Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Poker in Thüringen hält an
Parteien finden keine Lösung in Neuwahl-Frage
ERFURT (dpa) - Linke, SPD und Grüne sowie CDU in Thüringen haben sich trotz stundenlanger Verhandlungen noch nicht auf eine Übergangsregierung unter der CDU-Politikerin Christine Lieberknecht geeinigt. Die Spitzen der vier Parteien vertagten am späten Dienstagabend ihre Gespräche zur Beilegung der Regierungskrise. Knackpunkt bei den Verhandlungen der vier Parteien ist der Zeitpunkt für Neuwahlen – die Linke ist für einen schnellen Termin,
die CDU für einen späteren. Neben dem Überraschungsvorschlag von Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow, die 61 Jahre alte Lieberknecht an die Spitze einer „technischen Regierung“zu wählen, erwäge Rot-Rot-Grün weiterhin auch die Möglichkeit einer Minderheitsregierung mit Ramelow an der Spitze, die ebenfalls für Neuwahlen sorgen würde, sagte die Parteivorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow.
ERFURT (dpa) - Nach der Ministerpräsidentenwahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich mit AfD-Stimmen versuchen Linke, SPD und Grüne sowie CDU bis Ende dieser Woche einen Weg aus der politischen Krise in Thüringen zu finden. Darauf verständigten sich Spitzenvertreter der vier Parteien nach stundenlangen Verhandlungen in der Nacht zum Mittwoch im Landtag in Erfurt. „Es liegen unterschiedliche Vorschläge auf dem Tisch“, sagte die Landesvorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow. Alle vier Parteien strebten Neuwahlen an – allerdings hätten sie über deren Termin unterschiedliche Vorstellungen. Das nächste Treffen der vier Parteien sei bereits an diesem Mittwoch geplant – in kleineren Arbeitsgruppen.
Weiter verfolgt werde der Vorschlag von Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), die CDU-Politikerin Christine Lieberknecht an die Spitze einer „technischen Regierung“mit drei Ministern zu wählen, so Hennig-Wellsow. Zudem erwäge Rot-RotGrün weiterhin die Möglichkeit einer Minderheitsregierung mit Ramelow an der Spitze, die ebenfalls für Neuwahlen sorgen würde. Die CDU will eine komplette Übergangsregierung mit Ramelows Amtsvorgängerin Lieberknecht, die zunächst für einen beschlossenen Haushalt sorgt und erst dann Neuwahlen einleitet.
„Wir haben gespürt, dass sich RotRot-Grün bewegt“, sagte CDU-Landesvize Mario Voigt. Beim Zeitpunkt für Neuwahlen gebe es bei seiner Partei keine Vorfestlegung. „Es geht um eine Ausnahmesituation, in der sich Demokraten zusammenfinden müssen.“Der Fraktionschef der Grünen sagte, spätestens Ende dieses Jahres müsse es einen Landesetat für 2021 geben, und bis dahin müssten auch Neuwahlen stattgefunden haben.
Hennig-Wellsow signalisierte, dass ihre Partei nicht auf einer Übergangsregierung mit Lieberknecht an der Spitze für nur 70 Tage bis zu einer Landtagswahl bestehen werde. „Nicht denkbar sind für uns aber Neuwahlen erst 2021.“
Vor dem Treffen der vier Parteien hatte die CDU-Fraktion deutlich gemacht, dass eine Neuwahl erst der letzte Schritt nach der Bildung einer Übergangsregierung unter der Ägide Lieberknechts sein sollte. Die 61-Jährige ist nach Angaben von Ramelow sowie der CDU grundsätzlich bereit, beim Lösen des „Gordischen Knotens“zu helfen. Für eine Neuwahl ist im Landtag eine Zwei-Drittel-Mehrheit der 90 Abgeordneten nötig. Linke, SPD und Grüne kommen zusammen nur auf 42 Sitze im Parlament. Gebraucht wird damit die Unterstützung der CDU mit ihren 21 Sitzen
Die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans kritisierten das CDU-Vorgehen in der Thüringer Regierungskrise. Jedes Zuwarten und jede Verzögerung ohne eine handlungsfähige Landesregierung untergrabe das Vertrauen in die Demokratie.
Lieberknecht wird seit vielen Jahren ein gutes Verhältnis zu Ramelow nachgesagt. Beide kennen sich fast drei Jahrzehnte – noch als Lieberknecht Ministerin war und Ramelow Gewerkschaftsfunktionär. Nie war ein abfälliges Wort über den anderen zu hören. „Ich schätze sie als klare Demokratin“, sagt Ramelow. Sie und ihn verbinde, „Gesicht gegen braunen Ungeist zu zeigen“– und vielleicht auch, dass beide Protestanten sind. Im vergangenen Jahr zog sie sich auch als CDU-Landtagsabgeordnete zurück.
Bislang steckte die CDU in einem Dilemma. Sie ist an einen Parteitagsbeschluss gebunden, der eine Koalition oder ähnliche Zusammenarbeit sowohl mit der AfD als auch der Linken ausschließt.