Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Umstrittene Solarpflicht
Landesregierung debattiert über Klimaschutzpaket
STUTTGART (tja) - Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) warnt davor, Häuslebauern im Südwesten durch eine Solarpflicht zu hohe Kosten aufzubürden. Eine solche Vorgabe enthält aber das Klimaschutzpaket von Umweltminister Franz Untersteller (Grüne).
Hoffmeister-Kraut ist wie viele Parteifreunde nicht grundsätzlich gegen die Solarpflicht. Sie erwartet von Untersteller aber Antworten auf die Frage, wie diese umsetzbar ist. Es solle geprüft werden, „ob das Land den Bauherren insbesondere für den Fall unter die Arme greifen sollte, in dem zusätzliche Belastungen aus einer Photovoltaikpflicht das Bauen verhindern“, sagt eine Sprecherin. Der gesamte Entwurf des Klimapakets sei „in Teilen rechtlich angreifbar“. Das Umweltministerium weist das zurück und wirft der CDU-Ministerin eine Blockade des Klimapakets vor.
STUTTGART - Mehr Klimaschutz in Baden-Württemberg, dazu haben sich Grüne und CDU verpflichtet. Derzeit liegt das Land nicht im Fahrplan, wenn es um die Reduktion klimaschädlicher Gase geht. Daher will die Landesregierung neue Regeln aufstellen – zum Beispiel könnte eine Solarpflicht für Neubauten kommen. Doch es gibt Streit.
Um 42 Prozent will der Südwesten den Ausstoß klimaschädlicher Gase bis 2030 reduzieren, um 90 Prozent bis 2050. Als Vergleichsgröße dient das Jahr 1990. Auf dieses Ziel hat sich Deutschland gemeinsam mit der EU und vielen anderen Staaten weltweit verpflichtet. Der Grund: Wissenschaftler fürchten, dass Folgen des Klimawandels wie Überschwemmungen oder wiederkehrende Dürren andernfalls nicht mehr zu beherrschen sind, weil die Temperaturen weltweit stark ansteigen.
Doch bislang sind weder der Bund noch Baden-Württemberg auf Kurs. Bis 2020 hätte der Ausstoß von CO2 aus Fahrzeugen, Kraftwerken, Industrie oder Wärmeerzeugung um ein Viertel sinken sollen, das klappte nicht: der Südwesten lag 2018 bei einem Minus von gerade einmal knapp zwölf Prozent. Um die Hürden 2030 nicht erneut zu reißen, müssten zum Beispiel private Haushalte 57 Prozent CO2 sparen, die Landwirtschaft 42 Prozent, der Verkehrsbereich etwa 30 Prozent und die Energie insgesamt etwa 50 Prozent.
Baden-Württemberg will sein Klimaschutzpaket mit Regeln und einzelnen Maßnahmen nun ändern, um die Ziele zu erreichen. Auf Grundsätze hatten sich die Regierungsparteien von Grünen und CDU bereits vor einem Jahr geeinigt. Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) legte einen umfassenden Entwurf vor, Bürger konnten im Internet und auf Veranstaltungen darüber diskutieren.
Allerdings gilt: Bei sehr vielen Dingen ist Baden-Württemberg abhängig von Vorgaben aus EU und dem Bund. Einige Hebel hat aber das Land selbst in der Hand. Dazu gehören zum Beispiel folgende Vorschläge: Wer neu baut, soll künftig eine Solaranlage aufs Dach installieren müssen. Das Land will außerdem festlegen, wie viele Flächen für Erneuerbare Energie genutzt werden müssen – also etwa für Windräder oder Photovoltaikanlagen. Die Regierung plant außerdem, mit Unternehmen freiwillige Vereinbarungen für den Klimaschutz zu treffen, große Kommunen müssen künftig genau planen, wie sie ihre Bürger am kinderfreundlichsten mit Wärme versorgen.
