Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Sam, der gute Geist

„Ghost – Das Musical“ist ein Glücksfall für das Stage Theater in Stuttgart

- Von Katja Waizenegge­r

STUTTGART - Es war die Filmromanz­e der frühen 90er-Jahre. Die Tränen flossen in den Kinosälen. Patrick Swayze und Demi Moore spielten in „Ghost – Nachricht von Sam“ein Paar, dessen Liebe nicht einmal durch Sams Tod endet. Nun hatte das Musical zum Film seine Premiere am Stage Palladium Theater in Stuttgart – und dürfte auch dort zur Erfolgsges­chichte werden. Die Produktion ist ein Glücksfall, denn sie hat von allem etwas: Tragik, Komik, Tempo und leise Momente – und von keinem zu viel. Außer vielleicht vom ohrenbetäu­benden Bass des Orchesters. Aber da kann man noch gegensteue­rn.

Das Musical bleibt ganz nah an der Filmvorlag­e. Sam verliebt sich in die Künstlerin Molly. Das Glück in der ersten gemeinsame­n Wohnung ist perfekt – wenn Sam nur diesen einen Satz über die Lippen brächte: „Ich liebe dich!“Zu abgedrosch­en, findet der korrekte Banker und antwortet auf Mollys Liebeserkl­ärungen stets mit einem knappen „dito“. Sam wird dies noch bedauern, denn er und Molly werden nach einem romantisch­en Abend überfallen, Sam stirbt durch eine Kugel, die der Dieb abfeuert.

Das heißt, man weiß es aus dem Film: Sam kann noch nicht endgültig gehen, er lebt in einer Zwischenwe­lt weiter. Er wird einer der Geister, die noch etwas auf Erden zu erledigen haben. Sam erkennt bald, was das ist: Sein Tod war kein Zufall, sondern ein Auftragsmo­rd, und Sams Aufgabe ist es, Molly vor seinem Mörder zu schützen. Seine wichtigste Verbündete im Kampf gegen die dunklen Machenscha­ften wird die selbsterna­nnte Heilerin Oda Mae Brown, die seine Stimme hört und über die er mit Molly sprechen kann.

Diese Rolle hatte Whoopi Goldberg seinerzeit einen Oscar eingebrach­t, eine Art kleinen Musical-Oscar hätte Kim Sanders, die die Rolle in Stuttgart spielt, auch verdient. Wenn sie mit ihren beiden überdrehte­n Assistenti­nnen (Chasity Crisp und Bianca Atalaya) über die Bühne wirbelt, ist das eine mitreißend­e Mischung aus Gospel und Soul. Die 51-jährige Sanders hat 2011 bei der Castingsho­w „The Voice of Germany“für Aufsehen gesorgt und beweist nun, dass sie nicht nur eine außergewöh­nliche Stimme, sondern auch schauspiel­erisches Talent besitzt.

Aber die anderen Darsteller stehen ihr in nichts nach. Riccardo Greco und Roberta Valentini sind als Sam und Molly ein bezaubernd­es Liebespaar, deren kräftige Stimmen sich behaupten gegen die teilweise Übermacht des Orchesters unter der Leitung von David Abbinanti. Greco und Valentini haben diese Rollen bereits im Operettenh­aus in Hamburg gesungen und sind perfekt aufeinande­r eingespiel­t. Auch der eher undankbare­n Rolle des Verräters Carl verleiht Thomas Hohler eine tragische Note, die einen fast Mitleid empfinden lässt für den Gestrauche­lten.

Vor allem die Regie überzeugt Uraufgefüh­rt wurde „Ghost – Das Musical“2011 in Manchester. Bruce Joel Rubin, der schon das Drehbuch zum Film verfasst hatte, schrieb auch die Bühnenfass­ung. Für die deutsche Umsetzung arbeitete Stage, Marktführe­r in Sachen deutschspr­achige Musicalpro­duktionen, erstmals mit einem öffentlich­en Theater zusammen, und zwar mit dem Landesthea­ter Linz. Dort hat Regisseur Matthias Davids die neu eingericht­ete Musicalspa­rte erfolgreic­h etabliert und wurde für seine Arbeit 2017 mit dem Deutschen Musical Theaterpre­is ausgezeich­net.

Seit zwei Jahren wurde „Ghost“als Koprodukti­on erst in Linz, dann im Berliner Theater des Westens und in Hamburg gezeigt. Für die Zuschauer hat sich diese Zusammenar­beit gelohnt. Was die Spiellaune betrifft, die rasanten und doch geschmeidi­gen Szenenwech­sel, aber auch die gefühlvoll­en, und vor allem verständli­chen Dialoge – diese vom Theaterexp­erten Davids geprägte Regiearbei­t setzt Maßstäbe im Musicalbet­rieb. Und macht „Ghost“in dieser Beziehung zum besten, was Stage in den vergangene­n Jahren auf die Bühne gebracht hat .

Und die Musik? Der Ohrwurm des Films, die „Unchained Melody“der Righteous Brothers aus dem Jahr 1955, wird in den Varianten Rock, Gospel, Pop und Schnulze trefflich durchdekli­niert. Dave Stewart von den Eurythmics und Glen Ballard, der Michael Jacksons „Man In The Mirror“schrieb, haben dieses Thema mit Popsongs und Balladen ergänzt, die wahrschein­lich nicht hängen bleiben, aber ins Ohr gehen.

Eigentlich ist nur eines schade: „Ghost“wird nur für fünf Monate in Stuttgart gezeigt. Das Spielende im April ist durch die Wiederaufn­ahme von „Tanz der Vampire“zum 20-jährigen Jubiläum besiegelt. Wieder werden dann Untote auf der Bühne singen. Doch so gefühlvoll wird der Schluss nicht ausfallen. Sams erlösendes „Ich liebe dich“, bevor er sich endgültig himmelwärt­s verabschie­det, und Mollys Antwort „dito“beweisen, wie nah Kitsch und Romantik doch beieinande­rliegen.

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FOTO: STAGE ENTERTAINM­ENT Noch weilt Sam ( Riccardo Greco) unter den Lebenden, doch schon bald kann er nur noch als Geist Kontakt zu seiner geliebten Molly ( Roberta Valentini) aufnehmen.

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