Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Kein Leben riskieren
Der Neustart des Fußballs kommt nur, wenn die DFL über begehrte Tests verfügen kann
GFRANKFURT (SID/dpa) - Während die Clubs schon wieder in Kleingruppen gegen den Ball treten, schmiedet die Deutsche Fußball Liga DFL im Hintergrund eifrig am Plan für „Tag X“. Die Vorbereitungen für eine Wiederaufnahme der Bundesligasaison laufen auf Hochtouren – es bleibt aber ein Glücksspiel. „Wir haben es nicht in der Hand“, sagte DFL-Boss Christian Seifert der „Zeit“und beschrieb das Dilemma des Profifußballs im angeblichen Kampf um die Existenz. Soll es mit dem geplanten Restart im Mai klappen, braucht es ein positives Signal aus der Politik.
Am Mittwoch berät Kanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten über mögliche Lockerungen der Corona-Restriktionen – danach werden auch die Leitplanken für den Fußball präziser gesteckt sein. Doch schon jetzt mehren sich die kritischen Stimmen, die vor einem zu frühen Wiederbeginn des bis 30. April unterbrochenen Spielbetriebs in der Bundesliga und der 2. Liga warnen.
„Ich persönlich denke, dass es im Herbst wieder losgehen kann“, sagte SPD-Politiker und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach im „Doppelpass“bei Sport1, ein verfrühter Einstieg wäre „ein Eigentor“. Mitentscheidend werden die notwendigen CoronaTestverfahren sein, ohne die selbst Geisterspiele nicht machbar sind.
Für den Sportphilosophen Gunter Gebauer ist exakt dies die „Achillesferse“im ambitionierten DFL-Plan, da Deutschland laut des 76-Jährigen aus Mangel an Reagenzien maximal mit 700 000 Tests pro Monat rechnen könne. „Wenn nun 20 000 Tests benötigt werden, allein um die BundesligaSaison mit Geisterspielen zu Ende zu bringen, ist das eine Menge angesichts der vielen gefährdeten Menschen, die diese Tests dringend benötigen“, sagte Gebauer dem Sport-InformationsDienst und fügte an: „Ich halte das für unverhältnismäßig.“
Damit dürfte er nicht der Einzige sein angesichts der enormen Nöte derzeit – und in einer Gesellschaft, in der sich nur ein Viertel der Menschen als Fußball-Anhänger bezeichnet. Allerdings vermeldete das Robert-KochInstitut zuletzt stetig steigende Zahlen bei den Testungen. Und in Berlin wurden die möglichen Laborkapazitäten laut Medienberichten zuletzt nicht einmal ausgeschöpft – ein Hoffnungsschimmer für den Fußball.
Die Situation für die DFL ist jedenfalls verzwickt. „Kein Spiel, kein Wettbewerb, keine Liga ist es wert, auch nur ein einziges Menschenleben zu riskieren“, warnte gar FIFA-Boss Gianni Infantino. Auf der anderen Seite stehen angeblich 13 deutsche Proficlubs in den obersten beiden Ligen, die von der Insolvenz bedroht sind. Überlebenswichtig wäre daher ein Restart mit „Geisterspielen“.
Eine andere Möglichkeit wäre, dass die Spieler freiwillig auf das Gros ihres Gehalts verzichten – was angesichts der Nöte ihrer Arbeitgeber moralisch naheliegend wäre. Schließlich absolvieren sie in jener Zeit ja auch keine Spiele, die ja die Kernaufgabe ihrer Arbeit sind – und auf die ihre exorbitanten Löhne basieren. Dabei müssten allerdings die Spielerberater mitmachen. Die allerdings sind vielleicht das größte Problem des zeitgenössischen Fußballs überhaupt. Etwa 25 Prozent des im Fußball zirkulierenden Geldes weltweit fließen in die Taschen von teils mehr als zwielichtigen Beratern und Spielermanagern. Eine Branche, die in manchen Ländern der Welt teils mafiöse Züge hat.
Gebannt richtet der deutsche Fußball in jedem Fall am Mittwoch den Blick nach Berlin. Wie auch immer die weiteren Maßnahmen der Politik gegen die Pandemie lauten mögen, der Fußball wird sich danach richten müssen. „Wenn die Politik vorgibt, dass es nicht geht, darf es keine Diskussionen geben“, sagte Sportvorstand Rouven Schröder vom FSV Mainz 05. DFLChef Seifert gab sich demütig: „Natürlich darf nicht der Eindruck entstehen, der Fußball ignoriere in seiner Selbstbezogenheit die Realität.“
Am Freitag treffen sich die Bosse der 36 Proficlubs zur nächsten DFLMitgliederversammlung und klären das weitere Vorgehen ab. Fragen gibt es viele, sie reichen von Gesundheitsaspekten über die Auswahl von Spielorten bis hin zu nötigen Sicherheitsvorkehrungen für einen möglichen
„Ich glaube nicht, dass es möglich ist, die Champions League abzuschließen.“Lucas Hernandez
Wiederbeginn. Damit die Fans brav zu Hause bleiben, am Fernseher.
Weltmeister und Rekord-Bundesligaeinkauf Lucas Hernandez vom FC Bayern glaubt derweil nicht daran, dass die Champions League zu Ende gespielt werden kann. Das sagte der Franzose der „L'Équipe“. „Man muss Realist sein. Ich glaube nicht, dass es möglich ist, die Champions League abzuschließen, vor allem wenn man die Ligen vorzieht.“Der 24-Jährige gab zu bedenken, dass alle Länder unter dem Virus leiden. „Es wird schwer, dass alle gleichzeitig loslegen können, dass alle gleich fit sind oder dass man einfach nur Kontakt haben und nach Italien, Spanien, England oder Frankreich reisen darf.“
Hernandez sagte, er habe „ein unglaubliches Verlangen nach dem Ball. Aber das hat jetzt keine Priorität, auch wenn mir der Fußball furchtbar fehlt. Das ist meine Leidenschaft, mein Job.“Das alles und der Fußball an sich aber sei „in diesen Zeiten nebensächlich“.