Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Falscher Polizist muss für drei Jahre in Haft
Mann aus dem Alb-Donau-Kreis hat als Geldabholer in wenigen Monaten 380 000 Euro von Senioren erbeutet
GULM - Mit einer verhältnismäßig geringen Strafe ist ein 25-jähriger Mann aus dem Alb-Donau-Kreis davongekommen, der sich als Polizist ausgegeben und bevorzugt ältere Menschen um viel Geld betrogen hatte. Die erste Große Strafkammer des Landgerichts Ulm verurteilte den Mann, der im Auftrag einer türkischen Bande als so genannter Abholer arbeitete, zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Die Richter hielten ihm zugute, dass er von Beginn kooperativ mit Polizei und Gericht zusammengearbeitet hat und Einblicke in die raffinierte Arbeitsweise der Drahtzieher gab, die über ein CallCenter in der Türkei Rentner und Rentnerinnen anriefen und diese überredeten, ihre in den Wohnungen angehäuften Geldvermögen und Goldbarren auszuhändigen.
Seine Aussagen vor Gericht führten unter anderem dazu, dass zwei weitere falsche Polizisten aus dem Neu-Ulmer Raum festgenommen werden konnten, die nach der gleichen Masche vorgegangen sind wie der jetzt verurteilte Mann. Er hat als Geldabholer in wenigen Monaten rund 380 000 Euro von Senioren erbeutet.
Seit etwa einem Jahr haben die Aktivitäten der Verbrecher aus der Türkei in ganz Deutschland rasant zugenommen. Der Polizei war es bisher nur ganz selten gelungen, Täter ausfindig zu machen. Vor Gericht schwiegen die Angeklagten meist. Die Hintermänner, die nach einem ausgeklügelten System millionenfach Geld scheffelten, blieben in der Regel unbekannt. Seit deutsche Fahnder mit der türkischen Polizei kooperieren, geht es den internationalen Banden jetzt vermehrt an den Kragen. Bei Großrazzien in Nordrhein-Westfalen und der Türkei sind in dieser Woche 28 mutmaßliche Betrüger festgenommen worden.
Die gehen immer nach der gleichen Methode vor: Ältere Menschen bekommen Anrufe von Unbekannten, die sich in perfektem Deutsch als Kriminalpolizisten ausgeben und den Senioren glaubwürdig berichteten, dass ihr Erspartes in Gefahr sein, weil beispielsweise Einbrecher unterwegs sind, die auf das Vermögen spekulieren. Gutgläubig folgen viele Angerufene den Anweisungen am Telefon und stellen Geld, Goldbarren oder Schmuck zur Abholung bereit. Ein Polizeikollege würde das Vermögen abholen und sicher auf den Revier deponieren, bis die Gefahr
vorbei sei, sagen die Anrufer am Telefon. Wer misstrauisch reagiert, wird mit dem Trick geködert, die Rufnummer 110 mit einer örtlichen Vorwahl anzurufen. Doch diese Nummer ist mit dem Telefon der Betrüger verbunden, die bundesweite Notrufnummer der Polizei hat keine Vorwahl. Mit der Masche haben Kriminelle bundesweit Erfolg. Die Abholer übernehmen und fahren die Beute nach München oder Wiesbaden zur Übergabe. Pro Fahrt bekommen sie in der Regel 3000 Euro.
Der jetzt verurteilte Berufskraftfahrer aus dem Alb-Donau-Kreis schilderte während der umfangreichen Beweisaufnahme dem Gericht detailliert, wie er Kontakt mit der internationalen Bande aufnehmen konnte. Auf der Suche nach einem Zuverdienst wurde er im Internet fündig. Er habe im sozialen Netzwerk Facebook mit einer Gruppe namens „Wohnzimmer“Kontakt aufgenommen, wo ein türkischer Staatsangehöriger Fahrer suchte. „Ich wusste nicht, um was es ging“, behauptete der Angeklagte, gab aber zu, dass es sicherlich um eine kriminelle Angelegenheit handeln musste. So wurde er ein Geldbote der türkischen Bande. Der Mann sprach vor Gericht über seine Geldgier und entschuldigte sich bei den Geschädigten.
Durch sein Geständnis war es nicht mehr notwendig, die betrogenen Senioren als Zeugen zu laden, was das Gericht dem Beschuldigten hoch anrechnete. Zwischen März und Juni war er als Fahrer und Abholer insgesamt zwölf Mal im betrügerischen Einsatz und erbeutete insgesamt 400 000 Euro in bar oder Gold von Opfern im Alter von 58 bis 92 Jahren. Die Nachtfahrten gingen nach München, Augsburg, Essen und Dortmund, Aufträge und Adressen bekam der Mann über Facebook mitgeteilt. Er klingelte dann als Abholer und vermeintlicher „Sicherheitsbeamter“bei den Senioren, die nichts Schlimmes ahnten und ihm ihr Vermögen, das sie zum Teil von ihrer Bank abhoben, zur vermeintlich sicheren Verwahrung übergaben. Vom Tatort ging es direkt zur Übergabe an ein ihm unbekanntes Bandenmitglied, das wortlos die Beute übernahm und im Dunkeln verschwand. Dieses Bandenmitglied fuhr dann wohl direkt in die Türkei.
Was der 25-Jährige mit dem Lohn gemacht habe, wollten die Richter wissen. Insgesamt 36 000 Euro hat er als Betrugslohn bekommen. „Wie gewonnen, so zerronnen“, antwortete der Mann. Wenn der Verurteilte nach Verbüßung seiner Strafe aus der Haft entlassen wird, muss er sein Leben lang den Opfern der Betrugsmasche oder deren Hinterbliebenen Entschädigungen zahlen, verfügte die Große Strafkammer am Ende des Prozesses.
„Wie gewonnen, so zerronnen.“
Der Angeklagte über die 36 000 Euro Betrugslohn.