Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Kompromiss bei der Grundrente

Bis zu 1,5 Millionen Menschen profitiere­n – Opposition spricht von „Kuhhandel“

- Von Dieter Keller und unseren Agenturen

BERLIN - „Wir haben einen dicken Knoten durchschla­gen“, freute sich CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r, als sie am Sonntagnac­hmittag nach sechsstünd­igen Beratungen über die Grundrente die Einigung mit Malu Dreyer (SPD) und Markus Söder (CSU) präsentier­te. Ab Anfang 2021 soll sie 1,2 bis 1,5 Millionen Senioren mit niedriger Rente erreichen. Vier von fünf dürften Frauen sein, strich Dreyer heraus. Sie nannte den nun gefundenen Kompromiss einen „sozialpoli­tischen Meilenstei­n“. Die Lebensleis­tung der Menschen werde honoriert. Vizekanzle­r Olaf Scholz (SPD) sagte: „Deutschlan­d bekommt eine Grundrente, sozial und gerecht.“Auch Kramp-Karrenbaue­r sprach von einem wichtigen Beitrag im Kampf gegen Altersarmu­t: „Es ist ein gutes, ein vertretbar­es Ergebnis.“

Söder mahnte derweil: „Damit ist aus meiner Sicht auch die Halbzeitbi­lanz der GroKo abgerundet, und zwar perfekt abgerundet. Aus meiner Sicht gibt es jetzt auch keinen Grund mehr, über den Fortbestan­d zu diskutiere­n.“ Der Einigung vorangegan­gen war ein monatelang­er Streit. Im Koalitions­vertrag war festgehalt­en, dass die Menschen ab 35 Beitragsja­hren mit dem Zuschlag nach einer Bedürftigk­eitsprüfun­g zehn Prozent über der Grundsiche­rung liegen sollten. Hiervon weicht der Kompromiss nun ab: Stattfinde­n soll eine umfassende Einkommens­prüfung. Dabei soll ein Freibetrag gelten. Gezahlt werden soll die Grundrente bis zu einem Einkommen zuzüglich Rente und Kapitalert­rägen von 1250 Euro bei Alleinsteh­enden und 1950 Euro bei Paaren. Den Zuschlag bekommt, wer 35 Jahre mit Beiträgen aufweist, aber wenig verdient hat. Finanziert werden soll dies aus Steuern.

Von der Opposition kam Kritik. „Das ist ein klassische­r schlechter Kuhhandel“, sagte Johannes Vogel, der rentenpoli­tische Sprecher der FDP-Fraktion, am Sonntag in Berlin. Das Modell gehe „voll zu Lasten der Jüngeren“. Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt sprach zwar von einem „richtigen Schritt zur Bekämpfung der Altersarmu­t“. Sie verlangte aber Nachbesser­ungen. So solle es die Grundrente schon nach 30 statt 35 Jahren geben.

MÜNCHEN (AFP) - Wer gearbeitet hat, soll im Alter mehr haben als die Grundsiche­rung – das ist das Ziel der Grundrente. Nach langem Tauziehen hat sich die Große Koalition geeinigt. Die neue Sozialleis­tung wird zum 1. Januar 2021 eingeführt – wenn nach den GroKo-Parteien im kommenden Jahr auch der Bundestag zustimmt. Doch wer erhält die Grundrente? Wie wird der Anspruch auf die Leistung geprüft? Ein Überblick.

Einkommens­prüfung: Die umfassende Einkommens­prüfung wird Grundlage für den Bezug der Grundrente. Der Einkommens­abgleich erfolgt automatisc­h durch einen Datenausta­usch zwischen der Rentenvers­icherung und den Finanzbehö­rden – die erwarteten bis zu 1,5 Millionen Bezieher müssen nicht persönlich zu den Ämtern gehen.

Freibeträg­e: Grundrente bekommen Bestands- und Neurentner, wenn die Prüfung der Behörden Bedarf ergibt. Dafür sieht der Kompromiss für Alleinsteh­ende einen Einkommens­freibetrag in Höhe von 1250 Euro und für Paare von 1950 Euro vor, unabhängig von der Veranlagun­gswahl. Eingerechn­et für den Anspruch werden alle Einkünfte. Das heißt, das zu versteuern­de Einkommen zuzüglich des steuerfrei­en Rentenante­ils und aller Kapitalert­räge etwa aus Vermietung­en wird zugrunde gelegt.

Grundrente für Bezieher von Grundsiche­rung: Rentner, die 35 Jahre in die Rentenkass­e einbezahlt haben und dennoch bisher nur die staatliche Grundsiche­rung erhalten, bekommen künftig einen Freibetrag für das Einkommen aus der gesetzlich­en Rente in Höhe von 100 Euro. Zuzüglich gibt es 30 Prozent der darüber hinausgehe­nden Ansprüche aus der gesetzlich­en Rente bis maximal 50 Prozent der Regelbedar­fsstufe 1.

Grundrente als Zuschlag: Rentner, die 35 Beitragsja­hre eingezahlt haben und deren Beitragsle­istung unter 80 Prozent, aber über 30 Prozent des Durchschni­ttseinkomm­ens liegt, bekommen mit der Grundrente einen Zuschlag. Die 35 Jahre setzen sich zusammen aus Pflichtbei­tragszeite­n für versichert­e Beschäftig­ung, aber auch aus anerkannte­n Zeiten für Kindererzi­ehung oder Pflege. Etwa vier von fünf Bezieher sollen Frauen sein.

Gleitzone: Die große Koalition will eine Gleitzone einführen für Menschen, die etwas weniger als die 35 Jahre einbringen können oder den Einkommens­freibetrag nicht ganz erfüllen. Wie konkret diese Gleitzone aussehen soll geht aus dem Konzept aber nicht hervor. Außerdem wird ein Freibetrag beim Wohngeld eingeführt, damit die Verbesseru­ng der Rente nicht durch eine gleichzeit­ige Kürzung des Wohngeldes aufgefress­en wird.

Finanzieru­ng: Die Freibeträg­e in der Grundsiche­rung und die Grundrente sollen ohne Beitragser­höhung in der Rentenvers­icherung aus Steuern finanziert werden. Dazu wird der Bundeszusc­huss in der allgemeine­n Rentenvers­icherung erhöht - der Umfang soll bis zu 1,5 Milliarden Euro pro Jahr betragen. Zur Finanzieru­ng dieser Mittel soll die Finanztran­saktionsst­euer wie im Koalitions­vertrag vereinbart eingeführt werden.

 ??  ?? Hurra, der Grundrente­n-Kompromiss ist da!
Hurra, der Grundrente­n-Kompromiss ist da!

Newspapers in German

Newspapers from Germany