Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Fußball-Poet“Ror Wolf ist tot
MAINZ (dpa) - Ror Wolf ist vor allem für zerschnipselte Zitate von Fußballspielern, Kommentatoren und Zuschauern bekannt. Doch der Autor bewegte mit seiner ganz eigenen Sprache in unterschiedlichen literarischen Gattungen und war mehr als nur der Fußball-Poet. Am Montagabend ist der gebürtige Thüringer im Alter von 87 Jahren nach längerer Krankheit in seiner Wahlheimat Mainz gestorben.
Die sogenannte Schmach von Córdoba, bei der die deutsche Fußball-Nationalmannschaft 1978 während der Weltmeisterschaft gegen Österreich mit 2:3 unterlag, wurde für Wolf zur Sternstunde. Er setzte Kommentarfetzen und Interviewpassagen zu amüsanten Hörspiel-Collagen zusammen.
2012 veröffentlichte er den Horror-Roman „Die Vorzüge der Dunkelheit“, in dem er den Ich-Erzähler auf einen surrealen Streifzug durch Absteigen und Kaschemmen schickt. Skurril bis grotesk sind die meisten seiner Bücher. Immer wieder beschäftigte sich Wolf mit der Welt und dem Auseinanderdriften von Wirklichkeiten. Eine allgemeinverbindliche Wirklichkeit gebe es für ihn als Autor ohnehin nicht, sagte Wolf. Es zähle vor allem das Erlebte: „Die Realität ist eine Mischung, die im Laufe der Jahre zustande kommt.“
Wolf kam 1932 im thüringischen Saalfeld zur Welt. Bevor er 1953 die DDR verließ, arbeitete er zwei Jahre als Bauarbeiter, seine Bewerbungen zum Studium wurden zunächst abgelehnt. 1954 begann er in Frankfurt am Main unter anderem bei Marx Horkheimer und Theodor W. Adorno ein Studium der Literatur, Soziologie und Philosophie, war dann Literaturredakteur beim Hessischen Rundfunk.
Wolf zog 30-mal um. Er wohnte in New York, London, Frankfurt, zuletzt in Mainz.