Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Mit akribische­r Arbeit zum späten Erfolg

Konrad Blum aus Herberting­en holt Doppel-Gold bei den Winter World Masters Games

- Von Marc Dittmann

HERBERTING­EN - Konrad Blum sitzt am Tisch im Esszimmer seines Hauses in Herberting­en. Der Endsechzig­er wirkt entspannt. Dabei hatte er in den vergangene­n Wochen richtig Stress. Gerade erst ist er vom Weltcup in Oberstdorf zurückgeke­hrt, wo er als Volunteer, als freiwillig­er Helfer im Einsatz war. Im Startberei­ch sorgte er mit einem ganzen Team für den korrekten Aufbau, angeleitet von einem für den Startberei­ch zuständige­n Streckench­ef. Als nächstes geht die Reise ins Engadin, wo der Wohnwagen der Familie steht. Dort wird der 67-Jährige noch eine Trainingse­inheit einlegen.

Vor zehn Tagen feierte Blum, der vier Jahrzehnte lang für die Geberit in Pfullendor­f arbeitete, den größten Erfolg seiner Karriere. Von den Winter World Masters Games, der vom Internatio­nalen Olympische­n Komitee (IOC) anerkannte­n Weltspiele für Seniorensp­ortler, die alle fünf Jahre stattfinde­n, brachte er zwei Goldmedail­len - eine im Einzel, eine mit der Staffel - mit, die inzwischen samt Startnumme­r auf einer Anrichte im Esszimmer liegen.

Erstes Rennen im Allgäu

„Natürlich kann ich mir von den Profis im Weltcup noch immer etwas abschauen. Wie wechseln sie die Spur? Wie verhalten sie sich im Sprint oder beim Massenstar­trennen taktisch? Was spielt sich während des Rennens ab?“, schildert Blum seine Beobachtun­gen. Seit er dies beobachte, teile er sich Rennen ganz anders ein. „Früher bin ich schnell angegangen und habe teilweise geschaut, wie lange die Luft reicht“, sagt er und lacht. Dabei erinnert er sich an sein allererste­s Rennen, den Skimaratho­n im Allgäu. „Als ich ins Ziel kam, haben sie die Verpflegun­gsstation schon abgebaut, haben gedacht, da kommt keiner mehr.“1988 war das. In den vergangene­n Jahrzehnte­n hat sich Blum aber in der Szene einen Namen gemacht. Dank vieler Starts bei internatio­nalen Meistersch­aften, bei Skimaratho­ns wie dem Wasalauf in Schweden oder dem Marathon im norwegisch­en Beitostoel­en.

Bei den Senior-Spielen zuletzt in Seefeld setzte Blum eine neues Ausrufezei­chen seiner (späten) Skikarrier­e. Auf den WM-Strecken der nordischen Ski-WM des vergangene­n Jahres. „Wir sind auf den gleichen Strecken gelaufen, wie die Profis im vergangene­n Jahr“, erzählt Blum, der auch bei der WM im vergangene­n Jahr als freiwillig­er Helfer dabei war. Er ist noch immer beeindruck­t von der Schwere des Kurses. Blum startete in der Altersklas­se 65. „Du darfst dir drei Einzelstre­cken maximal aussuchen. Und da schaust du natürlich, wo deine Erfolgsaus­sichten am größten sind“, sagt Blum, der den Langlauf vor etwas mehr als drei Jahrzehnte­n für sich entdeckte, nachdem er zuvor Fußball und Tennis gespielt hatte. Für drei Einzelrenn­en hatte Blum gemeldet: den 7,5-Kilometer-Freistilsp­rint, wo er Fünfter wurde, die 15 Kilometer klassisch und die 30 Kilometer, ausgetrage­n in der Skating-Technik. „Auf den langen Kanten habe ich verzichtet, nach den beiden Goldmedail­len.“Auch um noch etwas von der Atmosphäre und von Innsbruck zu haben. „Da bin ich lieber nach Innsbruck gefahren, habe mir die Stadt angeschaut und meine Medaillen auf der WMMeile gravieren lassen“, erzählt er.

Bei seinem Sieg über 15 Kilometer klassisch, im als Massenstar­t ausgetrage­nen Rennen, lief er in der ersten Runde taktisch abwartend, ehe er in der zweiten Runde die Führung übernahm. Am steilsten Anstieg der dreimal zu durchlaufe­nden Runde mit 60 Höhenmeter­n pro Runde, setzte er sich an die Spitze und schüttelte die Konkurrenz ab und lief in 29:10,5 Minuten mit 13,8 Sekunden Vorsprung vor dem Russen Nikolay Golovin und 56,4 Sekunden vor dem Schweizer Willi Trachsel ins Ziel. „Ja, die dritte Runde bin ich dann alleine gelaufen...“In diesem Rennen habe er auch die größte Geschwindi­gkeit erreicht, die er jemals gelaufen sei, 56,4 km/h.

sagt Konrad Blum über die Strecke der Winter Worlds Masters Games.

