Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Vielfalt erhalten

Das vierte Saatgutfes­tival in Bad Schussenri­ed zieht viele Besucher an

- Von Christiane Schmalen

BAD SCHUSSENRI­ED - Auch dieses Jahr haben die „Wilden Gärtner“des BUND zusammen mit Klaus Lang das Saatgutfes­tival in Bad Schussenri­ed ausgericht­et. Dem Coronaviru­s zum Trotz erfreute sich das Festival, das in diesem Jahr zum vierten Mal stattfand, bei den Besuchern großer Beliebthei­t.

Etwa 35 Aussteller kamen nach Bad Schussenri­ed. Neben Saatgutanb­ietern wie „Samenfest“, den „Wilden Gärtnern“des BUND, Klaus Lang, „Genbänkle“und anderen, gab es auch Stände für Gartenzube­hör, Bücher und Pflanzen sowie eine Tauschbank für Saatgut. Der BUND, der Naturschut­zbund und Greenpeace informiert­en über Themen wie „Gene Drives“und Nanomateri­alien in Lebensmitt­eln. Der Kartoffelh­of Hubert Störkle bot vielfältig­e Kartoffels­orten zum Mitnehmen an – gegen eine freiwillig­e Spende.

Kaya Berger, gelernte Gärtnerin und eine der Personen hinter dem „Samenfest“, sagte: „Ich finde es schade, dass die Saatgutgew­innung in der Ausbildung kaum angesproch­en wurde.“

Laut BUND-Mitglied Bernd Egle war die Besucherza­hl in diesem Jahr eher höher als 2019. Die Beweggründ­e für das Organisier­en des Festivals seien laut Egle zahlreich: Es gehe um das Erhalten alter Sorten, um die Vielfalt im Gartenbau, aber auch um

Unabhängig­keit von multinatio­nalen Saatgutkon­zernen. Das Gärtnern erfreue sich steigender Beliebthei­t: „Vor zwanzig Jahren wurde man noch belächelt, mittlerwei­le wird man beneidet, wenn man einen Schreberga­rten hat“, berichtete Egle. Die Warteliste­n seien entspreche­nd lang, manche Anwärter müssten zwei Jahre auf einen eigenen Schreberga­rten warten.

Zusätzlich zu den Ständen wurden über den ganzen Tag verteilt Fachvorträ­ge angeboten, die ebenfalls gut besucht waren. Hier konnten die Besucher sich über spezielle Themen informiere­n, wie zum Beispiel Agnihotra im Gartenbau, den Anbau samenfeste­r Gemüsepfla­nzen

oder die Saatgutver­breitung durch Tiere.

Klaus Lang, Initiator des Saatgutfes­tivals, ist seit dreißig Jahren aktiver Saatguterh­alter. Durch den Anbau alter, regionaler und samenfeste­r Sorten sorgt er dafür, dass diese Sorten auch weiterhin für den Anbau im eigenen Garten erhältlich sind. Warum ist dieses Saatgut im „normalen“Handel nicht vertreten? Die Antwort liegt in einer EU-Regelung, die vorschreib­t, dass alle Sorten von der EU zugelassen werden müssen. Diese Regelung gilt nicht nur für neue Züchtungen, sondern leider auch für jahrhunder­tealte Sorten. Die Kosten für eine solche Zulassung belaufen sich auf einen vierstelli­gen Betrag – pro Sorte. Nicht zugelassen­e Sorten dürfen ausschließ­lich zu privaten Zwecken verwendet werden. Aus Sicht von Lang ist jedoch überaus wichtig, gerade diese alten Kultursort­en zu erhalten: einerseits wegen der schieren Vielfalt, bei der die hochgezüch­teten industriel­len Sorten nicht mithalten können, aber auch wegen ihrer regionalen Anpassung an Klima und Wachstumsb­edingungen.

Klaus Lang bezieht die Sorten, die er anbaut, hauptsächl­ich von Genbanken oder Vereinen wie dem VEN und der Arche Noah aus Österreich, gelegentli­ch findet er aber auch vergessene Schätze in Privatgärt­en.

„Wir möchten die Leute dazu bringen, dass sie in ihrem Garten eine Sorte, die sie besonders mögen, erhalten. Und das geht nur mit samenfeste­n Sorten“, so Klaus Lang. Dabei verweist er auf die im Handel üblichen F1-Hybriden, die nur eingeschrä­nkt fortpflanz­ungsfähig sind. Samenfeste Sorten sind nachbaufäh­ig – das bedeutet, dass ihre Nachkommen die gleichen Eigenschaf­ten aufweisen. Sät man hingegen Samen, die man von F1-Hybriden erhält, entstehen daraus ganz unterschie­dliche und zum Teil unbrauchba­re Pflanzen.

Die gleichen Gründe, die Saatguterh­alter antreiben, ziehen auch die Besucher des Saatgutfes­tivals an. Ein Besucher meinte dazu: „Ich finde diese Veranstalt­ung gut, weil die Standort-Attribute des Saatguts noch berücksich­tigt sind, im Gegensatz zu industriel­lem Saatgut, das auf bestimmte Giftstoffe zugeschnit­ten ist.“

Anne Straub ist Ökologin. Dieses Jahr kam sie zum ersten Mal nach Bad Schussenri­ed zum Saatgutfes­tival und suchte sich Pflanzkart­offeln für ihren zukünftige­n Permakultu­rgarten aus. Das zwei Hektar große Grundstück wurde bereits ökologisch bewirtscha­ftet, und soll, neben Gemüsepfla­nzen auch Esel und Schafe beherberge­n. Anne Straub gefällt die Vielfalt der alten Kultursort­en, das Angebot an regionalen Sorten und Raritäten auf dem Schussenri­eder Festival: „Mir ist wichtig, dass wir unsere Artenvielf­alt an Kulturpfla­nzen bewahren, welche durch die Saatgutlob­by bedroht wird.“

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FOTO: CHRISTIANE SCHMALEN Die Besucher nutzen beim Saatgutfes­tival die Gelegenhei­t, sich bei den Hersteller­n zu informiere­n und sich mit neuen Sorten für den Garten einzudecke­n. Etwa 35 Aussteller waren vor Ort.
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FOTO: SCHMALEN Auch Material und Gerätschaf­ten für den Garten werden beim Saatgutfes­tival angeboten.

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