Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Abflug ins Abenteuer

Weltraummä­rchen: Martin Borowski inszeniert in Ulm „Peterchens Mondfahrt“mit Charme, Witz – und Zitaten, an denen auch Erwachsene ihre Freude haben

- Von Marcus Golling

ULM - Dieser Weihnachts­mann ist keiner aus dem Bilderbuch. Dürr und ungelenk wirkt der bärtige Opa, der da im Planschbec­ken unter einer Palme fläzt, sich Cocktails kredenzen und von Reggae-Rhythmen aus dem Kopfhörer beruhigen lässt. Auch ein Weihnachts­mann brauche mal Urlaub, schließlic­h sei nicht jeden Tag Weihnachte­n, erklärt er den Störenfrie­den von der Erde. Wie bitte? Morgen schon ist die Bescherung? Da hat sich der Geschenkeb­ote tatsächlic­h im Datum vertan!

Im Theater Ulm hat man zum Glück auch in diesem Jahr rechtzeiti­g ans Fest gedacht und mit „Peterchens Mondfahrt“ein Weihnachts­märchen in den Spielplan aufgenomme­n, welches das Zeug dazu hat, vielen Kindern, aber Eltern, Großeltern und anderen Erwachsene­n ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Das zeigen schon die beiden ausverkauf­ten Vorstellun­gen am Premierent­ag, die von den Grundschül­ern im Publikum gebannt verfolgt und danach wild beklatscht werden.

Für die Produktion ist ein Mann ans Theater Ulm zurückgeke­hrt, der bis vor Kurzem zum festen Personal gehörte: Martin Borowski war in Ulm Regieassis­tent und später Leiter des Jungen Theaters. Er inszeniert­e dort schon „Der Zauberer von Oz“und „Pinocchio“– und knüpft mit „Peterchens Mondfahrt“an diese gelungenen Weihnachts­märchen an. Auch das übrige Personal ist in Ulm teils bekannt: Nils Willers, der unorthodox­e Weihnachts­mann, gehörte schon zur Besetzung von „Räuber Hotzenplot­z“in der vergangene­n Spielzeit, Margarete Lamprecht gastierte schon mehrfach im Schauspiel (etwa in „Der Vater“), Frank Ehrhardt war bis 2005 sogar Ensemblemi­tglied.

War der „Hotzenplot­z“etwas biedere Unterhaltu­ng für den Nachwuchs, ist „Peterchens Mondfahrt“ märchenhaf­tes Kinderthea­ter mit Bezug zur Gegenwart. Regisseur Borowski und seine Ausstatter­in Monika Gora lassen die Handlung in einem Kinderzimm­er von heute beginnen, in dem von Peterchen (Sasha Bornemann) und Anneliese (Anna-Prisca Burwitz); mit Spielzeug im Regal und einem „E.T.“-Plakat an der Wand. Dort bekommen sie Besuch vom geigenden Maikäfer Herr Sumsemann (Frank Ehrhardt). Der hat – wie alle seine Vorfahren – nur fünf Beinchen. Um das sechste zu bekommen, braucht der traurige Käfer die Hilfe der beiden braven Geschwiste­r: Sie sollen mit ihm zum Mond reisen.

„Peterchens Mondfahrt“in der von Regisseur Borowski geschriebe­nen Fassung enthält viel Material aus dem 1912 erschienen­en Original Gerdt von Bassewitz’, entstaubt es aber durch ein paar Änderungen gewaltig. Da überprüft der Sandmann das Mindesthal­tbarkeitsd­atum seines Sternensta­ubs, da wird im Schloss der Sternenfee kurzerhand ein Laufsteg aufgebaut, auf dem Peterchen, Anneliese und der Sumsemann Kostüme vorführen müssen, wozu ein Affe DiscoGroov­es auflegt – und da chillt der Weihnachts­mann unter Palmen. Dazu bietet das Geschehen auch optisch einiges, wenn etwa die Helden an

Schnüren über der Bühne schweben oder die Mondlandsc­haft auf der Drehbühne nach vorne gefahren wird.

Dazu hat Borowski das Märchen mit popkulture­llen Zitaten gespickt, die den Kindern überwiegen­d verborgen bleiben dürften, aber für die Erwachsene­n ein Vergnügen sind: Peterchen will gerne „Per Anhalter durch die Galaxis“fliegen, beim Abflug von der Erde erklingt David Bowies „Space Oddity“und der Helm, den der Bub für die Mondrakete bekommt, sieht dem eines Star-Wars-Bösewichts verdächtig ähnlich. Klar, dass da die Kinder im Publikum aus dem „Darth Vader! Darth Vader!“-Rufen gar nicht mehr rauskommen.

Zum Gelingen dieses Stücks trägt die gesamte Schauspiel­erriege entscheide­nd bei, allen voran Frank Ehrhardt, der dem Maikäfer Sumsemann viel ängstliche Melancholi­e verleiht. Auf dieses Team kann das Theater zählen: „Peterchens Mondfahrt“steht bis 22. Januar noch 34 mal auf dem Spielplan.

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FOTO: KAUFHOLD Hinein in die Mondrakete (v.l.): Sasha Bornemann (Peterchen), AnnaPrisca Burwitz (Anneliese), Frank Ehrhardt (Herr Sumsemann) und Margarete Lamprecht (Wichtel) in „Peterchens Mondfahrt“.

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