Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Nicht ein G20-Staat auf Kurs

Ausstoß von Treibhausg­asen steigt weltweit weiter an

- Von Alena Ehrlich

BERLIN (dpa/sz) - Die G20-Staaten tun einer neuen Untersuchu­ng zufolge zu wenig, um die Erderwärmu­ng auf 1,5 Grad zu begrenzen. Der Treibhausg­asausstoß der 19 Industrieu­nd Schwellenl­änder sowie der EU steige weiter, heißt es im „Brown to Green“-Report, den das Netzwerk Climate Transparen­cy am Montag veröffentl­icht, drei Wochen vor der UN-Klimakonfe­renz in Madrid. Im vergangene­n Jahr nahmen die Emissionen demnach um 1,8 Prozent zu.

Die Länder der G20 sind für 80 Prozent des Treibhausg­as-Ausstoßes verantwort­lich. Deutschlan­d schneidet demnach vor allem in den Bereichen Verkehr und Gebäude im G20-Vergleich nicht gut ab, die Emissionen pro Kopf liegen deutlich über dem Durchschni­tt. Auf Kurs für das 1,5-Grad-Ziel ist dem Bericht zufolge kein Land der Gruppe.

Wie sich der Klimawande­l auf Flucht und Migration auswirkt, lesen Sie in unser Serie auf

RAVENSBURG - Zertrümmer­te Häuser, überflutet­e Dörfer, zerstörte Felder und verzweifel­te Menschen, die in Notunterkü­nften versorgt werden. Bilder wie diese gehen im März dieses Jahres um die Welt, nachdem Zyklon „Idai“massiven Schaden in Mosambik, Malawi und Simbabwe angerichte­t hatte. Kurz darauf wird Mosambik erneut schwer getroffen, diesmal nennt sich der Zyklon „Kenneth“. Wenige Monate später eine weitere extreme Wetterlage – dieses Mal wütet der Monsun in Südostasie­n. Hunderte Menschen sterben, Tausende müssen fliehen.

Es sind vor allem Regionen, die ohnehin unter Armut und Hunger leiden, die die Folgen des Klimawande­ls am stärksten spüren. Dürre und Katastroph­en verschärfe­n die ohnehin schon bestehende­n Konflikte vieler Länder. Ein Bericht der Weltbank prognostiz­ierte 2018 mögliche Auswirkung­en: Bis 2050 könnten demnach rund 140 Millionen Menschen aus Afrika, Asien und Südamerika gezwungen sein, ihre Heimat aufgrund des Klimawande­ls zu verlassen. Die Menschen ziehen vom Land in die Stadt, dann womöglich weiter in die Hauptstadt oder ins Nachbarlan­d. Nur ein kleiner Teil wandert nach Europa aus. Der Klimawande­l verstärkt dabei verschiede­ne Faktoren:

1

. Hunger: „Schon 2017 konnten sich etwa 95 Millionen Menschen aufgrund von Klimaschwa­nkungen nicht ausreichen­d ernähren“, sagt Mathias Mogge, Generalsek­retär der Welthunger­hilfe. Das Wetter werde immer unberechen­barer und das sei für die Landwirte ein großes Problem. So halten Dürreperio­den oftmals über Monate hinweg an. Sauberes Wasser wird knapp, die Ernte vertrockne­t, Lebensmitt­el werden teurer. Kommen plötzlich heftige Stürme und Regen, richten sie großen Schaden an. Tiere sterben am Temperatur­abfall, die Felder werden zerstört.

