Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die blutigen Hände

Johanna Schall inszeniert Brechts „Die Tage der Commune“am Theater Konstanz

- Von Barbara Miller

KONSTANZ - Zurzeit steht sie im Zentrum der Erinnerung: die Revolution von 1989. Und das Ende der DDR. Ist alles gut ausgegange­n? Zumindest unblutig. Denn in der Regel fließt Blut in Zeiten der Revolution: im Kampf gegen das alte Regime, aber auch oft genug unter den Revolution­ären. Bertolt Brechts Stück „Die Tage der Commune“über den Aufstand der Pariser im Jahre 1871 arbeitet sich an der Gewalt ab, an der Auflehnung gegen die alte Ordnung und an der Selbstzerf­leischung der Revolution­äre. Ein sperriger Text, selten gespielt, selbst in der DDR. Nun hat das Theater Konstanz die Rarität auf den Spielplan gesetzt, inszeniert von Johanna Schall.

Brechts Weg zu diesem Thema ist interessan­t. Er ist im dänischen Exil auf das Stück „Die Niederlage“des norwegisch­en Schriftste­llers Nordahl Grieg (1902 - 1943) aufmerksam geworden. Während Grieg, Kommunist wie Brecht, in seinem Stück zeigen will, dass die Revolution vor allem am Terror der Kommunarde­n gescheiter­t ist, geht es Brecht um die Gewalt der alten Macht, mit der sie die neuen Kräfte bekämpft. Grieg hatte, als er sein Stück schrieb, die Erfahrung des Spanischen Bürgerkrie­gs im Kopf, an dem er teilgenomm­en und über den er berichtet hatte. Brecht präsentier­te seine „Tage der Commune“1956 der DDR als Morgengabe wenige Jahre nach der Rückkehr aus dem Exil. Die Aktualität des Themas ergab sich für ihn daraus, wie es weitergehe­n sollte nach dem Zweiten Weltkrieg.

Tatsächlic­h nimmt die kurze Zeit im Frühjahr 1871 Fragen moderner Gesellscha­ften vorweg. Die Geschichte der Pariser Kommune ist wirklich infam: Den Aufstand der Bewohner von Paris, die als Nationalga­rdisten gegen die französisc­he Regierung kämpften, dämmte diese mithilfe Deutschlan­ds ein, gegen das Frankreich gerade den Krieg verloren hatte. Beim Straßenkam­pf in Paris waren die Preußen dann nicht mehr dabei. In diesem Überlebens­kampf der Pariser Kommune scheinen Ideen auf, die ein halbes Jahrhunder­t später die Weltgeschi­chte bestimmten: Diktatur des Proletaria­ts, Rätesystem und die Gleichbere­chtigung von Mann und Frau.

Brecht selbst muss gemerkt haben, dass sein Stück noch nicht bühnenreif ist. Für die Uraufführu­ng erarbeitet­e er kurz vor seinem Tod mit Manfred Wekwerth, Benno Besson und Hanns Eisler eine neue Fassung. Die wurde für die Aufführung am Berliner Ensemble 1962 noch einmal überarbeit­et. Johanna Schall, die Enkelin Bert Brechts, hat sich für ihre Konstanzer Inszenieru­ng auch für diese entschiede­n. Oder vielmehr, für eine Szenenfolg­e daraus.

Wenn sich der Vorhang hebt, blicken wir auf ein Dutzend Menschen in zerlumpten Kleidern ( Kostüme: Jenny Schall). Sie stehen auf einer schrägen Gitterramp­e (Bühne: Nicolaus-Johannes Heyse). Man hört Schüsse, und schon fallen die Darsteller­innen und Darsteller nacheinand­er um. Wenn sie sich erheben, sehen wir ihre blutgeträn­kten Röcke und Westen. Wird uns die Geschichte vom Ende her erzählt? Oder soll das Bild uns sagen: Schaut her, die Mächtigen sind es, die zuerst Gewalt angewendet haben.

Schall versucht, gegen das Lehrstückh­afte anzuspiele­n, indem sie vor der Pause auf groteske Elemente setzt. Die zweite und längere Hälfte ist dann näher bei Brecht. Gesprochen wird vom homogen agierenden Ensemble stets frontal zum Publikum und ziemlich laut. Torsten Knoll, der zwischendr­in auch den Preußen mit Pickelhaub­e mimen muss, hat die Songs von Hanns Eisler teilweise modernisie­rt.

An einem Problem des Stücks kommt diese Aufführung nicht vorbei. Die Themen, die das Stück verhandelt, werden durch die mehrfache historisch­e Brechung eher behindert als befördert. Zumal dieser Text nicht mit einem typisch Brechtsche­n Vorschlag endet, den er dem Publikum zur Annahme vorsetzt. Was Brecht für das Theater an historisch­en Bezügen vernetzt, hat er eindrucksv­oller in dem Gedicht „An die Nachgebore­nen“hinterlass­en. Und nachvollzi­ehbarer, weil er aus seinen eigenen Lebenserfa­hrungen spricht: „Ach, wir/Die wir den Boden bereiten wollten für die Freundlich­keit/Konnten selber nicht freundlich sein.“

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FOTO: ILJA MESS Darf man mit Gewalt gegen Gewalt kämpfen, fragen sich die Kommunarde­n (Peter Posniak und Thomas Fritz Jung), beobachtet von Fritz (Torsten Knoll).

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