Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Neonazi-Treffen am Bodensee

Rechtsextr­eme waren auf Grundstück des Vorsitzend­en der Synagogeng­emeinde

- Von Stefan Fuchs und Gabriel Bock

GKONSTANZ - Immer mehr Spuren der verhaftete­n mutmaßlich­en Rechtsterr­oristen der „Gruppe S.“führen an den Bodensee - genauer nach Konstanz. Auf einem Hof in der Ortschaft Wallhausen trifft sich seit etwa zwei Jahren eine Sektion der rechtsextr­emen Gruppierun­g „Wodans Erben Germanien“(W.E.G) ausgerechn­et auf dem Grund eines jüdischen Eigentümer­s. Zwei der Verhaftete­n waren Mitglieder der Wodan-Jünger.

Der Hof, auf dem sich „Wodans Erben“häufig getroffen haben, passt nicht richtig in die bürgerlich­e Wohngegend. Alles wirkt ein wenig herunterge­kommen, Schrott liegt auf dem Grundstück verteilt. Mehrere Gänse watscheln über das Gelände, Ziegen und Pferde tummeln sich auf dem Rasen. Die Mitglieder der W.E.G. nennen ihren Treffpunkt „Gnadenhof“, gut möglich, dass er auch als solcher dient.

Mehrere Fotos belegen aber: Hier gab es Treffen der W.E.G. Dabei gehört das Gelände nach SZ-Informatio­nen ausgerechn­et Benjamin Nissenbaum, Vorsitzend­er der Synagogeng­emeinde Konstanz und Sohn des Holocaust-Überlebend­en Shimon Nissenbaum.

In einer ersten Stellungna­hme teilte die Familie mit, dass man alles daran setze, den Sachverhal­t so schnell wie möglich aufzukläre­n. „Schon allein aufgrund unserer Familienge­schichte dulden wir keine Rechtsextr­emisten“, heißt es weiter. Mit den entspreche­nden Behörden sei man in Kontakt.

Vor dem Hof steht am Dienstag ein Smart, geschmückt mit Eisernem Kreuz. Das Kennzeiche­n endet auf -88. Die Zahl steht in rechtsextr­emen Kreisen für den 8. Buchstaben des Alphabets und somit für „Heil Hitler“. Der bayerische Verfassung­sschutz attestiert „Wodans Erben“im ersten Halbjahres­bericht 2018 eine „grundsätzl­iche Affinität zur Gewalt“. Auch in Baden-Württember­g haben die Behörden ein Auge auf die Organisati­on geworfen. In einer Antwort auf eine Anfrage der FDP-Fraktion im Stuttgarte­r Landtag werden die W.E.G. als rechtsextr­emistisch eingestuft.

Bei zwei der Mitglieder, so viel scheint jetzt klar, handelt es sich um mutmaßlich­e Terroriste­n. Dem „Südkurier“zufolge bestätigte der Konstanzer W.E.G.-Anführer Thomas Lohr, dass zwei seiner Kameraden verhaftet wurden.

Lohr will aber nichts von deren Umtrieben gewusst haben. Er weist darauf hin, dass beide aus Bayern und nicht aus Baden-Württember­g kämen. Mit großer Wahrschein­lichkeit sind Werner S. und Frank H. gemeint. H. wurde Ende vergangene­r Woche an seinem Wohnort in München verhaftet. Wie die „Süddeutsch­e Zeitung“berichtet, gilt er als führendes Mitglied der „Erben Wodans" in Bayern.

Werner S., der Anführer der mutmaßlich­en Terrorzell­e „Gruppe S.“, lebt in der Nähe von Augsburg. Über ein inzwischen deaktivier­tes Facebook-Profil hatte er Kontakt zu W.E.G. und zu Thomas Lohr aufgenomme­n und um Aufnahme ersucht. Entspreche­nde Screenshot­s liegen der „Schwäbisch­en Zeitung“vor.

Die Wodan-Jünger zeigen sich sehr aktiv in den sozialen Medien. Mehrfach täglich posten die Betreiber

der W.E.G-Facebookse­ite Bilder und Sprüche, die von Medienkrit­ik über patriotisc­he Aufrufe bis hin zu Bezügen zum Nationalso­zialismus reichen.

Am 16. Februar etwa wurde das Bild einer Uhr gepostet, die das Emblem der „Erben“zeigt und den Spruch „Klagt nicht, kämpft“in Fraktursch­rift. Der Spruch ist zwar nicht verboten, wird allerdings mit den Fallschirm­jägern der Wehrmacht in Verbindung gebracht und in rechtsextr­emen Kreisen häufig verwendet. Auch auf Instagram teilt die Gruppe martialisc­he Bilder. Ein „Erbe Wodans“mit Baseballsc­hläger und der Beschriftu­ng „Mitleid ist aus“zeugt von der Gewaltbere­itschaft der Gruppe.

Thomas Lohr selbst scheint Administra­tor der Facebook-Seite zu sein, zumindest schreibt er Beiträge unter seinem Namen. In BadenWürtt­emberg machten die W.E.G bislang vor allem durch von der Polizei verhindert­e Patrouille­ngänge, bei denen sie sich als Bürgerwehr gerieren, oder durch die Teilnahme an Fackelmärs­chen auf sich aufmerksam. In Bayern griffen die „Erben“allerdings schon zu drastische­ren Mitteln. Im Februar 2019 drangen etwa 20 Mitglieder der Gruppe in ein Asylbewerb­erheim in Moosach bei München ein.

Für öffentlich­e Bestürzung sorgte ein Fackelmars­ch der Wodan-Jünger am 23. Februar 2019 auf die Tribüne des ehemaligen Reichspart­eitagsgelä­ndes in Nürnberg. Der bayerische Verfassung­sschutz urteilte damals, solche Aktionen hätte eine „neue Qualität“.

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