Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Die Männerversteherin
Inka Grings steht mit dem SV Straelen vor dem Aufstieg – und will Karriere machen
STRAELEN (dpa) - Als Inka Grings erfährt, welches Fazit ihr Clubchef zu einem Jahr Trainerjob bei der MännerMannschaft des SV Straelen zieht, muss sie lachen. Die Ex-Fußball-Nationalspielerin und Rekord-Torschützin der Frauen-Bundesliga ist mit ihrem Hund gerade auf dem Weg zum Tierarzt. „Ist ja interessant“, sagt die 41-Jährige am Telefon. Vor einem Jahr verpflichtete der damalige Regionalligist aus Nordrhein-Westfalen Inka Grings als Cheftrainerin. Am 1. April trat sie ihren Job an – als erste deutsche Frau, die Männer aus den höchsten vier Spielklassen betreut.
Der Rummel war ähnlich groß wie Monate zuvor, als der Fünftligist BV Cloppenburg Imke Wübbenhorst als Trainerin vorstellte. „Frauen, die über Männer gebieten, sind im Fußballsport nicht gerade die Normalität“, schrieb die „Zeit“im Mai 2019 und schickte einen Reporter in die Kleinstadt bei Venlo am unteren Niederrhein unweit der Grenze zu den Niederlanden. Wübbenhorst ist mittlerweile nicht mehr im Amt, ihr Fußball-Kulturpreis-gekrönter Spruch „Ich bin Profi. Ich stelle nach Schwanzlänge auf“– ein Scherz – ging in die Zitate-Sammlungen ein.
Den Abstieg konnte Grings nicht verhindern, aber sie blieb im Amt. „Es macht wahnsinnig viel Spaß. Die Oberliga ist eine extreme sportliche Herausforderung. Ich sammle Erfahrungswerte, die mich reifen lassen“, sagt sie. „Was ich an ihr bewundere“, erzählt Bauunternehmer Hermann Tecklenburg (71), Präsident des Vereins und Ehemann der Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg, „ist
Folgendes: Wenn wir in der 85. Minute 3:0 führen, steht sie immer noch voller Energie und Engagement an der Linie und gibt Anweisungen. Wenn es kurz vor Schluss unentschieden steht, löst sie die Abwehrkette auf, schickt unseren fast zwei Meter großen Innenverteidiger in den Sturm und will noch gewinnen. Dreimal hat sie das in dieser Saison gemacht, dreimal hat es geklappt“, sagt er.
Tore ist Grings gewohnt. Für den FCR 2001 Duisburg erzielte sie in 271 Spielen 353 Treffer, sechsmal war sie Bundesliga-Torschützenkönigin. Mit der DFB-Elf holte sie 2005 und 2009 den EM-Titel und krönte sich jeweils zur besten Torschützin. In 96 Länderspielen glückten ihr 64 Treffer. Danach spielte sie noch in Zürich, Chicago und Köln. Im Oktober sorgte sie für Furore, als sie im ZDF-„Sportstudio“nach 20 Jahren erstmals wieder für eine fast perfekte Serie an der Torwand sorgte und fünfmal traf. Grings gilt als extrem ehrgeizig und nicht immer pflegeleicht. „Ich war nie jemand, der quergeschossen hat. Wer fair mit mir umging, bekam eine Inka Grings zu hundert Prozent“, sagte sie einmal. Grings äußert sich zur Frauenquote („So wichtig sie auch ist, ist sie auch sehr traurig“), spricht sich für eine DFB-Präsidentin aus, fordert mehr Engagement der Vereine zur Förderung des Frauenfußballs und traut sich auch, das DFB-Team bei der dürftigen WM im Sommer 2019 in Frankreich öffentlich zu kritisieren.
Der „Süddeutschen Zeitung“sagte sie, dass im Frauenfußball mehr „Leidenschaft und Identifikation“herrsche als bei den Männern. Dort zähle nur „Geld, Geld, Geld, Liga und Erfolge, egal ob es Sinn macht oder nicht“. Und dennoch will sie genau dorthin.
Seit 2014 ist Grings Trainerin, erst in Duisburg, dann bei den U-17-Junioren von Viktoria Köln, nun in Straelen. Mit Leipzig-Coach Julian Nagelsmann absolvierte sie 2016 ihre Fußballlehrer-Ausbildung. „Ich stehe am Anfang meiner Trainerkarriere. Meine Devise lautet, zu arbeiten und mich weiterzuentwickeln“, sagt sie. Sie verfolgt andere Ziele, ehrgeizigere Ziele, als eine Oberliga-Mannschaft zu trainieren.
Sollte die wegen der Pandemie unterbrochene Saison beendet werden, dürfte sie mit Straelen aufsteigen. 19 Punkte Vorsprung hat der Erste der Oberliga Niederrhein auf den Zweiten. Grings sagt: „Aktuell konzentriere ich mich voll auf meinen Job. Ich bin so, dass ich das, was ich im Moment mache, zu hundert Prozent mache. Und dann wird sich zu gegebener Zeit sicher etwas ergeben.“