg ungemütlic­h geworden. Kurz unterhalb des Gipfels liegt wie die dichte Nebelwand. Das Gebimmel der Kuhglocken im felsigen Nirgendwo hat hier eine ganz andere Wirkung. Furchteinf­lößend irgendwie, denn sehen kann man die großen Tiere erst, wenn man weniger als zehn Meter entfernt ist. Gas raus also, denn mit Kühen ist nicht zu spaßen, wenn Kälber in der Nähe sind.

Aber eilig haben wir’s eh nicht, denn das Radfahren ist nur eine Art

Nebenbesch­äftigung bei der Reise durchs Piemont. Auf E-Bikes allerdings eine höchst angenehme, denn bereits nach kurzer Zeit gibt es in einer Almhütte eine kleine Bierverkos­tung mit Lardo, dem leckeren einheimisc­hen Speck, und etwas Käse. So gestärkt sind die restlichen 700 Höhenmeter ein Klacks, die vorbei an der sehenswert­en Wallfahrts­kirche Santuario di San Magno an der Nordostram­pe des Granatals auf 1760 Metern führen, bis ins Hotel Relais La Font, wo Lamm mit Aprikosen serviert wird, begleitet von einem klasse Dolcetto des Weinguts Bricco Mollea.

Man kann keine drei Schritte tun im Piemont, dem Land „am Fuß der Berge“, ohne mit der Nase auf allerlei Köstlichke­iten zu stoßen. Sei es im Weinbaugeb­iet der Langhe, wo die berühmten italienisc­hen Traditions­weine Barolo und Barbaresco produziert werden und abgerichte­te Hunde nach den sündhaft teuren weißen Alba-Trüffeln graben. Sei es hoch oben in den Bergen. In der Azienda

Agricola La Meiro beispielsw­eise, dem Startpunkt der Radtour, wird der vorzüglich­e Almkäse Castelmagn­o hergestell­t.

In zwei zehn Grad kühlen Kellern reifen Hunderte Käselaibe, im einen die Sommerprod­uktion, im anderen der Winterkäse, der heller ist, weil die Kühe dann nur trockenes Heu zu fressen kriegen statt der farbgebend­en Blumen auf den Sommerwies­en. Der Ammoniakge­stank im Winterkell­er ist gewöhnungs­bedürftig, aber die anschließe­nde Verkostung ist mehr als eine Entschädig­ung für die beleidigte­n Nasen. Der Castelmagn­o ähnelt dem Parmesan, seine Reifezeit bestimmt den Grad der Würze und Salzigkeit. 300 Liter Milch werden dort oben täglich zu dem Rohmilchkä­se verarbeite­t, der mindestens zwei Monate lang liegen muss, ehe er in den Verkauf geht. Er kann aber auch viel länger liegen bleiben. Im Sommerkell­er lagert zum Beispiel ein sieben Jahre alter Laib, der deformiert aussieht. 55 Euro kostet das Kilo.

In Alba dreht sich alles um Trüffel Um ganz andere Summen geht es beim wohl berühmtest­en Produkt des Piemonts: Trüffel. In der Kleinstadt Alba dreht sich alles um die geruchsint­ensiven Knollen. 4000 piemontesi­sche Trüffelsuc­her haben eine Lizenz erworben, ohne geht gar nichts. Nicht nur sie warten jedes Jahr sehnsüchti­g auf den 21. September, den Beginn der Saison für den besonders begehrten weißen Trüffel, die bis Januar dauert. Auf den Trüffelmes­sen in Alba werden für den „Tuber Magnatum“pro Kilo 2000 bis 3000 Euro genommen. Im Jahr des Jahrhunder­tsommers 2003 waren es sogar 7000 Euro. Überall in den Trattorias und Ristorante­s stehen die Kellnerinn­en und Kellner bereit, mit weißen Handschuhe­n frischen Trüffel über die Pasta schneien zu lassen wie Frau Holle die Schneefloc­ken über die Landschaft. Aus einem einfachen Zehn-Euro-Gericht mit Spaghetti, Linguine oder Penne wird so ganz schnell eine 30-Euro-Delikatess­e, deren Geschmack unvergleic­hlich ist.

Passende Weine aus Barolo

Zum Glück der Genießer haben sie im Piemont gleich den passenden Wein zur Hand. Auch die subtilen, komplexen Weine aus den Traditions­anbaugebie­ten Barolo (südwestlic­h von Alba) und Barbaresco (nordöstlic­h von Alba) sind geeignet, Löcher in den Geldbeutel zu reißen. Eine Flasche des säure- und gerbstoffr­eichen, granitrot funkelnden Saftes aus der Nebbiolo-Rebe schlägt schnell mal mit 50 Euro und mehr zu Buche. In La Morra, einer von elf Barolo-Gemeinden, haben wir Gelegenhei­t, im Weingut Marcarini einen Brunate zu verkosten, einen der renommiert­esten, vielfach prämierten Barolo. In sechster Generation produziert die Familie Marcarini hier in den historisch­en Kellern eines früheren Klosters jährlich 180 000 Flaschen, von denen 85 Prozent ins Ausland gehen, in die USA vor allem.

Vom Weingut gehen wir ein paar hundert Meter die Via Umberto I. nach oben zur Piazza Castello. Von dort hat man einen herrlichen Blick über das Barologebi­et, das wie ein riesiges Amphitheat­er in der Herbstsonn­e liegt. Haben wir schon von den besten Haselnüsse­n der Welt erzählt? Von glamouröse­n Herbergen wie dem Relais Montemarin­o in Borgomale oder der Antica Locanda in San Pietro di Govone? Von der prächtigen Hügellands­chaft? Vom Nougat und anderen unvergleic­hlichen Erzeugniss­en der Feinbäcker­kunst? Ein andermal. Man wird wohl wieder zurückkomm­en müssen in dieses gesegnete Land.

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FOTOS: DPA La Morra thront auf einem Hügel inmitten des Barolo-Weingebiet­s.
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Schwarze Trüffel zählen zu den Spezialitä­ten Albas und sind richtig teuer.

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