Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Zerrissen im Widerstreit der Gefühle
Mozarts späte Meisteroper „La Clemenza di Tito“am Landestheater Vorarlberg begeistert musikalisch und szenisch
GBREGENZ - Die diesjährige Opernproduktion am Bregenzer Kornmarkttheater widmet sich Mozarts vorletzter Oper „La Clemenza di Tito“: musikalisch glanzvoll von Dirigent Karsten Januschke und einem jungen Ensemble umgesetzt, szenisch in einem knapp gehaltenen Bühnenbild (Bartholomäus Martin Klappek) und Kostümen heutiger Zeit (Gabriele Kortmann) verdichtet und durch die Dialogregie von Henry Arnold jedoch recht verkopft.
Die Gattung der Opera seria mit ihrer relativ steifen Abfolge von Rezitativen und Arien hatte sich eigentlich schon überlebt, als Mozart den Auftrag erhielt, zur Krönung Kaiser Leopolds II. zum König von Böhmen eine Oper zu komponieren. Die Wahl fiel auf die zu Huldigungszwecken schon oft vertonte Oper „La Clemenza di Tito“nach einem Text von Pietro Metastasio, für die ein neues strafferes Libretto geschaffen wurde. Mit seiner reichen Erfahrung als Operndramatiker schuf Mozart im Sommer 1791, parallel zur „Zauberflöte“und vor dem Requiem, ein Meisterwerk. Zu ihrer Zeit galt „La Clemenza di Tito“als Mozarts beste Oper, heute kennt man sie nicht mehr so gut, doch musikalische Meisterschaft und Anspruch bleiben unbestritten.
Liebe, Freundschaft, Rivalität, Hörigkeit, Intrigen sind die Themen dieser Oper: Vitellia, die Tochter des entmachteten Vitellio, erhebt Anspruch auf den Kaiserthron und stachelt den ihr hörigen Sesto zum Mordversuch an seinem Freund, Kaiser Titus, an. Titus dagegen durchlebt unentwegt einen inneren Zwiespalt und ringt sich doch zu Verzeihen und Milde – eben „clemenza“– durch. Dazu gibt es mit Annio (wie Sesto eine Hosenrolle) und Servilia ein echtes Liebespaar und mit Publio einen Berater des Titus’, der seine Fäden spinnt und der dessen Mildtätigkeit
eher als Schwäche sieht. Regisseur Henry Arnold, der im vergangenen Jahr Beethovens „Fidelio“an diesem Haus realisiert hatte, kürzt die italienischen Rezitative und ersetzt sie durch einen eigenen deutschen Text. Das strafft zwar, doch indem diese Texte zum einen von einer Schauspielerin (Zoe Hutmacher) und einem Schauspieler (David Kopp) als innere Stimmen von Vitellia und Sesto gesprochen werden, zum anderen von den Sängern, gibt es eine fast babylonische Sprachverwirrung. Und dass die Protagonisten einer 1791 entstandenen Oper über die Philosophie von Schopenhauer und Nietzsche verhandeln, wirkt auch etwas schräg, zumal sie Titus’ Zerrissenheit zwischen Milde und Autorität nicht schmälern. Dazu wirkt das knappe Bühnenbild mit Metallgestellen auf verschiedenen Ebenen, durchsichtigen Vorhängen, auf die wacklige Videos projiziert werden, ziemlich düster, einzig der gelbliche Pelzmantel des Titus’ und die Kostüme der beiden Vitellias bringen Farbe.
Mozarts Kosmos wunderbarer Arien und Ensembles, in denen die widerstreitenden Emotionen gespiegelt sind, darf hingegen funkeln. Karsten Januschke, der bereits zum dritten Mal die Opernproduktionen des Symphonieorchesters Vorarlberg leitet, formt das schlank besetzte Orchester zu einem farbig aufspielenden Klangkörper mit virtuos sprudelnder Soloklarinette in den Arien des Sesto und feinen Bläserklängen.
Der Amerikaner Christopher Sokolowski wirkt in der Titelpartie zunächst noch verhalten, schwingt sich aber in seiner großen Arie zu einem Feuerwerk der Koloraturen auf. Die Vitellia der Narine Yeghiyan glänzt in den dramatischen oberen Registern, lässt dafür in der Tiefe nach. Großartig in Stimme und Bühnenpräsenz ist die Mezzosopranistin Annelie Sophie Müller als Sesto, reizend harmonisch im Zusammenklang ihrer schlank geführten Stimmen sind Sophia Körber als Servilia und Sarah Romberger als Annio. Präsent als Sprecher und in seiner Bassstimme ist Thomas Stimmel als Publio, auch der Festspielchor überzeugt in seinen kurzen Auftritten.
Weitere Vorstellungen am 7., 9., 11., 13., 15., 17., 19. und 21. Februar im Theater am Kornmarkt. Karten unter: www.landestheater.org