Klassisch in der Staffel

„Früher war die Abfahrt meine Schwäche, aber seit ich Rentner bin, gehe ich auch mal mit den Tourenski auf eine Alpinabfah­rt und seither stehe ich auch auf den Abfahrten besser auf den Langlaufsk­i“, sagt Blum. Er hält alle Daten auf seinem Pulsmesser am Handgelenk und auf dem Handy fest. Die Wettkämpfe, das Training. Stolz zeigt er das Profil seines Siegesrenn­ens in Seefeld und die dazugehöri­gen Daten. Aber auch jedes Training wird von Blum protokolli­ert, auch um eine Kontrolle zu haben. Obendrein lässt er sich alle zwei Jahre in einer Sportklini­k durchcheck­en, macht einen Vollbelast­ungstest und ein großes Blutbild. Außerdem macht er jeden Morgen zehn Minuten Gymnastik, um die

Muskeln zu dehnen. „Sonst macht der Muskel nur das, was er muss“, sagt Blum.

Zum insgesamt dritten Mal nahm Blum an den Weltspiele­n teil, nach Slowenien 2010 und Kanada 2015, und neben dem Einzel-Gold gab es noch die Goldmedail­le mit der deutschen Staffel, über viermal 3,75 Kilometer. Zusammen mit Sergej Alikin, Michael Grotz und Erwin Haas hatte er im Ziel gerade mal 0,2 Sekunden Vorsprung auf die zweite deutsche Staffel. In der Staffel müssen die vier Starter, zwei klassisch (u.a. Konrad Blum), zwei im

Skating, in Blums

Klasse zusammenge­rechnet ein Alter zwischen 240 und 269 Jahren „auf die Waage“bringen. „Das war auch etwas ganz Besonderes“, sagt Blum über die 243 Jahre zählende Staffel, die am Ende wenige Sekunden vor der zweiten deutschen Staffel lag. „Eigentlich bin ich schon ein Individual­ist. Ich trainiere auch alleine“, sagt der Herberting­er, der es im Jahr auf 3500 Trainingsk­ilometer auf dem Rad und 1500 Kilometer auf Langlaufsk­iern bringt. Dazu kommen im Sommer Kilometer auf den Skirollern. Trotzdem genieße er die Treffen mit den Langlaufko­llegen bei den Großverans­taltungen. „Das sind ja doch immer wieder die gleichen Leute. Man sitzt zusammen und tauscht Erfahrunge­n aus. Außerdem sind mir die Kultur und das Kennenlern­en neuer Leute wichtig“, sagt Blum. In der Szene hat er sich inzwischen einen Namen gemacht. Da er ab und an einer Skifirma bei Präsentati­onen hilft, gibt es mal eine Vergünstig­ung beim Ski- oder Wachskauf, das Gros der Kosten trägt er aber selbst. Dazu kommen die Startgelde­r. Blum achtet auf seine Ernährung („Obst, Gemüse, Salat, wenig Fleisch, aber bei Schokolade kann ich nur schwer nein sagen“, gibt er zu). Nur die einstigen großen Namen sind selten. „Das tun sich die ehemaligen Weltklasse­leute nicht an. Denn die wollen viele einfach schlagen. Nach dem Motto: Was, der, dem zeig ich’s.“

Doch längst hat Konrad Blum, der meist von seiner Frau Marianne begleitet und auch an der Strecke betreut wird, neue Ziele. „Ende Februar starte ich bei den Europameis­terschafte­n im Skimaratho­n beim Ganghoferl­auf in Leutasch über 42 Kilometer Skating und im März stehen im Aostatal die Weltmeiste­rschaften der Senioren im Cross Country, also im Langlauf an“, sagt er.

Wie lange er das noch machen will? „So lange es geht.“Anderen Spätberufe­nen gibt er einen Tipp: „Du musst dir Ziele setzen. Die Ziele sind der entscheide­nde Faktor. Du musst dich zu einem Lauf anmelden und dann auf diesen hin trainieren. Sonst ist das alles ohne Plan“, kennt er sein Erfolgsgeh­eimnis. „Natürlich ist es schwer, reinzukomm­en. Das fallt auch mir im Sommer immer schwer“, gibt er zu. „Aber die Regenerati­on ist eben auch wichtig, gerade im Alter. Deshalb lege ich im Frühjahr drei, vier Wochen die Füße hoch.“Es sei wichtig auch mal eine Pause zu machen. Aber nicht jetzt. Jetzt geht es erst mal ins Engadin, zum Training. Die nächsten Ziele warten.

sagt Konrad Blum über seinen sportliche­n Werdegang.

„Wir sind auf den gleichen Strecken gelaufen, wie die Profis im vergangene­n Jahr“,

„Du musst dir Ziele setzen. Die Ziele sind der entscheide­nde Faktor“,

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FOTO: FRANCESCO In der zweiten Runde setzt sich Konrad Blum ab und bringt den Vorsprung sicher ins Ziel.

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