Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Kompromiss bei der Grundrente
Bis zu 1,5 Millionen Menschen profitieren – Opposition spricht von „Kuhhandel“
BERLIN - „Wir haben einen dicken Knoten durchschlagen“, freute sich CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, als sie am Sonntagnachmittag nach sechsstündigen Beratungen über die Grundrente die Einigung mit Malu Dreyer (SPD) und Markus Söder (CSU) präsentierte. Ab Anfang 2021 soll sie 1,2 bis 1,5 Millionen Senioren mit niedriger Rente erreichen. Vier von fünf dürften Frauen sein, strich Dreyer heraus. Sie nannte den nun gefundenen Kompromiss einen „sozialpolitischen Meilenstein“. Die Lebensleistung der Menschen werde honoriert. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sagte: „Deutschland bekommt eine Grundrente, sozial und gerecht.“Auch Kramp-Karrenbauer sprach von einem wichtigen Beitrag im Kampf gegen Altersarmut: „Es ist ein gutes, ein vertretbares Ergebnis.“
Söder mahnte derweil: „Damit ist aus meiner Sicht auch die Halbzeitbilanz der GroKo abgerundet, und zwar perfekt abgerundet. Aus meiner Sicht gibt es jetzt auch keinen Grund mehr, über den Fortbestand zu diskutieren.“ Der Einigung vorangegangen war ein monatelanger Streit. Im Koalitionsvertrag war festgehalten, dass die Menschen ab 35 Beitragsjahren mit dem Zuschlag nach einer Bedürftigkeitsprüfung zehn Prozent über der Grundsicherung liegen sollten. Hiervon weicht der Kompromiss nun ab: Stattfinden soll eine umfassende Einkommensprüfung. Dabei soll ein Freibetrag gelten. Gezahlt werden soll die Grundrente bis zu einem Einkommen zuzüglich Rente und Kapitalerträgen von 1250 Euro bei Alleinstehenden und 1950 Euro bei Paaren. Den Zuschlag bekommt, wer 35 Jahre mit Beiträgen aufweist, aber wenig verdient hat. Finanziert werden soll dies aus Steuern.
Von der Opposition kam Kritik. „Das ist ein klassischer schlechter Kuhhandel“, sagte Johannes Vogel, der rentenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, am Sonntag in Berlin. Das Modell gehe „voll zu Lasten der Jüngeren“. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach zwar von einem „richtigen Schritt zur Bekämpfung der Altersarmut“. Sie verlangte aber Nachbesserungen. So solle es die Grundrente schon nach 30 statt 35 Jahren geben.
MÜNCHEN (AFP) - Wer gearbeitet hat, soll im Alter mehr haben als die Grundsicherung – das ist das Ziel der Grundrente. Nach langem Tauziehen hat sich die Große Koalition geeinigt. Die neue Sozialleistung wird zum 1. Januar 2021 eingeführt – wenn nach den GroKo-Parteien im kommenden Jahr auch der Bundestag zustimmt. Doch wer erhält die Grundrente? Wie wird der Anspruch auf die Leistung geprüft? Ein Überblick.
Einkommensprüfung: Die umfassende Einkommensprüfung wird Grundlage für den Bezug der Grundrente. Der Einkommensabgleich erfolgt automatisch durch einen Datenaustausch zwischen der Rentenversicherung und den Finanzbehörden – die erwarteten bis zu 1,5 Millionen Bezieher müssen nicht persönlich zu den Ämtern gehen.
Freibeträge: Grundrente bekommen Bestands- und Neurentner, wenn die Prüfung der Behörden Bedarf ergibt. Dafür sieht der Kompromiss für Alleinstehende einen Einkommensfreibetrag in Höhe von 1250 Euro und für Paare von 1950 Euro vor, unabhängig von der Veranlagungswahl. Eingerechnet für den Anspruch werden alle Einkünfte. Das heißt, das zu versteuernde Einkommen zuzüglich des steuerfreien Rentenanteils und aller Kapitalerträge etwa aus Vermietungen wird zugrunde gelegt.
Grundrente für Bezieher von Grundsicherung: Rentner, die 35 Jahre in die Rentenkasse einbezahlt haben und dennoch bisher nur die staatliche Grundsicherung erhalten, bekommen künftig einen Freibetrag für das Einkommen aus der gesetzlichen Rente in Höhe von 100 Euro. Zuzüglich gibt es 30 Prozent der darüber hinausgehenden Ansprüche aus der gesetzlichen Rente bis maximal 50 Prozent der Regelbedarfsstufe 1.
Grundrente als Zuschlag: Rentner, die 35 Beitragsjahre eingezahlt haben und deren Beitragsleistung unter 80 Prozent, aber über 30 Prozent des Durchschnittseinkommens liegt, bekommen mit der Grundrente einen Zuschlag. Die 35 Jahre setzen sich zusammen aus Pflichtbeitragszeiten für versicherte Beschäftigung, aber auch aus anerkannten Zeiten für Kindererziehung oder Pflege. Etwa vier von fünf Bezieher sollen Frauen sein.
Gleitzone: Die große Koalition will eine Gleitzone einführen für Menschen, die etwas weniger als die 35 Jahre einbringen können oder den Einkommensfreibetrag nicht ganz erfüllen. Wie konkret diese Gleitzone aussehen soll geht aus dem Konzept aber nicht hervor. Außerdem wird ein Freibetrag beim Wohngeld eingeführt, damit die Verbesserung der Rente nicht durch eine gleichzeitige Kürzung des Wohngeldes aufgefressen wird.
Finanzierung: Die Freibeträge in der Grundsicherung und die Grundrente sollen ohne Beitragserhöhung in der Rentenversicherung aus Steuern finanziert werden. Dazu wird der Bundeszuschuss in der allgemeinen Rentenversicherung erhöht - der Umfang soll bis zu 1,5 Milliarden Euro pro Jahr betragen. Zur Finanzierung dieser Mittel soll die Finanztransaktionssteuer wie im Koalitionsvertrag vereinbart eingeführt werden.