Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Landkreis Biberach: Treten in Mietverhältnis ein
Krankenhaus-Bürgerinitiative greift Landrat Heiko Schmid an – Pressesprecher verweist auf Kreistagsberatung
GRIEDLINGEN – Außerordentlich harsch ist die Kritik der Bürgerinitiative (BI) Freundeskreis zum Erhalt des Riedlinger Krankenhauses an dem Biberacher Landrat Heiko Schmid. Sie werfen ihm in Sachen Gesundheitszentrum „monatelange Untätigkeit“vor und beziehen darin Kreiskämmerer Holger Adler mit ein. Vermisst wird die „Kultur des Ermöglichens“, die von seinem Vorgänger Ralf Miller verfolgt worden sei. Ohne auf Details eingehen zu können, wird betont: Das von ihm im November 2018 vorgestellte Modell einer Chirurgischen Praxisklinik in Riedlingen und der Nennung von verschiedenen Beispielen und Leistungsspektren sei für die BI ein einleuchtendes und zielführendes Konzept gewesen.
Sowohl der Pressesprecher des Landratsamtes, Bernd Schwarzendorfer, als auch die SI-Praxisklinik widersprechen dem Vorwurf, die Ärzte stünden innerhalb kürzester Zeit ohne die notwendige Infrastruktur da. Den im Krankenhaus praktizierenden Ärzten und damit nicht nur jenen der chirurgischen und orthopädischen SI-Praxisklinik lägen schriftliche Zusagen vor, dass der Landkreis Biberach in das bestehende Mietverhältnis eintrete, das die Praxen bisher mit Sana verband, versichert Dr. Sebastian Jung von der SI-Praxisklinik. Auch Schwarzendorfer erklärt: Als Kreis trete man in die Mietverträge der Sana ein. „Dazu stehen wir.“
Wegen der Übernahme der Ausstattung des Operationssaals sei man mit Sana im Gespräch, erklärt Jung. Im Moment stelle dies kein Problem dar. Er unterstreicht: „Es ist definitiv, dass wir weiterhin operieren können, auch über das Jahr 2020 hinaus. Wir haben alles auf dem Schirm“, zeigt er sich sehr zuversichtlich. Nach dem Weggang von Sana müsste die Praxisklinik sich ein eigenes Netzwerk installieren, bestätigt er. Der technische und finanzielle Aufwand sei größer als erwartet, die Sicherheit weiterhin gewährleistet.
„Wir fordern eine sachliche, zielorientierte und professionelle Vorgehensweise. Politische Verantwortung statt gekränkter Eitelkeit sollten das Klima zur Schaffung ablösender
Strukturen in Riedlingen dominieren“, hält die BI mit Christoph Selg und Axel Henle an der Spitze fest. Sie will mehr als Absichtserklärungen und verweist auf andere Landkreise, die dazu bereits Strategien entwickelt hätten. Daran habe sich der Landrat zu messen. Sie verlangen von ihm, seine Rolle als „Geschäftspartner von Sana aufzugeben und eine aktive Rolle als verantwortungsbewusster Landrat einzunehmen“. Was für die BI klar ist: Von Sana habe man nichts zu erwarten.
Die BI warnt davor, das Thema Altbau/Neubau vor der Sicherung der Leistungen am Standort zum Thema zu machen. Zuerst müssten die dringenden Probleme gelöst werden. Erst dann machten mittel- und langfristige Planungen Sinn.
Die Antwort des Landratsamtes zur erbetenen Perspektive ist allgemein: „Die weitere Vorgehensweise des Landkreises zur Etablierung ambulanter medizinischer Strukturen in Riedlingen diskutieren wir zunächst mit den Kreistagsmitgliedern.“Sie seien die gewählten Vertreter und „haben den gesamten Landkreis im Blick“, so Schwarzendorfer. Als Landkreisverwaltung werde man dazu „in den nächsten Wochen“einen ausgewogenen, sachlich und rechtlich vertretbaren Vorschlag erarbeiten.
Keine Auskunft – weil nicht öffentlich getagt wurde – gibt es seitens der Stadt und des Landkreises über das Ergebnis der Arbeitskreissitzung, die der Kreistag in seiner Sitzung am 13. November verlangt hat. Die Stadt hatte dazu federführend einzuladen. Daran zu beteiligen waren neben ihr der Landkreis, Sana, die Sankt Elisabeth-Stiftung und die Fraktionsvorsitzenden des Kreistags. Riedlingen hatte noch die Fraktionsvorsitzenden des Gemeinderats eingebunden. Aufgetragen war ihm, ein „Konzept für tragfähige ambulante Strukturen zu konkretisieren“. Deren Erstellung wird von der Stadt erwartet. Was auch in dem Beschluss steht: „Die (Landkreis)Verwaltung wird aufgefordert, die Stadt Riedlingen bei der Schaffung von Rahmenbedingungen zur Aufrechterhaltung und Sicherung ambulanter Strukturen zu unterstützen“.
Im ersten Quartal dieses Jahres sollte dem Kreistag über den Sachstand berichtet werden. Der Termin für die nächste Sitzung des Kreistags steht allerdings – auch wegen Corona – noch nicht fest.
Zu dem seit Kurzem im Entwurf vorliegenden Gutachten zum Neubau eines Ärztehauses in Riedlingen vermerkt Schwarzendorfer, es werde im Moment von der Landkreisverwaltung geprüft und bewertet. Danach müssten die Gespräche mit dem Arbeitskreis und den darin Beteiligten geführt werden. Daraus ergebe sich eine Entscheidungsgrundlage für die Stadt als Verantwortliche für das Ärztehaus und den Kreis. Dies entspreche dem Kreistagsbeschluss. Man lasse sich dabei sicherlich nicht von der Bürgerinitiative treiben „oder gar in eine Ecke drängen“.
Nicht zum ersten Mal vergleicht die Bürgerinitiative die personelle Ausstattung von benachbarten Kliniken und stellt dabei fest, dass im Landkreis Biberach 1,78 Betten pro tausend Einwohner zur Verfügung stehen und 4,89 Mitarbeiter, während im angrenzenden Landkreis Sigmaringen 10,75 Personen pro Tausend vorgehalten werden und das bei einer mehr als doppelt so hohen Bettenzahl. Auch Reutlingen (7,86) und Ravensburg (9,32) seien besser versorgt. In versöhnlichem Ton wird hier Landrat Schmid „gebeten“, seine Strategie offen zu legen, um im Ernstfall die Personalressourcen, die von Sana extrem verringert worden seien, zu erweitern. Die BI sieht in einer Kooperation beispielsweise mit dem „vorausschauend planenden“Landkreis Sigmaringen und den SRH-Kliniken für den westlichen Landkreis eine Option. Klar ist hierzu die Stellungnahme des Landratsamtes: „Es obliegt der Geschäftsführung, die Personalausstattung festzulegen. Der Landkreis als Gesellschafter hat auf diesen operativen Geschäftsgang keinen Einfluss.“