Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Präsident mit Prinzipien
DFB-Chef Fritz Keller gibt eine klare Richtung vor und regt zur Grundsatzdebatte an
BERLIN (dpa/SID) - 41 Tage nach seiner Wahl zum neuen DFB-Präsidenten hat Fritz Keller klar Stellung bezogen und aufgezeigt, wie sich der Deutsche Fußball-Bund unter seiner Führung seiner gesellschaftlichen Verantwortung mehr als bisher zu stellen und demokratische Werte zu verteidigen habe. In einer im Vergleich zu seinen Vorgängern Reinhard Grindel und Wolfgang Niersbach ungewohnten Deutlichkeit regte Keller eine Grundsatzdebatte über die Rolle des Fußballs an. „Wir benötigen einen übergreifenden Grundkonsens als gemeinsame beständige Gesprächsgrundlage im deutschen Fußball – um uns nicht von denen spalten zu lassen, die den Fußball für ihre Zwecke missbrauchen wollen“, schrieb der DFB-Chef in einem am Donnerstag in der Tageszeitung „Die Welt“veröffentlichten Gastbeitrag.
Aufgehängt an dem Wirbel um die Social-Media-Likes der deutschen Nationalspieler Ilkay Gündogan und Emre Can für den türkischen SalutJubel und den daraus resultierenden Debatten rund um das EM-Qualifikationsspiel gegen Estland formulierte der Gastronom und Winzer die Überschrift: „Wir sind alle überfordert.“Neben konkreten Ankündigungen wie einem Nein zu Spielen der deutschen Nationalmannschaft in „Ländern, in denen Frauen nicht gleichberechtigt und frei von Diskriminierung Zugang zu Fußballstadien oder anderen Sportstätten gewährt wird“oder klarer Kritik am SocialMedia-Verhalten Gündogans und Cans forderte Keller ein gemeinsames Leitbild und einen „Wertekanon des Fußballs“.
An der „erneuten Diskussion“seien Gündogan und Can „nicht unschuldig“, stellte der frühere Präsident des SC Freiburg klar. „Mit sensiblen Themen muss man auch bei Social Media sensibel umgehen. So viel darf man erwarten. Und auch wir als DFB müssen uns kritisch hinterfragen, ob wir im Umgang mit dem Thema alles richtig machen.“Die Aktion der Nationalspieler hatte um das EM-Qualifikationsspiel der deutschen Nationalmannschaft im Oktober in Estland (3:0) für Aufregung gesorgt. Gündogan und Can hatten bei Instagram ein Foto geliked, das türkische Fußballer zeigt, die nach dem Siegtor von Cenk Tosun beim 1:0 gegen Albanien mit der Hand an der Stirn salutieren. Die türkischen Fußballer wollten damit ihre Solidarität mit den Soldaten demonstrieren, die bei der international verurteilten „Operation Friedensquelle“gegen die Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien im Einsatz waren. Gündogan und Can zogen ihre Likes anschließend zurück.
In seinem Beitrag schrieb Keller aber auch, dass die „gesamte deutsche Gesellschaft“überfordert sei bei den Fragen, wie Integration gelingen könne. „Was kann und muss jeder einzelne und jede einzelne von uns dazu beitragen? Wie zum Beispiel umgehen mit der Türkei unter Erdogan? Vor diesem Hintergrund ist es zu viel verlangt, dass ausgerechnet zwei Fußball-Nationalspieler mit türkischen Wurzeln die perfekte Lösung präsentieren sollen, die ein ganzes Land nicht findet“, schrieb der 62
DFB-Präsident Fritz Keller
Jahre alte Funktionär.
Beim Thema Integration habe der DFB in den vergangenen Jahren „vieles richtig“, aber „auch Fehler“gemacht, sagte Keller, ohne konkret auf seinen Vorgänger Reinhard Grindel einzugehen, der gerade beim Thema Integration eine unglückliche Figur gemacht hatte. „Wie viele moderne multikonfessionelle und multiethnische Gesellschaften, nicht nur in Deutschland, muss auch der DFB seinen Weg erst tastend suchen“, formulierte es Keller. „Die Themen Integration und Migration bewegen die gesamte Gesellschaft und damit auch den Fußball in einer nie da gewesenen (Un)Wucht – von der Kreisklasse bis zur Bundesliga. Und wer die Realität ohne Scheuklappen betrachtet, weiß: Es gibt dabei keine einfachen und erst recht keine schnellen Lösungen.“
„Wir brauchen einen Grundkonsens, um uns nicht von denen spalten zu lassen, die den Fußball für ihre Zwecke missbrauchen wollen.“