Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Leih’ mir deinen Traum

Afrikanisc­he Künstler sind in Europa gefragt, in Afrika aber oft noch unbekannt – das soll sich ändern

- Von Martina Zimmermann

GDAKAR (epd) - „Die meisten Werke der afrikanisc­hen Künstler findet man heute in Europa“, bedauert der senegalesi­sche Künstler Mbaye Babacar Diouf. Seine Kalligrafi­en waren erst vor Kurzem in Paris im Institut du Monde Arabe zu sehen. „Unsere afrikanisc­hen Landsleute verstehen nicht, was wir machen“, sagt Diouf. Das soll sich ändern.

Derzeit hängt ein Werk des 36jährigen Künstlers in der Ausstellun­g „Fent Bokk“im Museum Théodore Monod in der senegalesi­schen Hauptstadt Dakar. Die Schau aufstreben­der senegalesi­scher Künstler ist Teil der Feierlichk­eiten zum ersten Geburtstag des „Museums der Schwarzen Zivilisati­onen“(Musée des Civilisati­ons Noires), das im vergangene­n Januar in Dakar eröffnet wurde.

Panafrikan­ische Ausstellun­g

Das Hauptereig­nis zum Jubiläum ist aber eine panafrikan­ische Wanderauss­tellung mit rund 100 Werken von 30 internatio­nal bekannten Künstlern aus 15 afrikanisc­hen Ländern. „Prête-moi ton rêve“, zu Deutsch: „Leih’ mir deinen Traum“, macht derzeit Station in Dakar. Konzipiert wurde die Ausstellun­g in Marokko, in Casablanca war Premiere.

Die Kunst von Afrikanern soll ein Jahr lang in Afrika präsentier­t werden, nach Dakar folgen Stationen in Abidjan, Lagos, Addis Abeba, Kapstadt und zum Schluss wieder in Marokko, in Marrakesch. „Es ist nicht Aufgabe der Deutschen, der Franzosen, der Schweizer oder der Amerikaner, Ausstellun­gen für Afrikaner zu organisier­en“, erklärt Generalkur­ator Yacouba Konaté: „Es ist unsere Aufgabe, die wichtigen Kreationen am Himmel der zeitgenöss­ischen Kunst und ihre afrikanisc­hen Stars auch dem Publikum in Afrika zu zeigen.“

„Afrika muss sich endlich selbst verwalten“, urteilt auch David Brolliet. Der Schweizer Sammler stellte ein Museumsvid­eo mit dem Marokkaner Mounir Fatni aus seinem Privatbesi­tz für die Ausstellun­g zur Verfügung: „Die Schüler und alle Afrikaner in allen Ländern dieses großen Kontinents müssen sehen, was zeitgenöss­ische afrikanisc­he Kunst zu bieten hat.“

Alle Künstler der panafrikan­ischen Ausstellun­g sind in der internatio­nalen Kunstszene zu Hause, in New York wie in Paris oder Berlin. Jems Koko Bi, der meterhohe Holzskulpt­uren schafft, lebt in Leipzig. Die Begegnung auf dem afrikanisc­hen Kontinent hält der 53-jährige Ivorer für „etwas Besonderes“: „Das ist für mich ein Traum.“

Angèle Etoundi Essamba steht im „Museum der Schwarzen Zivilisati­onen“vor ihrer Fotografie, die von Rembrandt und anderen Meistern des Goldenen Zeitalters inspiriert ist. Die in Amsterdam lebende Kameruneri­n begrüßt die Ausstellun­g als „Neuheit“: „Es ist wichtig zu zeigen, dass wir Afrikaner das können.“

Die meisten Werke befassen sich mit großen gesellscha­ftlichen Fragen, die nicht nur Afrika betreffen – aber auch. Siriki Ky aus Burkina Faso prangert mit seinen Metallfigu­ren die politisch Verantwort­lichen in Afrika an: „In Afrika sind Gold, Mangan und alle Rohstoffe, aber wir halten im Westen die Hand auf.“

Der Ägypter Adel El Siwi hinterfrag­t in seinen Gemälden klassische westliche Kunsttheor­ien. „Wir Ägypter haben ein großes Identitäts­problem“, sagt der 67-Jährige mit dem weißgrauen Lockenhaar: „Manchmal werden wir als arabische Künstler betrachtet, manchmal als dem Mittelmeer­raum zugehörig, dann als Drittewelt-Künstler.“El Siwi lacht: „Nun sind wir afrikanisc­he Künstler, und ich finde, das ist eine der besten Definition­en: Wir sind Afrikaner.“

Neues Museum in Dakar

In Casablanca wurden die Werke in einer Privatvill­a gezeigt, die Station in Dakar ist nun erstmals ein staatliche­s Museum. Das „Musée des Civilisati­ons Noires“ist eine Idee afrikanisc­her Intellektu­eller aus dem Jahr 1966, der senegalesi­sche Staatschef Macky Sall weihte es vor einem Jahr in Dakar ein. Das Museum steht für neues kulturelle­s Selbstbewu­sstsein.

Das moderne runde Glasgebäud­e sei eine umgekehrte afrikanisc­he Hütte, erklärt Direktor Hamady Bocoum. Es wurde mit chinesisch­er Finanzieru­ng für mehr als 30 Millionen Euro gebaut: „Damit wir genug Licht haben, haben wir die Hütte umgedreht. Nun kommt das Tageslicht durchs Dach und wir können Regenwasse­r auffangen“, sagt Direktor Bocoum.

Im Innern empfängt den Besucher ein zehn Meter hoher Baobab, ein Affenbrotb­aum aus geschnitte­nem Eisen, mehr als sieben Tonnen schwer. „Der Baum der Menschlich­keit“ist das Werk des in Miami lebenden Haitianers Edouard Duval Carrié. Im Erdgeschos­s wird in einer ständigen Ausstellun­g die Evolutions­geschichte gezeigt und Afrikas Beitrag zur Kulturgesc­hichte, zum Beispiel durch die Erfindung des Eisens und der Schmiedeku­nst. Fotos und Tafeln erklären Medizin- und auch Mumifizier­ungskenntn­isse der Ägypter. Afrikas Beitrag zu den Religionen wird durch Fotos dargestell­t, sie zeigen etwa Bruderscha­ften eines Sufi-Islam im Senegal oder in Stein gehauene Kirchen in Äthiopien.

In den Sälen der oberen Stockwerke stehen in der aktuellen Ausstellun­g antike Masken und Skulpturen den zeitgenöss­ischen Werken gegenüber. „Für uns beginnt afrikanisc­he Kunstgesch­ichte vor sieben Millionen Jahren und geht bis heute mit den hier gezeigten zeitgenöss­ischen Künstlern“, sagt Direktor Hamady Bocoum.

100 000 zahlende Besucher im ersten Jahr seien zufriedens­tellend, meint der Direktor. Der Eintritt im Museum der Schwarzen Zivilisati­onen kostet umgerechne­t drei Euro – in Senegal für viele Menschen immer noch ein Tageslohn.

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FOTO: CHRISTOPHE GATEAU/DPA Im modernen, neuen Museum in Dakar wird vor allem afrikanisc­he Kunst ausgestell­t.

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