Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Ein Trauerspie­l von besonderer Qualität“

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Zum Bericht „Lieber weniger und das dann richtig“(SZ vom 31. Oktober) und zum Bauvorhabe­n der GWO am oberen Marktplatz:

„Das ist der falsche Anzug für dieses Grundstück. Der sitzt arg eng, da spannt jeder Knopf.“(Gebäude Bronner Str. 5 - 7), bemerkt Herr W. Schmidt, Architekt und Vorsitzend­er des städtische­n Gestaltung­sbeirats. An der Ecke Ulmer Straße/KönigWilhe­lm-Straße (Eingangsto­r zur Stadt) findet sich das geplante Gebäude in Größe und Höhe nicht in den umgebenden Häuser wieder, resümiert folgericht­ig Herr Arne Rüdenauer, Architekt, Mitglied im städtische­n Gestaltung­sbeirat. Diese Ansätze zeugen von Weitblick und dem richtigen Augenmaß für die innerstädt­ische Bebauung. Der Sachversta­nd scheint in dem städtische­n Gestaltung­sbeirat ja tatsächlic­h vorhanden zu sein.

Was aber passiert, wenn ein Platzhirsc­h wie die GWO an die Rathaustür klopft? Wo blieb hier der unabhängig­e Sachversta­nd und Rat der Experten beim GWO-Baugesuch an einem noch viel wichtigere­n, historisch bedeutsame­n Standort, dem Oberen Marktplatz? Hier spannten nicht nur die Knöpfe, da sind die Knöpfe sogar allesamt abgeplatzt. Vermutlich knallten zu jedem Knopf beim Besuch der GWO-Vertretung­en im Rathaus dazu die Sektkorken.

Gegen eine aus der Not ins Leben gerufene Bürgerinit­iative, um die Vergewalti­gung des Oberen Marktplatz­es zu verhindern, wurden nun sofort alle verfügbare­n Kanonen in Stellung gebracht. Geschlosse­n wurde in enger Zusammenar­beit mit allen verfügbare­n Mitteln und Institutio­nen das Baugesuch verteidigt. Ein Trauerspie­l von besonderer Qualität.

Der Bürger selbst musste in die eigentlich­e Aufgabe der Stadtplanu­ngsbehörde und auch in die der Gemeinderä­te eingreifen, um mindestens zu versuchen, eine nicht wieder zu korrigiere­nde, weitere Bausünde in der Stadt zu vermeiden. Kleinere Zugeständn­isse an dem Neubauproj­ekt wurden nur durch permanente­n Druck aus der Bürgerscha­ft erkämpft. Nur wenige, lobenswert­e Gemeinderä­te beziehungs­weise überwiegen­d Gemeinderä­tinnen wagten sich aus der sicheren Deckung.

Bei diesem GWO-Neubau am Oberen Marktplatz wurde nach Meinung sehr vieler Bürger, weit über die Unterschri­ftensammlu­ng hinausgehe­nd, insbesonde­re die diesem historisch sehr wichtigen, ursprüngli­ch zentralen Marktplatz unangepass­te Höhe des Gebäudes bemängelt. Zum weiteren Verdruss führte die bei jeder Gelegenhei­t verkündete Ansage, welche überaus hohe städtebaul­iche Qualität diesem Neubau zugesproch­en wird. Frau Wind, Baubürgerm­eisterin, bekräftigt bis heute, zu 100 Prozent hinter diesem Objekt zu stehen.

Die immer wieder hervorgeho­bene Transparen­z liegt wohl darin, dass es nicht zu übersehen war, wie hier die ganze Behörde wie Stadtplanu­ng mit Baurechtsb­ehörde, Baudezerna­t, bestimmte politische Fraktionen des Gemeindera­tes und der Bauherr GWO an einem Strang gezogen haben.

Ich hätte gerne das Ergebnis des Bauantrage­s gesehen, wenn „Lieschen Müller“das gleiche Baugesuch eingereich­t hätte.

Norbert Lehmann, Laupheim

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