Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Ich lese selten Krimis“
Erfolgsautor Jo Nesbø über Bukowski, Hemingway und die Unzuverlässigkeit Hollywoods
FRANKFURT (dpa) - Deutsche Leser lieben Krimis aus Skandinavien. Einer der erfolgreichsten Autoren ist der Norweger Jo Nesbø. Gerade ist bei Ullstein sein aktueller Krimi erschienen. Er heißt „Messer“und ist nichts für schwache Nerven. Ermittler Harry Hole, der darin schon seinen zwölften Fall löst, ist ein zwielichtiger Charakter – und wie der Autor ein Wohltäter. Denn mit dem vielen Geld, das Nesbø durch seine Krimis verdient, bekämpft er den Analphabetismus in Entwicklungsländern. Nach seinem Tod wird die Stiftung sein gesamtes Vermögen erben, verrät er im Interview mit Sandra Trauner.
Harry Hole löst in „Messer“bereits seinen zwölften Fall. Am Ende sitzt er am Flughafen und würfelt, wie sein Leben weitergeht. Haben Sie schon über seine Zukunft entschieden?
Ja, vor vielen Jahren. Nach dem dritten Buch habe ich eine Storyline für sein berufliches und privates Leben gemacht, wie die Geschichte im Groben weitergeht. Neun Bücher später halte ich mich noch immer an diesen Plan. Ich weiß also, wie es weitergeht, aber nicht im Detail.
Sie arbeiten sehr strukturiert, schreiben für jedes Buch einen Plot und arbeiten dann nach bestimmten Regeln weiter. Wie funktioniert das eigentlich ?
Es gibt bestimmte Regeln für unterschiedliche Arten von Texten. Für die Harry-Hole-Serie lautet die Regel: Ich springe nicht hin und her, um im Kopf jeder Figur zu sein. Ich setze den Leser ins Zimmer, wie eine Fliege an der Wand. Aber eben an der Wand und nicht im Gehirn von jemandem. Als Musiker schreibe ich auch Popsongs. Da lautet die Regel: Drei Verse und dann kommt der Refrain.
Was macht die Skandinavien-Krimis Ihrer Meinung nach so erfolgreich?
Da bin ich überfragt und habe ehrlich gesagt keine Ahnung. Ich lese selten Krimis.
Was lesen Sie denn gerne? Lesen Sie überhaupt?
Als Kind und Jugendlicher habe ich sehr viel gelesen. Meine Mutter war Bibliothekarin und hat immer viele Bücher mit nach Hause gebracht. Als ich selbst anfing zu schreiben, habe ich ersteinmal aufgehört zu lesen. Erst vor ein paar Jahren habe ich wieder damit angefangen – und mich gefragt, warum ich damit aufgehört hatte. Jetzt lese ich wieder sehr, sehr viel. Ich lese durchaus auch vieles, was ich in meiner Jugend verschlungen habe. Aber jetzt nochmals neu – mit unterschiedlichem Ergebnis: „Bukowski war genauso gut, wie ich ihn in Erinnerung hatte“, sagt er, „aber von Hemingway war ich enttäuscht. Er kam mir irgendwie veraltet vor“.
Viele Ihrer Bücher wurden verfilmt oder sollen verfilmt werden. Die Hollywood-Produktion von „Blood on Snow“sollte 2020 herauskommen. Wissen Sie mehr darüber? Ich verfolge das eigentlich nicht. Die Regel bei Filmen lautet: Es wird nichts draus. Das ist jedenfalls das, was meistens passiert. Ich konzentriere mich auf das Schreiben. Wenn junge Autoren die Rechte an ihren Büchern verkaufen, gebe ich ihnen meist einen Rat: Glaub nicht dran, es klappt nicht. Und falls doch: Sieh es als Bonus.
Harry Hole ist nicht nur ein Ermittler mit problematischem Charakter, er ist auch ein Wohltäter: Sie haben eine Einrichtung namens „Harry Hole Foundation“gegründet. Was ist deren Aufgabe?
Die Stiftung bekämpft Analphabetismus in Entwicklungsländern. Sie hilft vor allem Mädchen, Bildung zu erwerben. Nicht nur, um Lesen zu lernen, sondern um etwa zehn Jahre zur Schule zu gehen. Ich habe der Stiftung sämtliche Rechte an meinen Büchern übertragen. Bisher stehen fünf Millionen Euro zur Verfügung. Ich habe mein Testament gemacht: Mein gesamtes Vermögen wird an die Stiftung gehen, wenn ich sterbe. Nach meinem Tod wird das hoffentlich eine mächtige Institution werden.