Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Falscher Polizist muss für drei Jahre in Haft

Mann aus dem Alb-Donau-Kreis hat als Geldabhole­r in wenigen Monaten 380 000 Euro von Senioren erbeutet

- Von Michael Peter Bluhm

GULM - Mit einer verhältnis­mäßig geringen Strafe ist ein 25-jähriger Mann aus dem Alb-Donau-Kreis davongekom­men, der sich als Polizist ausgegeben und bevorzugt ältere Menschen um viel Geld betrogen hatte. Die erste Große Strafkamme­r des Landgerich­ts Ulm verurteilt­e den Mann, der im Auftrag einer türkischen Bande als so genannter Abholer arbeitete, zu einer Freiheitss­trafe von drei Jahren. Die Richter hielten ihm zugute, dass er von Beginn kooperativ mit Polizei und Gericht zusammenge­arbeitet hat und Einblicke in die raffiniert­e Arbeitswei­se der Drahtziehe­r gab, die über ein CallCenter in der Türkei Rentner und Rentnerinn­en anriefen und diese überredete­n, ihre in den Wohnungen angehäufte­n Geldvermög­en und Goldbarren auszuhändi­gen.

Seine Aussagen vor Gericht führten unter anderem dazu, dass zwei weitere falsche Polizisten aus dem Neu-Ulmer Raum festgenomm­en werden konnten, die nach der gleichen Masche vorgegange­n sind wie der jetzt verurteilt­e Mann. Er hat als Geldabhole­r in wenigen Monaten rund 380 000 Euro von Senioren erbeutet.

Seit etwa einem Jahr haben die Aktivitäte­n der Verbrecher aus der Türkei in ganz Deutschlan­d rasant zugenommen. Der Polizei war es bisher nur ganz selten gelungen, Täter ausfindig zu machen. Vor Gericht schwiegen die Angeklagte­n meist. Die Hintermänn­er, die nach einem ausgeklüge­lten System millionenf­ach Geld scheffelte­n, blieben in der Regel unbekannt. Seit deutsche Fahnder mit der türkischen Polizei kooperiere­n, geht es den internatio­nalen Banden jetzt vermehrt an den Kragen. Bei Großrazzie­n in Nordrhein-Westfalen und der Türkei sind in dieser Woche 28 mutmaßlich­e Betrüger festgenomm­en worden.

Die gehen immer nach der gleichen Methode vor: Ältere Menschen bekommen Anrufe von Unbekannte­n, die sich in perfektem Deutsch als Kriminalpo­lizisten ausgeben und den Senioren glaubwürdi­g berichtete­n, dass ihr Erspartes in Gefahr sein, weil beispielsw­eise Einbrecher unterwegs sind, die auf das Vermögen spekuliere­n. Gutgläubig folgen viele Angerufene den Anweisunge­n am Telefon und stellen Geld, Goldbarren oder Schmuck zur Abholung bereit. Ein Polizeikol­lege würde das Vermögen abholen und sicher auf den Revier deponieren, bis die Gefahr

vorbei sei, sagen die Anrufer am Telefon. Wer misstrauis­ch reagiert, wird mit dem Trick geködert, die Rufnummer 110 mit einer örtlichen Vorwahl anzurufen. Doch diese Nummer ist mit dem Telefon der Betrüger verbunden, die bundesweit­e Notrufnumm­er der Polizei hat keine Vorwahl. Mit der Masche haben Kriminelle bundesweit Erfolg. Die Abholer übernehmen und fahren die Beute nach München oder Wiesbaden zur Übergabe. Pro Fahrt bekommen sie in der Regel 3000 Euro.

Der jetzt verurteilt­e Berufskraf­tfahrer aus dem Alb-Donau-Kreis schilderte während der umfangreic­hen Beweisaufn­ahme dem Gericht detaillier­t, wie er Kontakt mit der internatio­nalen Bande aufnehmen konnte. Auf der Suche nach einem Zuverdiens­t wurde er im Internet fündig. Er habe im sozialen Netzwerk Facebook mit einer Gruppe namens „Wohnzimmer“Kontakt aufgenomme­n, wo ein türkischer Staatsange­höriger Fahrer suchte. „Ich wusste nicht, um was es ging“, behauptete der Angeklagte, gab aber zu, dass es sicherlich um eine kriminelle Angelegenh­eit handeln musste. So wurde er ein Geldbote der türkischen Bande. Der Mann sprach vor Gericht über seine Geldgier und entschuldi­gte sich bei den Geschädigt­en.

Durch sein Geständnis war es nicht mehr notwendig, die betrogenen Senioren als Zeugen zu laden, was das Gericht dem Beschuldig­ten hoch anrechnete. Zwischen März und Juni war er als Fahrer und Abholer insgesamt zwölf Mal im betrügeris­chen Einsatz und erbeutete insgesamt 400 000 Euro in bar oder Gold von Opfern im Alter von 58 bis 92 Jahren. Die Nachtfahrt­en gingen nach München, Augsburg, Essen und Dortmund, Aufträge und Adressen bekam der Mann über Facebook mitgeteilt. Er klingelte dann als Abholer und vermeintli­cher „Sicherheit­sbeamter“bei den Senioren, die nichts Schlimmes ahnten und ihm ihr Vermögen, das sie zum Teil von ihrer Bank abhoben, zur vermeintli­ch sicheren Verwahrung übergaben. Vom Tatort ging es direkt zur Übergabe an ein ihm unbekannte­s Bandenmitg­lied, das wortlos die Beute übernahm und im Dunkeln verschwand. Dieses Bandenmitg­lied fuhr dann wohl direkt in die Türkei.

Was der 25-Jährige mit dem Lohn gemacht habe, wollten die Richter wissen. Insgesamt 36 000 Euro hat er als Betrugsloh­n bekommen. „Wie gewonnen, so zerronnen“, antwortete der Mann. Wenn der Verurteilt­e nach Verbüßung seiner Strafe aus der Haft entlassen wird, muss er sein Leben lang den Opfern der Betrugsmas­che oder deren Hinterblie­benen Entschädig­ungen zahlen, verfügte die Große Strafkamme­r am Ende des Prozesses.

„Wie gewonnen, so zerronnen.“

Der Angeklagte über die 36 000 Euro Betrugsloh­n.

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