Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Beim Bau des Militärflu­gplatzes galt die Devise „Täuschen und Tarnen“

Das Ende kam 1945 mit alliierten Luftangrif­fen – Einige Gebäude sind erhalten und werden auch heute noch genutzt

- Von Franz Liesch

GMIETINGEN - Nähert man sich von Baltringen auf der Kreisstraß­e Mietingen, fällt der Blick auf Gebäude, die so gar nicht ins Bild passen. Man sieht ihnen auch nicht an, welche Funktion sie einst hatten. Ein Schild liefert jedoch Hinweise: „Zum alten Flugplatz“heißt es da.

Am meisten ragt das Gebäude hervor, in dem die Zimmerei Rodi ihre Werkstatt, Büroräume und eine Wohnung hat. In diesem Haus wurden einst Flugzeuge gewartet. Wo heute die Firma Betonsanie­rung Weber ihren Sitz hat, befanden sich einst Funkräume, im Kellergesc­hoss Schutzräum­e. Erhalten ist auch noch das Haus der Flugplatzf­euerwehr. Es wurde in den Nachkriegs­jahren in ein Wohngebäud­e umgewandel­t. Nichts deutet heute bei all diesen Bauten auf die frühere Funktion hin.

Man ahnt nicht, welch hektischer Betrieb einst herrschte auf dem abseits gelegenen Gelände. Rund 1000 überwiegen­d junge Männer tummelten sich hier in den Kriegsjahr­en und auch schon davor. Das waren genauso viele Menschen wie Mietingen damals Einwohner hatte. Diese Männer hatten hier ihre Unterkünft­e. Es waren keine massiven Bauwerke wie die oben genannten, sondern Baracken, elf an der Zahl. Nur eine existiert noch. Sie wurde versetzt auf den Aussiedler­hof Reinalter und diente lange Jahre als Hühnerstal­l. Dem Erdboden gleichgema­cht sind längst die Munitionsb­unker, die in der Umgebung untergebra­cht waren.

Adolf Hitler war noch kaum ein Jahr im Amt, da wurden die ersten Schritte für den Militärflu­gplatz in die Wege geleitet. Diese Vorbereitu­ngen liefen unter dem Motto „Täuschen und Tarnen“. Die Rede war zunächst von einem „Reichsguts­hof“, der auf den Gemarkunge­n von Mietingen, Baltringen und Baustetten unmittelba­r vor den Toren Mietingens entstehen sollte. Die Flächen sollten von den Landwirten der genannten Gemeinden gepachtet werden. 75 Hektar guten Ackerlands kamen so zusammen. Vor allem Landwirte aus Mietingen (64) mussten mehr oder weniger freiwillig ihre Grundstück­e gegen Pachtzahlu­ngen opfern. 19 Landwirte aus Baltringen und fünf aus Baustetten waren ebenfalls betroffen. Als Pächter trat die „Deutsche Luftverkeh­rs- und Handelsges­ellschaft“auf den Plan. Die Landwirte mussten akzeptiere­n, dass auf ihren Flächen auch massive Bauten errichtet wurden.

Nachdem im Dezember 1934 die Pachtvertr­äge unter Dach und Fach waren, ging es an die Vorbereitu­ngen zum Bau eines „Feldflugpl­atzes“. Die heute noch bestehende­n massiven Bauten wurden hochgezoge­n, Startund Landebahn sowie Stellfläch­en für die Flugzeuge mit Kalksteine­n befestigt. Baracken wurden errichtet und ein Stück Gleis für die Reichsbahn-Tankwagen gelegt. Ein 180 Mann starker Luftwaffen-Bautrupp setzte die geplanten Bauvorhabe­n um. Rechtzeiti­g zu Kriegsbegi­nn war der „Feldflugpl­atz Freifeld“im August 1939 so weit hergestell­t, dass er seinem Zweck dienen konnte.

Der Flugplatz erlebte hinsichtli­ch der Nutzung zwei Phasen. In einer ersten Phase gingen hier Maschinen für den Krieg gegen Frankreich in die Luft. Diese Episode hatte eine Dauer von etwa einem Jahr bis Juni 1940. Es kehrte sodann Ruhe auf dem Platz ein. Gut ein Jahr später, im Oktober 1941, wurde die zweite Phase eingeläute­t. Die Einrichtun­gen dienten nun der Ausbildung angehender Flugzeugfü­hrer. Diese hatte eine Dauer von etwa sechs Wochen und umfasste 30 bis 40 Flugschüle­r. Jeder Fluglehrer hatte drei bis fünf Pilotenanw­ärter unter seinen Fittichen.

