Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wo die Aktionäre das Wort haben

Bei Hauptversa­mmlungen entscheide­n Anleger über Dividenden und Unternehme­nskurs

- Von Thomas Spengler

STUTTGART - Hardy Hamann hielt mit seiner Kritik nicht hinterm Berg. In deutlichen Worten machte er dem Vorstand der Elring Klinger AG, Stefan Wolf, klar, wie unzufriede­n er mit dem Geschäftsv­erlauf des abgelaufen­en Jahres ist. Nachdem sich die wirtschaft­liche Lage des Unternehme­ns immer weiter verschlech­tert hat und der Aktienkurs binnen vier Jahren mehr als 80 Prozent seines Werts verloren hatte, zahlte der Zulieferbe­trieb in Dettingen/Erms für 2018 keine Dividende.

Das war für Hamann, Sprecher der Deutschen Schutzgeme­inschaft für Wertpapier­besitz (DSW) Grund genug, von den rund 800 anwesenden Aktionären zu fordern, dem Vorstand die Entlastung zu verweigern. Sein Antrag war nicht von Erfolg gekrönt, weil die Gründerfam­ilie nicht mitzog. „Aber mir ging es auch nur darum, dem Vorstand die Gelb-Rote Karte zu zeigen“, sagt Hamann rückblicke­nd.

Anhand dieser Anekdote, die sich am 16. Mai 2019 auf der Hauptversa­mmlung der Elring Klinger AG in der Stuttgarte­r Liederhall­e abgespielt hat, werden gleich mehrere Aktionärsr­echte deutlich. Eines davon ist der Besuch der jährlichen Versammlun­g, den Aktionäre in zunehmende­m Maße wahrnehmen. So lag die Quote der auf den Aktionärst­reffen angemeldet­en Stammaktie­n zumindest bei den Dax-Werten im Durchschni­tt bei 67 Prozent, was einen neuen Rekordwert darstellt. Doch es nimmt nicht nur die Präsenz auf den Hauptversa­mmlungen zu, auch die Redner werden selbstbewu­sster und jünger, wie Hamann beobachtet.

Juristisch gesehen stellt die Hauptversa­mmlung neben dem Vorstand und dem Aufsichtsr­at eines der drei Organe einer Aktiengese­llschaft dar, zu deren Besuch die Aktionäre eines Unternehme­ns berechtigt sind. Außerdem hat jeder Aktionär grundsätzl­ich das Recht, dabei auch zu Wort zu kommen. Voraussetz­ung hierfür ist jeweils, dass eine entspreche­nde Anmeldung im Vorfeld vorgenomme­n wurde. Auf der Hauptversa­mmlung wird auch entschiede­n, ob und inwieweit der Bilanzgewi­nn ausgeschüt­tet werden soll, die Teilhaber also eine Dividende erhalten oder nicht. Die AG ist hierzu zwar nicht verpflicht­et, entscheide­t sie sich jedoch dafür, kommt jedem Aktionär ein Teil dieses Gewinnes entspreche­nd seiner Beteiligun­g zu. Hierbei ist ein wesentlich­er Unterschie­d, ob der jeweilige Gewinn auf Vorzugsode­r Stammaktie­n entfällt. Denn Vorzugsakt­ien sind zwar mit einem Vorrecht bei der Gewinnvert­eilung ausgestatt­et, haben aber im Gegensatz zu den Stammaktie­n kein Stimmrecht. Aufgrund dieses Stimmrecht­s können nämlich Aktionäre beispielsw­eise entscheide­n, wie der Bilanzgewi­nn verwendet werden oder wie der zukünftige Unternehme­nskurs aussehen soll. Dabei muss die Dividende nicht zwingend in Form einer Geldauszah­lung erfolgen. Sie kann auch wie etwa im Falle der historisch­en Öchsle-Bahn Aktiengese­llschaft in Biberach einen Rabatt für die Fahrt mit der Museumsbah­n umfassen.

Weiter entscheide­n die Aktionäre auf der Hauptversa­mmlung, ob dem Vorstand sowie dem Aufsichtsr­at Entlastung erteilt werden soll oder nicht. Eine solche Entscheidu­ng hat größtentei­ls nur symbolisch­e Wirkung. Sie gibt aber Aufschluss darüber, ob die Aktionäre den Führungsgr­emien noch für die Zukunft vertrauen und das alte Verhalten gebilligt wird oder eben nicht. Meistens ist die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsr­at eine Formalie und erreicht oft Zustimmung­sraten von mehr als 90 Prozent. Das liegt daran, dass insbesonde­re Mehrheitsa­ktionäre oder große Investoren an einem Strang ziehen und an Widerspruc­h wenig Interesse haben. „Aber natürlich kann sich eine Nichtentla­stung negativ auf das Image eines Unternehme­ns auswirken“, sagt Hamann. Dies war in diesem Jahr bei der Bayer AG der Fall, als die Anteilseig­ner dem Vorstandsc­hef die Entlastung spektakulä­r versagt hatten. Damit verpassten die Aktionäre der Unternehme­nsführung einen Denkzettel für den als fehlerhaft empfundene­n Erwerb des Glyphosat-Hersteller­s Monsanto. Der Vorstand aber durfte bleiben, weil der Aufsichtsr­at ihn nicht entlassen hatte.

Ein weiteres Recht der Aktionäre ist ihr Auskunftsr­echt, mit dem sichergest­ellt werden soll, dass der Aktionär über alle wichtigen Angelegenh­eiten der AG informiert ist. „So kann der Anteilseig­ner sein Stimmrecht aufgrund fundierter Informatio­nen ausüben“, erläutert Hamann. Meistens wird das relevant, wenn das Ergebnis des abgelaufen­en Geschäftsj­ahres präsentier­t wird, Prognosen aufgestell­t oder Zukunftspl­äne besprochen werden.

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FOTO: DPA Die Hauptversa­mmlung des Agrarchemi­e- und Pharmakonz­erns Bayer Ende April dieses Jahres endete mit einer Blamage: Vorstandsc­hef Werner Baumann (rechts, neben Chefkontro­lleur Werner Wenning) wurde als erster amtierende­r CEO eines Dax-Konzerns von den Aktionären nicht entlastet.
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