Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Sieger Sánchez ohne Mehrheit
Die Neuwahl bringt keinen Durchbruch – Die Rechtspopulisten erstarken
MADRID (dpa) - Die Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) von Ministerpräsident Pedro Sánchez hat die Neuwahl in Spanien klar gewonnen. Nach Prognosen des TV-Senders RTVE verpasste die PSOE am Sonntag aber mit rund 28,0 Prozent der Stimmen erneut die absolute Mehrheit. Die politische Blockade dürfte sich fortsetzen. Enorme Gewinne konnte die rechtspopulistische Partei Vox verbuchen.
MADRID - Ein Sieg, aber wieder keine klare Mehrheit: Auch die Neuwahl am Sonntag brachte Spaniens bisherigem sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez nicht den erhofften Durchbruch. Nach dem offiziellen vorläufigen Ergebnis von Sonntagabend lag der Sozialist zwar deutlich vor seinem Rivalen, dem konservativen Oppositionsführer Pablo Casado. Doch reichte dieses Resultat nicht, um eine stabile Regierung bilden zu können. Damit droht die politische Hängepartie, die Spanien bereits seit Monaten lähmt, weiterzugehen.
Es war ein bitterer Sieg für die Sozialisten. Entsprechend gab es am Sonntagabend in der Madrider Zentrale lange Gesichter, denn die Partei hat mit dieser Wahlwiederholung ihre Position nicht verbessern können. Eher im Gegenteil: Sie verlor wenigstens drei Abgeordnete und blieb mit 28,1 Prozent leicht unter dem Ergebnis von April 2019; damals holten die Sozialisten 28,7 Prozent. Die Feier im Sozialisten-Hauptquartier fiel deswegen aus.
Der 47-jährige Sánchez, der seit April nur noch geschäftsführend im Amt ist, muss sich also wieder links oder auch rechts seiner sozialdemokratisch ausgerichteten Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) Unterstützung suchen. Er braucht im Parlament eine Mehrheit, welche eine Minderheits- oder eine Koalitionsregierung absegnen muss. Einen entsprechenden parlamentarischen Pakt hatte er bereits nach den Wahlen im April angestrebt – aber ohne Erfolg. Deswegen musste nun die Parlamentswahl wiederholt werden.
Zum heimlichen Gewinner der Wahl wurde am Sonntagabend die rechtspopulistische Partei Vox, die vor dem Madrider Parteisitz von tausenden Anhängern bejubelt wurde. Die europa- und fremdenfeindlichen Rechtspopulisten stiegen zur drittstärksten Kraft im spanischen Parlament auf. Vox konnte die Zahl der Parlamentssitze von bisher 24 auf 52 steigern. Dies entspricht 15,1 Prozent der Stimmen (April 2019: 10,3).
Die Rechtsaußenpartei plädiert für ein hartes Durchgreifen im Unabhängigkeitskonflikt in Katalonien und will die katalanischen Separatistenparteien verbieten lassen. Marine Le Pen, Vorsitzende der französischen Schwesterpartei Rassemblement National, gratulierte noch in der Nacht den spanischen Rechtspopulisten zum „blitzartigen Aufstieg“.
Im linken Spektrum herrschte derweil Katerstimmung: Die Partei Podemos (Wir Können), potentieller Bündnispartner der Sozialisten, erlitt leichte Einbußen und landete bei 12,8 Prozent (April 2019: 14,3). Hinzu kommt im linken Spektrum die kleine Podemos-Abspaltung Más País (Mehr Land), die ebenfalls mit den Sozialisten kooperieren will und mit wenigstens zwei Abgeordneten erstmals ins Parlament einzog.
Konservatives Bündnis gleichauf Den progressiven Parteien steht ein nahezu gleich starkes konservatives Dreier-Bündnis gegenüber, das von der konservativen Volkspartei (PP) angeführt wird. Die PP steigerte sich auf 20,8 Prozent. Damit könnte sich die Volkspartei unter ihrem jungen Vorsitzenden, dem 38-jährigen Pablo Casado, wieder etwas erholen. Im April 2019 hatte die PP mit 16,7 Prozent das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren.
PP, die rechtspopulistische Vox und die bürgerlich-liberale Partei Ciudadanos (Bürger) sind im Prinzip bereit, gemeinsam zu regieren – so wie sie es bereits in drei spanischen Regionen machen. Allerdings kommen sie zusammengerechnet ebenfalls nicht auf eine ausreichende Mehrheit im nationalen Parlament. PP und Vox erstarkten zwar, aber Ciudadanos stürzte auf 6,8 Prozent (April 2019: 15,9).
Das Zünglein an der Waage in der sich abzeichnenden Patt-Situation im neuen spanischen Parlament werden erneut die katalanischen Separatisten sein. Sie würden zweifellos eher eine sozialistische als eine konservative Regierung unterstützen, fordern aber Zugeständnisse auf dem Weg zur katalanischen Unabhängigkeit.
Die Wahlbeteiligung lag mit 69,9 Prozent geringfügig unter jener der vergangenen Wahl im April, als 71,8 Prozent der Berechtigten abstimmten. Es war die vierte Parlamentswahl in den letzten vier Jahren. Seit Ende 2015 wird Spanien von wackeligen Minderheitskabinetten regiert. Bisher Mai 2018 war die Volkspartei am Ruder. Dann kam per Misstrauensvotum der Sozialist Sánchez an die Macht.