Die CDU-Abgeordneten tragen viele Punkte mit. Sie wünschen sich nach wie vor eine eigene Klimaschutzstiftung des Landes, die Projekte vor Ort fördern soll. Protest regt sich aus ihren Reihen aber besonders gegen den Plan, eine Klimaschutzverwaltung aufzubauen. Sie warnen vor den Personalkosten und vor Bürokratie. Außerdem fordern sie, bei jeder Maßnahme ein „Preisschild“hinzuzufügen – also zu berechnen, was Land, Bürger oder Unternehmen dafür zahlen müssten.
Kritik und Anregungen arbeitete Unterstellers Haus nach Prüfung ein, dann ging der Entwurf an die Landtagsabgeordneten von Grünen und CDU. Die übrigen Ministerien konnten Vorschläge und Änderungswünsche anmelden. Das ging Untersteller allerdings nicht schnell genug: „Das kann so nicht weitergehen“, sagte er Anfang des Monats. Schließlich lägen seine Vorschläge seit Mitte Dezember vor. Die CDU weist das zurück. Untersteller habe sich zu lange mit seinen Vorschlägen Zeit gelassen und dann erst kurz vor Weihnachten geliefert.
Doch damit nicht genug der Missstimmung. Nun hat der Grüne mehrere CDU-Kollegen angerufen und ein neues Verfahren vorgeschlagen, um den Entwurf voranzubringen. Er wollte Anmerkungen der Kollegen nicht einarbeiten oder sich mit ihnen auf Kompromiss einigen. Stattdessen sollte der Untersteller-Entwurf mit den Anmerkungen der übrigen Ministerien zur Anhörung freigegeben werden. Bei dieser haben Verbände und andere Organisationen aus allen gesellschaftlichen Bereichen Gelegenheit, ihre Meinung einzuspeisen. Danach folgt eine erneute Überarbeitung, bevor der Landtag debattiert und entscheidet. Normalerweise geht aber nur ein Gesetzentwurf diesen Weg, auf den sich die Regierungspartner bereits geeinigt haben. Dieses Verfahren wollte Untersteller aufbrechen.
Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) ist sauer. „Mit einem innerhalb der Landesregierung nicht geeinten Entwurf, der zudem in Teilen rechtlich angreifbar ist, in die Anhörung zu gehen, ist aus unserer Sicht inakzeptabel. Wir haben das Ministerium daher gebeten, sich an den normalen Gang des Verfahrens innerhalb der Regierung zu halten, statt einseitig Fakten zu schaffen“, sagt eine Sprecherin.
Unterstellers Sprecherin weist die Vorwürfe zurück. Das Ziel bleibe, einen abgestimmten Gesetzesentwurf vorzulegen. Aber: „Wir wollen ambitionierten Klimaschutz, denn die Zeit drängt. Dafür haben wir Maßnahmen vorgeschlagen. Gerade die wirkungsvollsten Maßnahmen werden umfassend vom Wirtschaftsministerium abgelehnt. Es hat bislang auch keinerlei Bereitschaft gezeigt, über diese Punkte zu verhandeln.“Man arbeite dennoch an einer Einigung. Immerhin habe sich die CDU-Fraktion bereits geäußert – und zwar konstruktiver als einige CDU-Ministerien.
Hoffmeister-Kraut stößt sich vor allem an zwei Vorschlägen. Erstens bei der Pflicht, Solaranalgen auf Neubauten zu installierten. Die Ministerin fürchtet, dass Bauherren dann künftig keine Fördermittel für besonders klimafreundliches Bauen mehr bekommen. Außerdem warnt sie davor, das Bauen weiter zu verteuern und will klären, wie man besonders Familien beim Hausbau mit Solaranlage unterstützen kann. Außerdem warnt sie davor, Kommunen vorzuschreiben, wie viele Flächen sie für die Erzeugung erneuerbarer Energien ausweisen müssen. Grundsätzlich sei das sinnvoll. Unterstellers Vorschlag sei aber rechtswidrig und müsse geändert werden.