Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Viele Helfer, kein Problem – Oder?
Die Hilfsbereitschaft in Laupheim ist groß, aber die Hilfe annehmen will fast niemand
GLAUPHEIM - Ein Gang zur Apotheke, den Wocheneinkauf erledigen oder den Hund ausführen – für Menschen, die der Risikogruppe angehören, können diese Alltagsaufgaben in Zeiten der Corona-Krise eine Herausforderung sein. In den letzten Wochen haben sich deshalb verschiedene Hilfsaktionen formiert, um den Betroffenen unter die Arme zu greifen. Viele Helfer haben sich seitdem gemeldet – aber Personen der Risikogruppe, wie beispielsweise Senioren, nehmen das Angebot bisher wenig in Anspruch.
„Ich brauchte neue Medikamente“, erzählt eine Seniorin, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. „Deshalb habe ich bei ,Laupheim hilft’ angerufen, und noch am selben Vormittag konnte ein Helfer für mich in die Apotheke gehen.“Die 84-Jährige ist von der schnellen Hilfe beeindruckt. Gesundheitlich gehe es ihr derzeit nicht so gut, deshalb sei sie froh, diese Hilfe wahrnehmen zu können. Ihre Schwiegertochter kaufe zwar für sie ein, aber die wohne nicht in Laupheim. Wenn es um kurzfristige Hilfe geht, wie etwa den Gang zur Apotheke, fühlt sich die Rentnerin bei „Laupheim hilft“gut aufgehoben. „Niemand weiß, wie lange die Corona-Krise noch anhält. Aber es ist besser, wenn ich erst einmal zu Hause bleibe“, sagt sie.
Das Hilfsangebot „Laupheim hilft“existiert seit dem 19. März (die SZ berichtete). Moritz Hamberger und sein Kumpel Christian Müller haben sich mit einer Schülergruppe zusammengetan und die Aktion so mitinitiiert. Hamberger, der als selbstständiger Designer arbeitet, erstellte die Website,
auf der Hilfesuchende und Helfer sich melden können. „Bisher haben wir etwas mehr als 150 Helfer – aber nur sieben Personen haben sich bisher mit Anfragen an uns gewandt“, sagt Hamberger. Das sei sehr schade, denn die Hilfsbereitschaft sei groß unter den Laupheimern. „Uns ist klar, dass unsere Zielgruppe hauptsächlich Senioren sind, die über eine Website schwer zu erreichen sind“, sagt er. „Aber wir haben die Seite extra so konzipiert, dass man sich nicht über ein Formular eintragen muss, sondern auch einfach die Hotline anrufen kann.“Die Schüler nehmen alle Anrufe entgegen und tragen die Anliegen dann selbst ein.
Dass das Angebot bisher so wenig genutzt wird, liegt laut Hamberger an zwei Gründen. „Zum einen bleiben die Betroffenen nicht zu Hause, obwohl sie zur Risikogruppe gehören“, sagt er. Besonders wenn Markt ist, sehe er zu viele Menschen, die eigentlich zu Hause bleiben sollten. Zum anderen wüssten besonders ältere Menschen noch nichts von dem Angebot der jungen Leute. „Wir hoffen, dass sich das durch Mund-zu-Mund-Propaganda noch mehr verbreitet“, sagt der 23-Jährige.
Ähnliche Erfahrungen haben die Beteiligten der „Corona-Nachbarschaftshilfe-Laupheim“gemacht. Dort sind in den vergangenen zwei Wochen Dutzende Angebote eingegangen. „Die Liste der Hilfsanbieter füllt sich“, sagt Michaela Barth, die gemeinsam mit ihrem Mann Gerold Barth die Initiative gestartet hat. Die beiden sind Administratoren der Facebook-Gruppe „Wir lieben Laupheim, wer noch?“. Dort können sich Hilfesuchende und Leute, die ihre Hilfe anbieten wollen, in ein digitales Dokument eintragen. Viele Menschen wären zwar bereit, die Risikogruppen im Alltag durch Erledigung von Besorgungen, wie beispielsweise das Einkaufen von Lebensmitteln, zu unterstützen, erklärt Barth. „Allerdings nehmen die älteren Leute die Angebote bisher nicht wirklich wahr.“Sie vermutet, dass die Senioren nicht auf ihre Selbstständigkeit verzichten wollen: „Meinem Eindruck nach versorgen sich die meisten älteren Menschen weiterhin lieber selbst.“Das sei angesichts des besonderen Schutzes, dessen gerade ältere Menschen bedürfen, kontraproduktiv, sagt Barth. „Das verfehlt eigentlich den Sinn der Sache, wenn Risikogruppen ganz normal zum Einkaufen gehen.“
„Es ist keine Schande, sich helfen zu lassen“, sagt Moritz Hamberger. Im Gegenteil – es sei eine gute Sache, in Zeiten der Corona-Krise zusammenzuhalten und sich gegenseitig auszuhelfen. „Viele müssen da aber noch über ihren Schatten springen und wirklich zu Hause bleiben.“
Die 84-jährige Seniorin würde das Angebot von „Laupheim hilft“jederzeit wieder in Anspruch nehmen. „Und ich wünsche mir, dass es von den Leuten mehr angenommen wird.“
Die Seite von „Laupheim hilft“unter www.laupheimhilft.de zu finden. Die Helfer sind aber auch telefonisch unter 0152/02806800 beziehungsweise 0176/26387778 zu erreichen.
ist
Das Dokument der „Corona-Nachbarschaftshilfe-Laupheim“ist in der öffentlichen Facebook-Gruppe „Wir lieben Laupheim, wer noch ????? “unter dem Menüpunkt „Ankündigungen“abrufbar.