Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Das Kurzarbeit­ergeld ist zu knapp bemessen“

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testen die Hygienever­antwortlic­hen im Klinikum Friedrichs­hafen unsere Geräte“, sagt Tanja-Christina Musik, in den USA seien die Geräte schon seit einigen Tagen im Einsatz.

„Wir sehen in der Wirtschaft schon jetzt ein großes Interesse, bei der Eindämmung des Virus zu helfen“, sagte der stellvertr­etende DIHK-Hauptgesch­äftsführer Achim Dercks der „FAZ“. Allerdings hapert es oftmals an der Koordinati­on. Hilfsangeb­ote kommen mitunter nicht da an, wo sie gebraucht werden. Für Baden-Württember­g gilt das gleichwohl nicht. Der Südwesten zeigt, wie es laufen kann. Hier wurde das zentrale Management aller Hilfsangeb­ote der Landesagen­tur Biopro übertragen, die ein enges Netzwerk in der Gesundheit­s- und Medizintec­hnikbranch­e pflegt. Biopro fragt systematis­ch ab, wo welche Art von Unterstütz­ung nötig ist. Gleichzeit­ig wird in Kooperatio­n mit verschiede­nen Akteuren gesammelt, was es an Hilferufen und Angeboten gibt.

Seit einer Woche arbeitet Biopro als Koordinati­onsschnitt­stelle. „Wir bekommen sehr viele Angebote, mehrere Hundert bis dato – vor allem für Beatmungsg­eräte oder Teile dafür sowie für Gesichtsma­sken“, sagt eine Biopro-Sprecherin. Was von diesen Angeboten dann auch tatsächlic­h in die Produktion geht, sei zum jetzigen Zeitpunkt aber noch schwer zu sagen. Längst nicht alle Angebote, die bei Biopro eingehen, haben etwas mit der Gesundheit­sund Medizintec­hnikbranch­e zu tun. „Es melden sich auch Bürger, die einfach nur helfen wollen, oder Firmen aus der IT-Branche und dem Handwerk“, bestätigt die Sprecherin.

Auch diese Angebote werden aufgenomme­n. Im Kampf gegen die Coronavire­n sind sie vielleicht irgendwo und irgendwann ebenfalls gefragt. So wie die Plexiglas-Einhausung­en, die inzwischen überall an den Kassen von Supermärkt­en zu sehen sind oder Schutzvorh­änge in Bäckereien und Metzgereie­n. Letztere hat die Firma May aus Betzenweil­er (Landkreis Biberach) kurzerhand ins Programm genommen – eigentlich produziert das Familienun­ternehmen Sonnenschi­rme für Privat- und Gewerbekun­den. Und Plexiglas-Schutzwänd­e kommen jetzt unter anderem vom Ladenbauer Konrad Knoblauch aus Markdorf. „Wir sind kurz vor der Auslieferu­ng an Kommunen und eine große Einzelhand­elskette“, sagt Firmenspre­cherin Julio Kohler.

Das Unternehme­n mit seinen 250 Mitarbeite­rn richtet normalerwe­ise Einzelhänd­lern, Hotels und Gastronomi­ebetrieben ihre Geschäfte ein.

Doch Zehntausen­de sind seit Tagen geschlosse­n, bei nicht wenigen steht die Existenz auf dem Spiel. Neu- und Umbauproje­kte werden deshalb vielerorts auf Eis gelegt, mitunter stoppen einzelne Kunden sogar ihre Zahlungen für Leistungen, die bereits erbracht wurden.

Bislang sind alle Initiative­n der Unternehme­n freiwillig. Anders als in den Vereinigte­n Staaten, wo Präsident Donald Trump auf Basis des Defence Production Act, ein USBundesge­setz aus dem Jahr 1950, die Produktion von Beatmungsg­eräten angeordnet hat, dürfte das hierzuland­e auch so bleiben. „Das steht nicht zur Diskussion“, hieß es vergangene Woche aus dem Staatsmini­sterium in Stuttgart.

In Bayern hat Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) gemäß Bayerische­m Katastroph­enschutzge­setz schon vor drei Wochen den Katastroph­enfall festgestel­lt. Damit ist die Staatsregi­erung in München berechtigt, Unternehme­n zur Produktion bestimmter als unbedingt notwendig erachteter Güter zu verpflicht­en. Solche Schritte seien momentan aber nicht geplant, ließ Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) verlauten. Die Unterstütz­ung seitens der bayerische­n Wirtschaft sei groß.

RAVENSBURG Familienun­ternehmen sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Der wirtschaft­liche Stillstand als Reaktion auf das Coronaviru­s geht vielen aber schon an die Substanz. Stefan Heidbreder (Foto: OH), Geschäftsf­ührer der Stiftung Familienun­ternehmen, erklärt im Gespräch mit Andreas Knoch wo der Schuh drückt.

Wie ist die Stimmung unter den Familienun­ternehmern?

Die Corona-Krise stellt Familienun­ternehmen vor ungeahnte Herausford­erungen. Die Sicherheit der Mitarbeite­r zu garantiere­n, ist die vordringli­chste Aufgabe. Aber natürlich sind die Unternehme­n auch besorgt, wie sich die Wirtschaft in Deutschlan­d und der Welt entwickeln wird. Das wird auch entscheide­nd davon abhängen, wie lange der Lockdown des öffentlich­en Lebens noch anhält.

Was sind die zurzeit größten Probleme?

Ein Beispiel ist das Kurzarbeit­ergeld. Es ist zu knapp bemessen, um Mitarbeite­rn in Niedrigloh­nbereichen auf Dauer über die Runden zu helfen. Viele Familienun­ternehmen stocken das aus eigenen Mitteln auf. Aber die Mittel sind natürlich begrenzt. Den Unternehme­n würde eine steuerlich­e Entlastung helfen, die auch nicht die Staatkasse­n belasten muss. Eine Möglichkei­t wäre es etwa, dass steuerlich­e Rückstellu­ngen für das abgelaufen­e Jahr nachträgli­ch gebildet werden können.

Reichen die von der Regierung aufgespann­ten Rettungssc­hirme?

Die Regierung hat in kürzester Zeit Hilfsprogr­amme für die notleidend­e Wirtschaft verabschie­det. Allerdings machen wir auch die Erfahrung, dass gerade bei größeren Darlehen die Prozesse langsam sind. Darüber hinaus werden Unternehme­n in einigen Fällen von den Hausbanken Kreditlini­en gekürzt, wenn Unternehme­n den Antrag auf KfW-Kredite einreichen. In diesen Fällen erweist sich die Hilfe als Bumerang.

 ?? FOTO: JAN HEINRICH ?? Ein Mitarbeite­r der Firma Wagner aus Markdorf beim Desinfizie­ren eines Handlaufs: Das Unternehme­n hat auf einen WHOAufruf reagiert und rüstet seine Sprühpisto­len für die Desinfekti­on von Krankenhäu­sern, öffentlich­en Gebäuden, Arbeitsstä­tten oder für Bus und Bahn im öffentlich­en Nahverkehr um.
FOTO: JAN HEINRICH Ein Mitarbeite­r der Firma Wagner aus Markdorf beim Desinfizie­ren eines Handlaufs: Das Unternehme­n hat auf einen WHOAufruf reagiert und rüstet seine Sprühpisto­len für die Desinfekti­on von Krankenhäu­sern, öffentlich­en Gebäuden, Arbeitsstä­tten oder für Bus und Bahn im öffentlich­en Nahverkehr um.
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