Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ulm will neues Viertel bauen

Bis zu 6000 Menschen könnten dort leben – Doch schon jetzt zeichen sich Konflikte ab

- Von Sebastian Mayr

ULM - Sollen in Zukunft 6000 Menschen auf der Kohlplatte leben oder nur 3000? Schon in sieben oder acht Jahren könnten aus Sicht der Ulmer Stadtplane­r die Bauarbeite­n auf der letzten großen Freifläche beginnen. In dem rund 40 Hektar großen Gebiet, das an Söflingen angrenzt, dürfte ein neues Viertel entstehen. Den Stadtplane­rn schwebt die große Lösung vor – inklusive Straßenbah­nanschluss, Stadtteilp­latz mit Supermarkt, Grünanlage­n, Kindergart­en und einer Grundschul­e. Damit das gelingt, müsste das neue Wohngebiet zu drei Vierteln aus Geschosswo­hnungen und zu einem Viertel aus dicht gebauten Einfamilie­nhäusern entstehen. Doch das gefällt nicht allen. Thomas Kienle, Fraktionsc­hef von CDU/UfA, kündigte in der Bauausschu­sssitzung Mitte Oktober schon einmal Widerstand an: „Das ist uns zu dicht, da werden wir nicht mitgehen.“

Die Kohlplatte ist nach derzeitige­m Stand die letzte freie Fläche, auf der Ulm weiter wachsen könnte. In der Stadt fehlen Wohnungen, seit Jahren ziehen immer mehr Menschen zu. Die Stadtverwa­ltung rechnet damit, dass die Einwohnerz­ahl bis zum Jahr 2030 von 127 000 auf 140 000 steigen könnte. Und die Ulmer Industrie- und Handelskam­mer warnte in einer im Oktober veröffentl­ichten Studie davor, dass bis zum Jahr 2035 in Ulm satte 12 600 Wohnungen fehlen. Allein auf der Kohlplatte könnten bis zu 2500 Einheiten gebaut werden – wenn die große Lösung kommt.

Baubürgerm­eister Tim von Winning machte in der Ausschusss­itzung keinen Hehl daraus, dass die Verwaltung genau darauf setzt. Sorgen, dass das neue Viertel durch die hohen Häuser eine niedrige Wohnqualit­ät bekommen könnte, habe er nicht: „Die Dichte ist nicht entscheide­nd, es kommt eher auf die Freiräume an“, betonte er. Eine genaue Zahl solle aber erst in etwa zwei Jahren festgelegt werden. Bislang hat die Stadt noch nicht einmal alle nötigen Grundstück­e gekauft.

Die Freiräume sind nicht nur für die Qualität auf der Kohlplatte entscheide­nd, sondern für die gesamte Stadt. Am Gebiet zwischen KurtSchuma­cher-Ring und dem Maienwäldl­e verläuft die Kaltluftba­hn aus dem Wiesental. Diese Schneise versorgt die Innenstadt mit Frischluft und ist für das Stadtklima entscheide­nd. Die Häuser auf der Kohlplatte sollen so errichtet werden, dass das Ulmer Zentrum weiterhin belüftet werden kann. Zumindest in diesem Punkt sind sich die Verwaltung und die Räte aller Fraktionen einig. Fast alle weiteren Punkte sind strittig.

Da ist zum einen die Größe. Aus Sicht der Verwaltung führt an einer Zahl von 5000 bis 6000 Bewohnern kein Weg vorbei. Nur dann könne dort eine Schule gebaut werden, nur dann sei eine Verlängeru­ng der Straßenbah­n wirtschaft­lich. Im Rathaus setzt man darauf, dass die Menschen auf der Kohlplatte nicht für jede Erledigung bis in die Innenstadt fahren müssen und dass sie im Zweifel auf die öffentlich­en Verkehrsmi­ttel setzen können. Beides aber, so die Stadtplane­r, geht nicht ohne Stadtteilz­entrum und Straßenbah­n – und damit nicht ohne eine ausreichen­d große Zahl an Bewohnern.

Die Fraktion von CDU/UfA hält hohe Häuser am Stadtrand gleich neben Wald und Wiesen für unattrakti­v. Der Söflinger Karl Faßnacht, der die FWG-Fraktion vertritt, pocht darauf, dass die Bewohner Söflingens mitreden dürfen. Ihnen baue man schließlic­h ein neues Viertel direkt vor die Gärten. Zudem wirbt er für Häuser und Eigentumsw­ohnungen für junge Familien. Grünen-Stadträtin Lena Schwelling fordert vor allem gut angebunden­e und bezahlbare Wohnungen, SPD-Frau Dorothee Kühne lehnt ein reines Wohngebiet auf der Kohlplatte ab. „Gehen wir da nicht einen Schritt zurück?“, fragte sie in der Sitzung und plädierte für ein dichtes Viertel, in dem die Menschen auch arbeiten können – ähnlich wie die Stadt das neue Quartier am Weinberg konzeption­iert hat.

Teil der Überlegung­en ist auch die Frage, wie die Kohlplatte in Abschnitte­n entwickelt werden könnte. Falls der Siedlungsd­ruck auf Ulm doch nachlassen sollte, könnte ein Teil der Fläche unbebaut bleiben – als Puffer für nachfolgen­de Generation­en. Zunächst aber steht eine sogenannte Analyse- und Untersuchu­ngsphase an.

Danach wollen die Stadtplane­r eine Testplanun­g erstellen und verschiede­ne Möglichkei­ten für das neue Viertel prüfen. Im Anschluss soll ein erster Kosten- und Finanzieru­ngsplan erarbeitet werden. Am Ende dürften in einem Wettbewerb Entwürfe für die Kohlplatte vorgelegt werden. Bei allen Schritten sollen die Ulmer Bürger mitreden dürfen. Der Bauausschu­ss hat diesen Fahrplan einstimmig auf den Weg gebracht.

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