Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Batterie oder Brennstoffzelle? Beides!
Daimler Trucks setzt auf Elektromobilität – Doch in Ulm erwächst Konkurrenz
GSTUTTGART - Gäbe es den Lastwagen plötzlich von heute auf morgen nicht mehr, dann wären die Regale in den Supermärkten schnell leer, Baustellen verwaist oder Medikamente schwer zu bekommen. Das jedenfalls betont Martin Daum, Chef der LkwSparte von Daimler, bei der Vorstellung der Jahreszahlen des Unternehmens am Dienstagmorgen.
„Lkw sind das Rückgrat unserer Wirtschaft“, betont Daum. Dass der Transportverkehr in Zukunft bei weiterhin gesamtwirtschaftlich positiver Entwicklung zunehmen wird, davon ist auszugehen. Dafür, dass dieser Verkehr dann aber umweltfreundlicher wird, dafür will Daimler Trucks als „Pionier der Elektromobilität“sorgen. 2050, so ist das Ziel, soll der gesamte DaimlerTrucks-Fuhrpark CO2-neutral sein.
Doch das große Ziel ist einfacher formuliert als umgesetzt. Zum einen, weil Daimler Trucks wie auch Daimler selbst die sich abschwächende Konjunktur zu spüren bekommt, und zum anderen, weil der Wettbewerb um die führende Position bei elektrischen Nutzfahrzeugen schärfer wird. Gerade erst hat der Lastwagen-Bauer Iveco angekündigt, in Ulm innerhalb von wenigen Monaten eine Produktion für E- und Brennstoffzellenlastwagen aufzubauen.
„Wir wollen den Klimawandel bekämpfen“, verspricht Daum am Dienstag. Dabei ist eines klar: Mit der immer weiteren Optimierung des Verbrenners funktioniert das nicht. Auch mit jährlichen hohen Millionen-Investitionen in einen verbesserten Kraftstoffverbrauch, die Daimler tätige, seien mit DieselLkw die Emissionsziele, die sich die Europäische Union gesetzt habe, nicht annähernd zu erreichen, ist der Daimler-Trucks-Chef überzeugt. „Wir kommen an die Grenzen dessen, was effizienzmäßig möglich ist.“
Aus diesem Grund will sich Daimler Trucks langfristig auf Elektromotoren fokussieren, deren benötigter Strom entweder aus Batterien oder mithilfe von Brennstoffzellen auf Wasserstoffbasis erzeugt wird. Batterien und Brennstoffzellen denkt Daum dabei komplementär. „Beides ist die Antwort, beides ist ein E-Fahrzeug“, sagt er. Und in beides werde Daimler Trucks künftig erheblich investieren.
Während Daum dies am Dienstag verspricht, blickt er gleichzeitig auf ein jetzt kommendes Jahr 2020, das der zweitgrößten Sparte von Daimler wohl Probleme bereiten wird. 2019 verlief für Daimler Trucks eigentlich noch recht solide.
Die Lastwagen-Sparte, die weltweit 83 400 Mitarbeiter beschäftigt, erzielte durch den Verkauf von schweren Lkw und Bussen im Jahr 2019 immerhin einen Umsatz von rund 45 Milliarden Euro. Doch das operative Ergebnis (Ebit) in Höhe von 2,5 Milliarden Euro bedeutet einen Rückgang um elf Prozent gegenüber 2018 und eine Rendite von nur sechs Prozent.
Und auch für dieses Jahr bleiben die Aussichten eher trübe. Die Umsatzrendite wird voraussichtlich auf fünf Prozent absacken, teilt Daum mit, doch verteidigt: „Lkw sind ein zyklisches Business“, so der Manager. Es gebe eben starke und weniger starke Jahre. Im ersten Halbjahr 2019 sei der Markt in den USA geradezu „erhitzt“gewesen, deswegen sei die Entwicklung nunmehr „eine Normalisierung“, so Daum.
Daimler Trucks will beim Personal 300 Millionen Euro sparen. Prozesse sollen effizienter laufen und Bürokratie abgebaut werden. „Wir brauchen mehr Leute, die etwas tun und weniger die koordinieren“, sagt Daum. Trotzdem habe er aber keine Angst vor der Zukunft. Daimler Trucks werde sich nicht beeinflussen lassen, „mit umfangreichen Investitionen in neue Technologien den Wandel der Branche anzuführen“. 2020 und 2021 wollen die Geschäftsfelder Daimler Trucks und Daimler Busses gemeinsam rund 1,7 Milliarden Euro pro Jahr in Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten investieren. Mit diesem Geld plant Daimler Trucks dann bis 2022 serienweise Elektro-Lkw in den Hauptabsatzregionen Nordamerika, Europa und Japan anzubieten. Aktuell testet der Konzern die Stromtrucks noch. In der zweiten Hälfte der 2020er will Daimler Trucks dann sein Portfolio um elektrisch angetriebene Brennstoffzellen-Lkw ergänzen.
Von den aktuellen Zahlen lässt sich Daum also nicht verunsichern.
Und wie sieht es mit der Konkurrenz, neuen Playern in der Branche, aus? Denn die gibt es – und zwar gar nicht weit entfernt von den Stuttgartern. Die Mutter des Lastwagenbauers Iveco, CNH, und das amerikanische Mobility Start-Up Nikola Motor Company – das ein wenig als der Tesla unter den Nutzfahrzeugherstellern gilt – planen nämlich im Ulmer Donautal ein Werk für elektrische Lastwagen aufzubauen. Der erste Lastwagen, der in Ulm produziert werden soll, ist der Nikola TRE, der den ersten Schritt zum brennstoffzellenbetriebenen Elektrofahrzeug darstellt. CNH hat dafür 250 Millionen Dollar in Nikola investiert. 2021 soll die Produktion beginnen, für 2023 sei die Markteinführung geplant.
Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann freute diese Nachricht, die Anfang Februar publik wurde: „Dies ist ein wichtiges standortpolitisches Signal für den Innovationsstandort BadenWürttemberg“, kommentierte er die Entscheidung.
Martin Daum von Daimler Trucks lässt sich aber auch davon nicht verunsichern. „Generell nehmen wir jeden neuen Konkurrenten zu 100 Prozent ernst“, so Daum, aber sagt gleichzeitig süffisant, man wisse wie unheimlich schwierig es sei, als neue Marke in einem etablierten Markt mit starken Playern Fuß zu fassen. Daimler lasse sich durch die junge Konkurrenz nicht treiben. Die Stuttgarter Platzhirsche hätten schließlich genug eigene Motivation.