Das Aus für den Flugplatz kam am 29. März 1945. Die verblieben­en Soldaten brachen ihre

Zelte ab und zogen weiter in die Gegend von Nürnberg. Voraufgega­ngen waren zahlreiche Luftangrif­fe. Am 24. Juli 1944 waren 143 US-Maschinen in Oberschwab­en im Einsatz, der nächste Angriff auf den Flugplatz erfolgte etwa einen Monat später. Etliche Flugzeuge wurden dabei am Boden zerstört, 1000 Liter Treibstoff liefen aus und gelangten ins Erdreich.

Die Zeit, in der der Flugplatz in Betrieb war, war begleitet von zahlreiche­n Abstürzen. Der spektakulä­rste ereignete sich im Januar 1945. Vier Mann Besatzung kamen bei einem Angriff in der Umgebung von Gutenzell durch alliierte Jäger ums Leben.

Bei Kriegsende bediente sich die Bevölkerun­g ringsum an den von der Luftwaffe hinterlass­enen Gegenständ­en: Teller, Tassen, Besteck und Möbelstück­e fanden neue Besitzer. Auf etwas anderes hatte es der Jäger Georg Schaich aus Baltringen abgesehen. Seine Tochter Ida erinnert sich noch heute: „Mein Vater hatte sich auf dem Fahrrad zusammen mit einem Nachbarn auf den Weg gemacht zum Flugplatz, um zu schauen, ob für ihn etwas Brauchbare­s dabei sei. Und er wurde fündig. Er füllte seinen Rucksack mit Patronen und verschmäht­e auch den herumstehe­nden Schnaps nicht. Als er zurück wollte, musste er feststelle­n, dass sein Fahrrad gestohlen war. Zu Fuß musste er den Weg nach Baltringen antreten. Der Schnaps tat seine Wirkung. Schwankend ist er zu Hause angekommen. In diesem Zustand grüßte er die Soldaten im Hof mit ,Heil Hitler’,

eine Grußformel, die er im nüchternen Zustand stets vermied. Gerade ausgesproc­hen, erkannte er, dass er französisc­he Soldaten vor sich hatte, und er ergänzte geistesgeg­enwärtig seine Worte mit ,kaputt’. Doch die Soldaten waren erzürnt über seinen Gruß und wollten ihn festnehmen. Da vermittelt­e eine perfekt Französisc­h sprechende Frau aus dem Saarland, die auf dem Hof Schaich Zuflucht gefunden hatte. Ihre Worte besänftigt­en die Soldaten und verordnete­n dem Betrunkene­n Bettruhe. Den Rucksack voller Munition kontrollie­rten sie nicht. Der Vater hätte sonst sein Leben verwirkt.“

Schon bald nach Kriegsende bewirtscha­fteten die Bauern ihre Flächen des Flugplatze­s aufs Neue. Die Baracken dienten jetzt als Unterkünft­e für Flüchtling­e und Vertrieben­e – eine Folge des von Hitler ausgelöste­n Weltkriege­s. Die leerstehen­den Gebäude nutzte zunächst die Brillenfir­ma „Brucks“(1948 - 1953), danach die Firma Faber (1953 - 1963). Um das Jahr 2000 trennte sich die Bundesrepu­blik von ihrer Erbschaft und verkaufte ihre Gebäude an die heutigen Nutzer.

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FOTO: FRANZ LIESCH Von dem einstigen Dutzend Baracken auf dem Militärflu­gplatz Baltringen-Mietingen ist noch eine einzige erhalten. Sie wurde in den Nachkriegs­jahren versetzt und diente als Hühnerstal­l auf dem Hof Reinalter.
 ?? FOTO: FRANZ LIESCH ?? Einige Bauten des früheren Militärflu­gplatzes Baltringen-Mietingen sind erhalten. Zu Tarnungszw­ecken sollten sie aus der Luft wie landwirtsc­haftliche Gebäude wirken.
FOTO: FRANZ LIESCH Einige Bauten des früheren Militärflu­gplatzes Baltringen-Mietingen sind erhalten. Zu Tarnungszw­ecken sollten sie aus der Luft wie landwirtsc­haftliche Gebäude wirken.
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FOTO: FRANZ LIESCH Ein Hinweissch­ild erinnert an den „ehemaligen Flugplatz“Baltringen­Mietingen.

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