Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Corona: Verdachtsfälle, aber noch keine Patienten
Menschen aus Alb-Donau-Kreis unter Quarantäne – Angst spürbar
ULM - Vier Menschen, die Kontakt hatten mit einem Mann, der mit dem Coronavirus infiziert ist und am Samstag eine Kinovorstellung in Neu-Ulm besucht hatte (wir berichteten), stammen aus dem Alb-DonauKreis. Sie stehen nun unter häuslicher Quarantäne. Auch bei den Kliniken der Region melden sich Menschen und wollen sich testen lassen. Echte Corona-Fälle gibt es in der Region jedoch noch keine. Trotzdem scheint die Angst zu wachsen.
Die Warnung, die an der Türe eines Kopierladens im Ulmer Frauengraben hängt, liest sich unmissverständlich: „Sollten Sie am 22. Februar im Kino gewesen sein, bitte nicht den Laden betreten!!!“
Inhaber Michael Grössl bittet Kunden, die in jener Kinovorstellung in Neu-Ulm waren („Bad Boys for Life“), in der auch ein infizierter Patient aus Eislingen (Landkreis Göppingen) saß, sein Geschäft nicht zu betreten. Begründung: Er will verhindern, dass sich sein Kind ansteckt. Grössl sagt, er sei „nervös“. Zwar habe er keine Angst um sich selbst, jedoch um sein kleines Kind. Dieses sei erst zweieinhalb Wochen alt. Er befürchtet, dass dieses noch nicht ausreichend Abwehrkräfte gesammelt haben könnte, um eine Corona-Erkrankung zu überleben. Mit dem Schild will er vermeiden, dass er und in der Folge sein Kind angesteckt wird.
Bei den zuständigen Gesundheitsämtern in Ulm und Neu-Ulm, die bei den Landratsämtern angesiedelt sind, haben sich mittlerweile zahlreiche Kinobesucher gemeldet, die nun auf Symptome wie Fieber, Husten oder Schnupfen achten sollen. Vier Personen, mit denen der infizierte aus dem Raum Göppingen Kontakt hatte, stammen aus dem Alb-DonauKreis, wie das Landratsamt des AlbDonau-Kreises, welches auch für die Stadt Ulm zuständig ist, am Donnerstag mitteilte. Sie seien gebeten worden, „14 Tage in häuslicher Isolation zu verbleiben“. Die Personen müssen sich täglich melden und über ihren Gesundheitszustand, insbesondere über ihre Körpertemperatur, informieren. Allen Betroffenen würden Abstriche entnommen. Die Entnahme erfolgte durch die Hausärzte. Die Ergebnisse der Abstriche, ob eine Infektion mit dem Coronavirus vorliegt, blieben „abzuwarten“.
Ziel der Behörden ist es nach wie vor, „eine weitere Ausbreitung zu verhindern“. Ansteckungsketten sollen unterbrochen und gestoppt werden. Die Leiterin des Fachdienstes Gesundheit beim Landratsamt Alb-Donau, Dr. Barbara Unger, unterstreicht: „Wir arbeiten alle sehr konzentriert und fokussiert und setzen darauf, dass wir den Virus in den Griff bekommen.“
Und was sagt der Kinobetreiber aus Neu-Ulm? Das Gesundheitsamt in Neu-Ulm habe ihm versichert, dass ein Kinobesuch kein gesundheitliches Risiko darstelle, erklärt Roland Sailer. Dennoch scheinen Besucher verunsichert zu sein. Am Mittwochabend wickelten dort manche ihre Hände in Toilettenpapier ein, bevor sie die Türklinke im WC anfassten.
Die Kliniken in der Region spüren bislang keinen besonderen Andrang wegen des Coronavirus. Ein Mann aus dem Kreis Neu-Ulm, der vor einigen Tagen mit gesundheitlichen Problemen von einer Italienreise zurückgekehrt war, soll aber im Uniklinikum Ulm zunächst isoliert behandelt worden sein. Tanja Kotlorz, die Sprecherin des Universitätsklinikums, will dies nicht bestätigen. Zu Verdachtsfällen sage man grundsätzlich nichts. Aber es seien in den vergangenen Wochen tatsächlich mehrere Personen getestet worden. Der Erreger wurde – Stand Donnerstag – jedoch bei keiner Person nachgewiesen.
Auch im Bundeswehrkrankenhaus wird ein Isolierbereich vorgehalten. Es würden auch Vorbereitungen getroffen, um weitere Kapazitäten für mögliche Corona-Patienten in den Kliniken der Streitkräfte zu schaffen, sagt Oberstleutnant Matthias Frank, Pressesprecher des Sanitätsdiensts der Bundeswehr.
Echte Gewissheiten scheinen rar dieser Tage. Und dass der Appell, den Michael Grössl an seiner Ladentüre an seine Kunden richtet, tatsächlich etwas bringt, ist auch eher unwahrscheinlich. Schließlich handelt es sich nur um eine Bitte. Es ist ja niemandem anzusehen, ob er die besagte Kinovorstellung wirklich besucht hat. Ein Virus lässt sich nicht so einfach aussperren.