Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Nach AfD-Veranstaltung: Staatsschutz ermittelt
Alice Weidel erstattet keine Anzeige wegen der vermeintlichen „Kopf-ab-Geste“in Weingarten
WEINGARTEN - Weil ein Mann bei einer AfD-Veranstaltung im Kulturund Kongresszentrum Oberschwaben (Kuko) in Weingarten vermutlich einen Hustenanfall hatte, ermittelt nun der Staatsschutz. Das hat die Ravensburger Staatsanwaltschaft auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“bestätigt. „Das ist eine obligatorische Sache, wenn Politiker die mutmaßlichen Geschädigten sind“, sagt Oberstaatsanwalt Karl-Josef Diehl. „Wir müssen von Amts wegen ermitteln.“Daher wird nun auch Alice Weidel, AfD-Fraktionsvorsitzende im Bund, die den Hustenanfall eines Mannes als „Kopf-ab-Geste“gedeutet hatte, von der Polizei um eine Stellungnahme gebeten – obwohl sie den Mann nicht anzeigen wird, wie ihr persönlicher Referent der SZ per E-Mail bestätigte.
Weidel hatte ihre Rede am 27. Oktober kurzzeitig unterbrochen und einen Mann von der Security aus dem Welfensaal des Kuko entfernen lassen (SZ berichtete). Allerdings sorgte der Vorfall erst bundesweit für Aufsehen, als Weidel einen Videomitschnitt der Szene – auf dem der Mann nicht zu sehen war – auf ihren Social-Media-Kanälen veröffentlichte. Das zog nicht nur reichlich Diskussionen im Netz nach sich. Zahlreiche überregionale Medien berichteten über den Rauswurf und die emotionalen verbalen
Auslassungen Weidels, die in einer längeren Videosequenz noch deutlicher wurden.
Während andere Medien anhand von Augenzeugenberichten einen möglichen Hustenanfall ins Spiel brachten, meldete sich der betroffene Mann persönlich bei der „Schwäbischen Zeitung“und schilderte seine Sicht der Dinge. Dabei kam nicht nur heraus, dass er tatsächlich mit einer Bronchitis im Saal saß, husten musste, sich dabei an den Hals fasste und Weidel nicht schaden wollte. Auch klärte sich auf, dass der Mann keineswegs ein AfD-Gegner – wie von Weidel lautstark vermutet – ist, sondern ihr und ihrer Partei durchaus wohlwollend gegenübersteht.
Nun hat sich der Mann, der anonym bleiben und nur mit der „Schwäbischen Zeitung“sprechen möchte, noch einmal geäußert. Seine Identität ist der SZ bekannt und er ist laut Augenzeugenberichten auch die Person, die von Weidel aus dem Saal geschmissen wurde. So sagte er nun, dass sich Weidel bis heute nicht bei ihm gemeldet oder gar entschuldigt habe. Auch wenn er sich das nach einem langen Telefonat mit Weidels persönlichem Referenten am Dienstag erhofft habe, sei die Sache aber für ihn nun abgeschlossen. Auch, weil sie das Video letztlich wieder aus dem Netz genommen und mit der Aktion „ein Eigentor geschossen“habe, so der Mann.
Derweil teilte Weidels persönlicher Referent schriftlich auf SZNachfrage
mit, dass nicht er selbst, aber ein anderer Mitarbeiter von Alice Weidel am Dienstag nach der Veranstaltung ausführlich mit dem Mann gesprochen habe. Man sei dabei im Guten auseinandergegangen. Auch habe man auf eine dem Telefonat vorausgegangene E-Mail des Mannes reagiert, indem man das Video umgehend gelöscht habe, so der Referent. Auf die Frage, ob Alice Weidel sich noch bei dem Mann melden oder gar entschuldigen werde, antwortete ihr Referent nicht.
Doch auch wenn der Vorfall für die Beteiligten abgeschlossen scheint: Rein formell ist die Sache noch nicht vorbei. „Bei einem Offizialdelikt sind wir verpflichtet zu ermitteln“, erklärt Diehl. Selbst wenn der Fall nicht angezeigt wurde.
Bis der Vorfall dann endgültig abgeschlossen ist, wird es laut Diehl noch einige Wochen dauern. Der Staatsschutz, in diesem Fall die Inspektion 6 der Kriminalpolizei Friedrichshafen, hat die Ermittlungen aufgenommen. So werden die Beamten zunächst den Beschuldigten, dessen Daten noch am Abend des 27. Oktobers von der Polizei auf dem Revier Weingarten aufgenommen wurden und der bislang polizeilich noch nicht in Erscheinung getreten ist, anhören. Auch sollen die anwesenden Polizeibeamten wie auch andere Zeugen gehört werden. Zudem wird die Polizei auch Alice Weidel befragen.