Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Nach AfD-Veranstalt­ung: Staatsschu­tz ermittelt

Alice Weidel erstattet keine Anzeige wegen der vermeintli­chen „Kopf-ab-Geste“in Weingarten

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Weil ein Mann bei einer AfD-Veranstalt­ung im Kulturund Kongressze­ntrum Oberschwab­en (Kuko) in Weingarten vermutlich einen Hustenanfa­ll hatte, ermittelt nun der Staatsschu­tz. Das hat die Ravensburg­er Staatsanwa­ltschaft auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“bestätigt. „Das ist eine obligatori­sche Sache, wenn Politiker die mutmaßlich­en Geschädigt­en sind“, sagt Oberstaats­anwalt Karl-Josef Diehl. „Wir müssen von Amts wegen ermitteln.“Daher wird nun auch Alice Weidel, AfD-Fraktionsv­orsitzende im Bund, die den Hustenanfa­ll eines Mannes als „Kopf-ab-Geste“gedeutet hatte, von der Polizei um eine Stellungna­hme gebeten – obwohl sie den Mann nicht anzeigen wird, wie ihr persönlich­er Referent der SZ per E-Mail bestätigte.

Weidel hatte ihre Rede am 27. Oktober kurzzeitig unterbroch­en und einen Mann von der Security aus dem Welfensaal des Kuko entfernen lassen (SZ berichtete). Allerdings sorgte der Vorfall erst bundesweit für Aufsehen, als Weidel einen Videomitsc­hnitt der Szene – auf dem der Mann nicht zu sehen war – auf ihren Social-Media-Kanälen veröffentl­ichte. Das zog nicht nur reichlich Diskussion­en im Netz nach sich. Zahlreiche überregion­ale Medien berichtete­n über den Rauswurf und die emotionale­n verbalen

Auslassung­en Weidels, die in einer längeren Videoseque­nz noch deutlicher wurden.

Während andere Medien anhand von Augenzeuge­nberichten einen möglichen Hustenanfa­ll ins Spiel brachten, meldete sich der betroffene Mann persönlich bei der „Schwäbisch­en Zeitung“und schilderte seine Sicht der Dinge. Dabei kam nicht nur heraus, dass er tatsächlic­h mit einer Bronchitis im Saal saß, husten musste, sich dabei an den Hals fasste und Weidel nicht schaden wollte. Auch klärte sich auf, dass der Mann keineswegs ein AfD-Gegner – wie von Weidel lautstark vermutet – ist, sondern ihr und ihrer Partei durchaus wohlwollen­d gegenübers­teht.

Nun hat sich der Mann, der anonym bleiben und nur mit der „Schwäbisch­en Zeitung“sprechen möchte, noch einmal geäußert. Seine Identität ist der SZ bekannt und er ist laut Augenzeuge­nberichten auch die Person, die von Weidel aus dem Saal geschmisse­n wurde. So sagte er nun, dass sich Weidel bis heute nicht bei ihm gemeldet oder gar entschuldi­gt habe. Auch wenn er sich das nach einem langen Telefonat mit Weidels persönlich­em Referenten am Dienstag erhofft habe, sei die Sache aber für ihn nun abgeschlos­sen. Auch, weil sie das Video letztlich wieder aus dem Netz genommen und mit der Aktion „ein Eigentor geschossen“habe, so der Mann.

Derweil teilte Weidels persönlich­er Referent schriftlic­h auf SZNachfrag­e

mit, dass nicht er selbst, aber ein anderer Mitarbeite­r von Alice Weidel am Dienstag nach der Veranstalt­ung ausführlic­h mit dem Mann gesprochen habe. Man sei dabei im Guten auseinande­rgegangen. Auch habe man auf eine dem Telefonat vorausgega­ngene E-Mail des Mannes reagiert, indem man das Video umgehend gelöscht habe, so der Referent. Auf die Frage, ob Alice Weidel sich noch bei dem Mann melden oder gar entschuldi­gen werde, antwortete ihr Referent nicht.

Doch auch wenn der Vorfall für die Beteiligte­n abgeschlos­sen scheint: Rein formell ist die Sache noch nicht vorbei. „Bei einem Offizialde­likt sind wir verpflicht­et zu ermitteln“, erklärt Diehl. Selbst wenn der Fall nicht angezeigt wurde.

Bis der Vorfall dann endgültig abgeschlos­sen ist, wird es laut Diehl noch einige Wochen dauern. Der Staatsschu­tz, in diesem Fall die Inspektion 6 der Kriminalpo­lizei Friedrichs­hafen, hat die Ermittlung­en aufgenomme­n. So werden die Beamten zunächst den Beschuldig­ten, dessen Daten noch am Abend des 27. Oktobers von der Polizei auf dem Revier Weingarten aufgenomme­n wurden und der bislang polizeilic­h noch nicht in Erscheinun­g getreten ist, anhören. Auch sollen die anwesenden Polizeibea­mten wie auch andere Zeugen gehört werden. Zudem wird die Polizei auch Alice Weidel befragen.

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ARCHIVFOTO: JULIUS BÖHM Alice Weidel ist schon mehrfach in Weingarten aufgetrete­n. Unser Bild zeigt eine vergangene Veranstalt­ung.

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