Schwäbische Zeitung (Laupheim)
KAB fordert menschenwürdige Digitalisierung
Katholische Arbeitnehmerbewegung formuliert bei Diözesanverbandstag einen Leitantrag
RISSEGG (sz) - „Digitale Arbeit menschenwürdig gestalten.“Unter diesem Motto hat der Verbandstag der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) am 14. März ein Zeichen angesichts der weitreichenden Folgen der Digitalisierung gesetzt. Die KAB habe große Sorgen bezüglich der Folgen „einer unkontrollierten Technikentwicklung für die Arbeitnehmer, aber auch für jeden Einzelnen in der Gesellschaft“und formulierte dazu ethische Positionen. Daraus leitet sie ihre Forderungen an die Politik, die Wirtschaft und die Gewerkschaften ab.
„Die sogenannte vierte industrielle Revolution, die neuen Möglichkeiten von Robotik und künstlicher Intelligenz werden alles infrage stellen, was bisher als soziale Errungenschaft den Arbeitnehmern Sicherheit verschafft hat. In dieser Situation müssen wir uns einmischen, sonst überlassen wir alles den BigData-Konzernen“, beschrieb Ernst Bodenmüller, scheidender Vorsitzender des kirchlichen Sozialverbands, die Entwicklungen.
Paul Schobel, Betriebsseelsorger i. R., der den Delegierten den Leitantrag vorstellte, betonte, dass die algorithmengesteuerte digitale Fremdbestimmung, nichts Schicksalhaftes sei. Es seien mächtige Akteure in Hightech-Konzernen und Zukunftlaboratorien, die die Digitalwirtschaft nach ihren Gesetzen planen. Es gehe ausschließlich im Sinne der Profitsteigerung darum, Daten zu Geld zu verwandeln. So sei jetzt schon in vielen Branchen erkennbar, dass Normalarbeitsverhältnisse und tariflich geregelte Arbeitsbedingungen immer mehr ausgehöhlt werden. Selbstvermarktung und Selbstausbeutung werde von den Crowdworkern abverlangt, die sich auf Internetplattformen verkaufen müssten. Dies geschehe unter völlig unregulierten Bedingungen, was die Entlohnung, soziale Sicherung, Mitbestimmung oder geregelte Arbeitszeiten anbelangt. Papst Franziskus spreche da eine klare Sprache, so Schobel, wenn er die Würde des Menschen in den Mittelpunkt stelle. Dieser Papst beklage die Diktatur einer Wirtschaft ohne Gesicht und ohne ein wirklich menschliches Ziel.
Susanne Lutz
Eine Kernforderung im Leitantrag ist, die Digitalisierung der Arbeit zum Wohl der Menschen zu gestalten. Arbeitnehmer brauchten umfassende Mitsprache- und Mitwirkungsmöglichkeiten beim Einsatz von technologischen Neuerungen, fordert die KAB. Für die digitale Transformation sei eine Qualifizierungs- und Bildungsoffensive für alle Beschäftigten notwendig. Der Leitantrag fordert den Gesetzgeber auf, eine Regulierung der Solo-Selbstständigkeit um der Entwicklung eines „digitalen Proletariats“entgegenzuwirken. Bei allem gehe es letztlich um eine gerechte Verteilung des Mehrwerts, der Produktivitätssteigerung durch den Einsatz neuer Technologien.
Peter Niedergesäss, Diözesansekretär der KAB, unterstreicht eine zentrale Forderung im Antrag: „Wir kommen an der Einführung einer Wertschöpfungsabgabe nicht vorbei, die personalintensive Betriebe entlasten würde, und mit deren Einnahmen der Sozialstaat abgesichert wird.“
Um unbezahlte Überstunden zu verhindern und damit der Rund-umdie-Uhr-Gesellschaft einen Riegel vorzuschieben, brauche es nach dem Willen der KAB eine echte Arbeitszeiterfassung für alle Berufsgruppen.
Susanne Lutz, frisch gewählte Diözesanvorsitzende, sieht in der Rückgewinnung, dem Schutz und Erhalt der unverfügten Zeit eine zentrale Herausforderung für die KAB. Es brauche Zeit für das Zusammenleben in Familie und Gesellschaft, für Kultur und Freizeit. Lutz: „Zeit ist vor allem Leben. Eine digitalisierte Gesellschaft ist nur überlebensfähig, wenn die Menschen das wertvolle Gut der kommerzfreien Zeit für sich bewahren. Es ist daher nur konsequent, wenn die KAB als Sozialverband den Schutz der sozialen Zeit zu einem eigenen Handlungsschwerpunkt in den kommenden Jahren setzen wird. Denn im Leitantrag heißt es, Zeit ist das Kostbarste, was uns Menschen geschenkt ist.“
Niedergesäss zeigt sich hocherfreut über die einstimmige Verabschiedung des Leitantrags. Damit gebe die KAB in der Corona-Krise ein eindeutiges Signal für eine internationale, ökologische und soziale Marktwirtschaft. Niedergesäss weiter: „Die KAB stellt sich damit gegen den Raubtierkapitalismus von US-Präsident Trump.“
„Eine digitalisierte Gesellschaft ist nur überlebensfähig, wenn die Menschen das wertvolle Gut der kommerzfreien Zeit für sich bewahren.