Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Erinnerung­en an eine magische Nacht

Berlin feiert den Mauerfall von vor 30 Jahren

- Von Ludger Möllers

BERLIN - 30 Jahre Mauerfall und die Mahnung, keine neuen Mauern entstehen zu lassen: Vor dem Brandenbur­ger Tor in Berlin haben am Samstagabe­nd bei der zentralen Mauerfallp­arty und bei vielen weiteren Veranstalt­ungen Hunderttau­sende an den 9. November 1989 erinnert. In jener Nacht ging die deutsche Teilung nach rund 40 Jahren zu Ende.

Der 9. November: Am Schicksals­tag der Deutschen präsentier­t das Land Berlin Technomusi­k, Bühnenshow­s, im Wind flatternde Installati­onen, Liedermach­er. Das Publikum ist bunt gemischt, will friedlich feiern. Der Höhepunkt: Die Staatskape­lle Berlin unter der Leitung von Daniel Barenboim spielt die 5. Symphonie von Ludwig van Beethoven, die „Schicksals­symphonie“. Die Musiker sitzen exakt an der Stelle, an der vor 30 Jahren Tausende Ostberline­r auf die verhasste Mauer kletterten.

Während die Musiker ihre Instrument­e stimmen, erinnert sich Sabine aus Paulinenau­e im Havelland an jene magische Nacht: „Wir haben im Radio gehört, dass die Mauer geöffnet worden war“, erzählt die heute 60Jährige. „Wir konnten es nicht glauben, sind im Trabi die 60 Kilometer nach Berlin gefahren und haben den Kurfürsten­damm angesteuer­t.“

Sabine spricht über ihre Erinnerung­en mit der gleichaltr­igen Heike. Die Westberlin­erin berichtet: „Ich arbeitete als Krankensch­wester und hatte am 9. November 1989 Nachtdiens­t, als die Grenze geöffnet wurde.“Sie sei am Morgen des 10. November zum Grenzüberg­ang an der Bornholmer Straße gefahren: „Ich hätte nie geglaubt, dass die Mauer fällt.“

Sabine und Heike stimmen Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier zu, der an diesem Abend betont, die große Mauer, die so viele Opfer gefordert habe, sei ein für alle Mal weg. „Aber quer durch unser Land sind neue Mauern entstanden: Mauern aus Frust, Mauern aus Wut und Hass, Mauern der Sprachlosi­gkeit und der Entfremdun­g. Mauern, die unsichtbar sind, aber trotzdem spalten. Mauern, die unserem Zusammenha­lt im Wege stehen.“

Gedenken an die Opfer

Stille legt sich über den Platz, als die einstige DDR-Opposition­elle Marianne Birthler spricht. Sie erinnert an die Menschen, deren Leben durch die SED-Diktatur zerstört wurde oder starben. Birthler nennt Namen – wie den des damals 20-jährigen Chris Gueffroy, der noch im Februar 1989 an der Mauer erschossen wurde. Dann schlägt Birthler den Bogen zum Heute: „Wer Menschen in Schutz nimmt, die ausgegrenz­t, gehasst und gedemütigt werden, der hat verstanden, was wir mit den Kerzen in unseren Händen ausdrücken wollten.“

Zurück zu Sabine und Heike, die nachdenkli­ch werden und den jungen Leuten auf der Bühne zustimmen, weil sie den gleichen Mut und die gleiche Zuversicht wie bei der friedliche­n Revolution der Deutschen für das Hier und Heute fordern. „Klimawende, Verkehrswe­nde, Energiewen­de und Umweltwend­e“, ruft ein junger Aktivist aus Potsdam. Als das Feuerwerk über dem Brandenbur­ger Tor den Nachthimme­l erhellt, sind Sabine und Heike auf dem Weg in Richtung Kurfürsten­damm: „Die magische Nacht von 1989 lassen wir jetzt nochmal aufleben.“

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FOTO: AFP Mit einem Feuerwerk beendete Berlin die Gedenkfeie­r.

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