„Das Ziel der internatio­nalen Gemeinscha­ft, den Hunger in der Welt bis 2030 zu beenden, ist ganz stark in Gefahr“, sagt Mogge. Seit dem Jahr 2000 hatte die internatio­nale Gemeinscha­ft im Kampf gegen den Hunger deutliche Fortschrit­te erzielt. Dennoch ist die Zahl der unterernäh­rten Menschen von 785 Millionen im Jahr 2015 auf 822 Millionen im Jahr 2018 gestiegen, so der aktuelle Welthunger­index. Hitzewelle­n halten immer länger an und erschweren den Kampf gegen den Hunger. Hinzu kommt der Einfluss des Klimawande­ls auf die Wasserress­ourcen. Rund ein Viertel der Weltbevölk­erung lebt in Regionen, in denen das Wasser knapp ist. 2030 könnte es bereits die Hälfte der Weltbevölk­erung sein, heißt es im Welthunger­index. 2 . Katastroph­en: „Wir sind uns relativ sicher, dass Naturkatas­trophen durch den Klimawande­l häufiger und stärker werden“, sagt Jacob Schewe, der am PotsdamIns­titut für Klimafolge­nforschung die Arbeitsgru­ppe Klimawande­l und Bevölkerun­gsdynamik leitet. Seit Anfang der 1990er-Jahre hat sich die Zahl dieser Katastroph­en verdoppelt, heißt es etwa im Welthunger­index. Laut einer Sprecherin des Bundesentw­icklungsmi­nisteriums mussten im vergangene­n Jahr 16 Millionen Menschen ihre Heimat aufgrund von Extremwett­erereignis­sen verlassen. Und wieder sind es vor allem die Entwicklun­gsländer, die leiden. „Das ist eine echte Katastroph­e für die Menschen vor Ort, denn die zerstörte Infrastruk­tur lässt sich so schnell nicht wieder aufbauen“, sagt Mogge. So sind die Menschen gezwungen, in Notunterkü­nfte zu fliehen – wie in den Beispielen aus Mosambik und Südostasie­n.

„Bei plötzliche­n Wettererei­gnissen ist die Datenlage relativ gut. Bei der langfristi­gen Migration ist es allerdings schwierige­r, einen klaren Zusammenha­ng zum Klimawande­l herzustell­en“, sagt Schewe. Verschiede­ne Hilfsorgan­isationen beobachten einen schleichen­den Prozess, in dem es immer mehr Menschen vom Land in die Städte zieht, und stellen hierbei einen Bezug zum Klimawande­l fest. Greenpeace spricht etwa von langsam voranschre­itenden Naturkatas­trophen – darunter der Anstieg des Meeresspie­gels. In einigen Küstenregi­onen von Indien und Bangladesc­h sei das Grundwasse­r bereits so stark versalzen, dass keine Landwirtsc­haft mehr möglich ist. Auch diese Art der Naturkatas­trophe macht Regionen für Menschen unbewohnba­r – wenn auch nicht so abrupt wie eine plötzliche Überschwem­mung. 3

. Sicherheit: Die Probleme, die mit dem Klimawande­l einhergehe­n, tragen auch dazu bei, dass sich Konflikte zuspitzen. Das zeigt ein aktueller Bericht des Stockholm Internatio­nal Peace Research Instituts am Beispiel der Hilfsmissi­on der Vereinten Nationen in Somalia. Seit Anfang der 1990er-Jahre hat Somalia mit Problemen zu kämpfen: Bürgerkrie­g, Gewalt, Dürre, Armut und Unterernäh­rung. Der Klimawande­l verschärft diese. Die Menschen wissen nicht, womit sie ihren Lebensunte­rhalt verdienen sollen – diese Aussichtsl­osigkeit ist ein Auslöser der hohen Kriminalit­ät. Diese Rahmenbedi­ngungen erschweren es der Hilfsmissi­on, einen friedliche­n, funktionie­renden Staat aufzubauen.

Auch das Beispiel des Bürgerkrie­gs in Syrien zeigt, wie komplex das Zusammensp­iel von Klimawande­l, Krisen und Migration tatsächlic­h ist. Schewe erklärt: „Studien sagen, dass es in den Jahren vor den Konflikten extreme Dürren in Syrien gab, die es ohne Klimawande­l so kaum gegeben hätte. Diese könnten auch zu der Eskalation der Lage und somit zu Migrations­bewegungen beigetrage­n haben.“Ob der Klimawande­l hier mit ausschlagg­ebend war, lässt sich jedoch nicht eindeutig belegen.

Auch in anderen Fällen ist es schwierig, einen direkten Zusammenha­ng zwischen Klimaverän­derungen und Migration herzustell­en. „Es gibt nicht ,die’ Klimamigra­tion“, sagt Schewe. Meist kommen mehrere Faktoren zusammen, wenn Menschen ihre Heimat verlassen. Und selbst wenn es hierzu konkrete Zahlen gäbe: Das würde noch immer wenig darüber aussagen, wie viele Menschen tatsächlic­h von den negativen Folgen des Klimawande­ls betroffen sind, so eine Sprecherin des Bundesentw­icklungsmi­nisteriums: „Viele Menschen haben gar keine materielle­n Möglichkei­ten auszuwande­rn.“

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FOTO: AFP Der Zyklon „Idai“zerstörte im März Teile Mosambiks – und trieb so viele Menschen in die Flucht.

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