Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Wo die Aktionäre das Wort haben
Bei Hauptversammlungen entscheiden Anleger über Dividenden und Unternehmenskurs
STUTTGART - Hardy Hamann hielt mit seiner Kritik nicht hinterm Berg. In deutlichen Worten machte er dem Vorstand der Elring Klinger AG, Stefan Wolf, klar, wie unzufrieden er mit dem Geschäftsverlauf des abgelaufenen Jahres ist. Nachdem sich die wirtschaftliche Lage des Unternehmens immer weiter verschlechtert hat und der Aktienkurs binnen vier Jahren mehr als 80 Prozent seines Werts verloren hatte, zahlte der Zulieferbetrieb in Dettingen/Erms für 2018 keine Dividende.
Das war für Hamann, Sprecher der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) Grund genug, von den rund 800 anwesenden Aktionären zu fordern, dem Vorstand die Entlastung zu verweigern. Sein Antrag war nicht von Erfolg gekrönt, weil die Gründerfamilie nicht mitzog. „Aber mir ging es auch nur darum, dem Vorstand die Gelb-Rote Karte zu zeigen“, sagt Hamann rückblickend.
Anhand dieser Anekdote, die sich am 16. Mai 2019 auf der Hauptversammlung der Elring Klinger AG in der Stuttgarter Liederhalle abgespielt hat, werden gleich mehrere Aktionärsrechte deutlich. Eines davon ist der Besuch der jährlichen Versammlung, den Aktionäre in zunehmendem Maße wahrnehmen. So lag die Quote der auf den Aktionärstreffen angemeldeten Stammaktien zumindest bei den Dax-Werten im Durchschnitt bei 67 Prozent, was einen neuen Rekordwert darstellt. Doch es nimmt nicht nur die Präsenz auf den Hauptversammlungen zu, auch die Redner werden selbstbewusster und jünger, wie Hamann beobachtet.
Juristisch gesehen stellt die Hauptversammlung neben dem Vorstand und dem Aufsichtsrat eines der drei Organe einer Aktiengesellschaft dar, zu deren Besuch die Aktionäre eines Unternehmens berechtigt sind. Außerdem hat jeder Aktionär grundsätzlich das Recht, dabei auch zu Wort zu kommen. Voraussetzung hierfür ist jeweils, dass eine entsprechende Anmeldung im Vorfeld vorgenommen wurde. Auf der Hauptversammlung wird auch entschieden, ob und inwieweit der Bilanzgewinn ausgeschüttet werden soll, die Teilhaber also eine Dividende erhalten oder nicht. Die AG ist hierzu zwar nicht verpflichtet, entscheidet sie sich jedoch dafür, kommt jedem Aktionär ein Teil dieses Gewinnes entsprechend seiner Beteiligung zu. Hierbei ist ein wesentlicher Unterschied, ob der jeweilige Gewinn auf Vorzugsoder Stammaktien entfällt. Denn Vorzugsaktien sind zwar mit einem Vorrecht bei der Gewinnverteilung ausgestattet, haben aber im Gegensatz zu den Stammaktien kein Stimmrecht. Aufgrund dieses Stimmrechts können nämlich Aktionäre beispielsweise entscheiden, wie der Bilanzgewinn verwendet werden oder wie der zukünftige Unternehmenskurs aussehen soll. Dabei muss die Dividende nicht zwingend in Form einer Geldauszahlung erfolgen. Sie kann auch wie etwa im Falle der historischen Öchsle-Bahn Aktiengesellschaft in Biberach einen Rabatt für die Fahrt mit der Museumsbahn umfassen.
Weiter entscheiden die Aktionäre auf der Hauptversammlung, ob dem Vorstand sowie dem Aufsichtsrat Entlastung erteilt werden soll oder nicht. Eine solche Entscheidung hat größtenteils nur symbolische Wirkung. Sie gibt aber Aufschluss darüber, ob die Aktionäre den Führungsgremien noch für die Zukunft vertrauen und das alte Verhalten gebilligt wird oder eben nicht. Meistens ist die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat eine Formalie und erreicht oft Zustimmungsraten von mehr als 90 Prozent. Das liegt daran, dass insbesondere Mehrheitsaktionäre oder große Investoren an einem Strang ziehen und an Widerspruch wenig Interesse haben. „Aber natürlich kann sich eine Nichtentlastung negativ auf das Image eines Unternehmens auswirken“, sagt Hamann. Dies war in diesem Jahr bei der Bayer AG der Fall, als die Anteilseigner dem Vorstandschef die Entlastung spektakulär versagt hatten. Damit verpassten die Aktionäre der Unternehmensführung einen Denkzettel für den als fehlerhaft empfundenen Erwerb des Glyphosat-Herstellers Monsanto. Der Vorstand aber durfte bleiben, weil der Aufsichtsrat ihn nicht entlassen hatte.
Ein weiteres Recht der Aktionäre ist ihr Auskunftsrecht, mit dem sichergestellt werden soll, dass der Aktionär über alle wichtigen Angelegenheiten der AG informiert ist. „So kann der Anteilseigner sein Stimmrecht aufgrund fundierter Informationen ausüben“, erläutert Hamann. Meistens wird das relevant, wenn das Ergebnis des abgelaufenen Geschäftsjahres präsentiert wird, Prognosen aufgestellt oder Zukunftspläne besprochen werden.