Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Beim Bau des Militärflugplatzes galt die Devise „Täuschen und Tarnen“
Das Ende kam 1945 mit alliierten Luftangriffen – Einige Gebäude sind erhalten und werden auch heute noch genutzt
GMIETINGEN - Nähert man sich von Baltringen auf der Kreisstraße Mietingen, fällt der Blick auf Gebäude, die so gar nicht ins Bild passen. Man sieht ihnen auch nicht an, welche Funktion sie einst hatten. Ein Schild liefert jedoch Hinweise: „Zum alten Flugplatz“heißt es da.
Am meisten ragt das Gebäude hervor, in dem die Zimmerei Rodi ihre Werkstatt, Büroräume und eine Wohnung hat. In diesem Haus wurden einst Flugzeuge gewartet. Wo heute die Firma Betonsanierung Weber ihren Sitz hat, befanden sich einst Funkräume, im Kellergeschoss Schutzräume. Erhalten ist auch noch das Haus der Flugplatzfeuerwehr. Es wurde in den Nachkriegsjahren in ein Wohngebäude umgewandelt. Nichts deutet heute bei all diesen Bauten auf die frühere Funktion hin.
Man ahnt nicht, welch hektischer Betrieb einst herrschte auf dem abseits gelegenen Gelände. Rund 1000 überwiegend junge Männer tummelten sich hier in den Kriegsjahren und auch schon davor. Das waren genauso viele Menschen wie Mietingen damals Einwohner hatte. Diese Männer hatten hier ihre Unterkünfte. Es waren keine massiven Bauwerke wie die oben genannten, sondern Baracken, elf an der Zahl. Nur eine existiert noch. Sie wurde versetzt auf den Aussiedlerhof Reinalter und diente lange Jahre als Hühnerstall. Dem Erdboden gleichgemacht sind längst die Munitionsbunker, die in der Umgebung untergebracht waren.
Adolf Hitler war noch kaum ein Jahr im Amt, da wurden die ersten Schritte für den Militärflugplatz in die Wege geleitet. Diese Vorbereitungen liefen unter dem Motto „Täuschen und Tarnen“. Die Rede war zunächst von einem „Reichsgutshof“, der auf den Gemarkungen von Mietingen, Baltringen und Baustetten unmittelbar vor den Toren Mietingens entstehen sollte. Die Flächen sollten von den Landwirten der genannten Gemeinden gepachtet werden. 75 Hektar guten Ackerlands kamen so zusammen. Vor allem Landwirte aus Mietingen (64) mussten mehr oder weniger freiwillig ihre Grundstücke gegen Pachtzahlungen opfern. 19 Landwirte aus Baltringen und fünf aus Baustetten waren ebenfalls betroffen. Als Pächter trat die „Deutsche Luftverkehrs- und Handelsgesellschaft“auf den Plan. Die Landwirte mussten akzeptieren, dass auf ihren Flächen auch massive Bauten errichtet wurden.
Nachdem im Dezember 1934 die Pachtverträge unter Dach und Fach waren, ging es an die Vorbereitungen zum Bau eines „Feldflugplatzes“. Die heute noch bestehenden massiven Bauten wurden hochgezogen, Startund Landebahn sowie Stellflächen für die Flugzeuge mit Kalksteinen befestigt. Baracken wurden errichtet und ein Stück Gleis für die Reichsbahn-Tankwagen gelegt. Ein 180 Mann starker Luftwaffen-Bautrupp setzte die geplanten Bauvorhaben um. Rechtzeitig zu Kriegsbeginn war der „Feldflugplatz Freifeld“im August 1939 so weit hergestellt, dass er seinem Zweck dienen konnte.
Der Flugplatz erlebte hinsichtlich der Nutzung zwei Phasen. In einer ersten Phase gingen hier Maschinen für den Krieg gegen Frankreich in die Luft. Diese Episode hatte eine Dauer von etwa einem Jahr bis Juni 1940. Es kehrte sodann Ruhe auf dem Platz ein. Gut ein Jahr später, im Oktober 1941, wurde die zweite Phase eingeläutet. Die Einrichtungen dienten nun der Ausbildung angehender Flugzeugführer. Diese hatte eine Dauer von etwa sechs Wochen und umfasste 30 bis 40 Flugschüler. Jeder Fluglehrer hatte drei bis fünf Pilotenanwärter unter seinen Fittichen.
Das Aus für den Flugplatz kam am 29. März 1945. Die verbliebenen Soldaten brachen ihre
Zelte ab und zogen weiter in die Gegend von Nürnberg. Voraufgegangen waren zahlreiche Luftangriffe. Am 24. Juli 1944 waren 143 US-Maschinen in Oberschwaben im Einsatz, der nächste Angriff auf den Flugplatz erfolgte etwa einen Monat später. Etliche Flugzeuge wurden dabei am Boden zerstört, 1000 Liter Treibstoff liefen aus und gelangten ins Erdreich.
Die Zeit, in der der Flugplatz in Betrieb war, war begleitet von zahlreichen Abstürzen. Der spektakulärste ereignete sich im Januar 1945. Vier Mann Besatzung kamen bei einem Angriff in der Umgebung von Gutenzell durch alliierte Jäger ums Leben.
Bei Kriegsende bediente sich die Bevölkerung ringsum an den von der Luftwaffe hinterlassenen Gegenständen: Teller, Tassen, Besteck und Möbelstücke fanden neue Besitzer. Auf etwas anderes hatte es der Jäger Georg Schaich aus Baltringen abgesehen. Seine Tochter Ida erinnert sich noch heute: „Mein Vater hatte sich auf dem Fahrrad zusammen mit einem Nachbarn auf den Weg gemacht zum Flugplatz, um zu schauen, ob für ihn etwas Brauchbares dabei sei. Und er wurde fündig. Er füllte seinen Rucksack mit Patronen und verschmähte auch den herumstehenden Schnaps nicht. Als er zurück wollte, musste er feststellen, dass sein Fahrrad gestohlen war. Zu Fuß musste er den Weg nach Baltringen antreten. Der Schnaps tat seine Wirkung. Schwankend ist er zu Hause angekommen. In diesem Zustand grüßte er die Soldaten im Hof mit ,Heil Hitler’,
eine Grußformel, die er im nüchternen Zustand stets vermied. Gerade ausgesprochen, erkannte er, dass er französische Soldaten vor sich hatte, und er ergänzte geistesgegenwärtig seine Worte mit ,kaputt’. Doch die Soldaten waren erzürnt über seinen Gruß und wollten ihn festnehmen. Da vermittelte eine perfekt Französisch sprechende Frau aus dem Saarland, die auf dem Hof Schaich Zuflucht gefunden hatte. Ihre Worte besänftigten die Soldaten und verordneten dem Betrunkenen Bettruhe. Den Rucksack voller Munition kontrollierten sie nicht. Der Vater hätte sonst sein Leben verwirkt.“
Schon bald nach Kriegsende bewirtschafteten die Bauern ihre Flächen des Flugplatzes aufs Neue. Die Baracken dienten jetzt als Unterkünfte für Flüchtlinge und Vertriebene – eine Folge des von Hitler ausgelösten Weltkrieges. Die leerstehenden Gebäude nutzte zunächst die Brillenfirma „Brucks“(1948 - 1953), danach die Firma Faber (1953 - 1963). Um das Jahr 2000 trennte sich die Bundesrepublik von ihrer Erbschaft und verkaufte ihre Gebäude an die heutigen Nutzer.
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