Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Die Top-Gun-Frage
Airbus kritisiert Plan Kramp-Karrenbauers, US-Jets als Tornado-Nachfolger zu kaufen
GRAVENSBURG/BERLIN - Für die europäische und die deutsche Verteidigungsindustrie gehört die TornadoNachfolge zu den wichtigsten Fragen der Zukunft. Es geht darum, ob die in die Jahre gekommenen Kampfflugzeuge durch US-Jets oder durch europäische Eurofighter ersetzt werden. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer strebt nun eine Kombination an: Die CDUPolitikerin will 93 Eurofighter und 45 F-18-Jets des amerikanischen Konzerns kaufen, was vor allem beim europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus für Kopfschütteln sorgt. „Eine Split-Lösung mit Beschaffung der F 18 liegt grundsätzlich nicht im Interesse der deutschen Verteidgungsindustrie und stellt somit nicht die präferierte Lösung für die Tornado-Nachfolge dar“, sagte ein Sprecher der Airbus-Rüstungssparte der „Schwäbischen Zeitung“.
Hintergrund ist, dass es, nach Informationen aus Branchenkreisen, nicht um die Neubestellung von 93 Eurofightern als Ersatz für die Tornados geht, sondern 38 Flugzeuge die ersten von der Bundeswehr Anfang der 2000er-Jahre in Betrieb genommenen Eurofighter ersetzen sollen. Dazu kommen 40 echte Neubestellungen und 15 Jets, für die es lediglich eine Voranfrage gebe. Nach Angaben von Verteidigungsexperten steht damit eine Bestellung von 45 US-Jets ohne Wertschöpfung in Europa nur eine Bestellung von 40 Eurofightern gegenüber. Für eine „bruchfreie Auslastung der deutschen EurofighterProduktionsund Entwicklungskapazität“und einen Fortbestand der Zulieferkette fordert Airbus deshalb eine feste Bestellung von 93 Eurofightern noch in dieser Legislatur, ein Vorziehen der Eurofighter-Bestellungen vor dem Kauf von F 18 sowie die Weiterentwicklung des Eurofighters als Teil des von Deutschland und Frankreich geplanten „Luftkampfsystem der Zukunft“(FCAS) mit Kampffliegern, vernetzten Drohnen und Satelliten. Airbus wünscht sich, dass Deutschland für jede F 18 zwei Eurofighter anschafft, wie der Airbus-Sprecher weiter erklärte.
Auch der Betriebsrat des Unternehmens sieht die Pläne Kramp-Karrenbauers kritisch. „Wir bedauern die Entscheidung der Ministerin, denn in diesen schwierigen Zeiten würden wir uns ein klares Bekenntnis zu Airbus und allen Zulieferern wünschen“, sagte Christian Birkhofer,
stellvertretender Gesamtbetriebsratschef der Airbus-Rüstungssparte, der „Schwäbischen Zeitung“. Erst im März hatten sich die Arbeitnehmervertreter von Airbus zusammen mit ihren Betriebsratskollegen der Rüstungsunternehmen Hensoldt Sensors, MTU Aero Engines und Premium Aerotec sowie der IG Metall an die Verteidigungsministerin gewandt. „25 000 Arbeitsplätze in Deutschland und 100 000 Arbeitsplätze in Europa sind allein von der Entwicklung und Fertigung des Eurofighters abhängig.“Eine Entscheidung gegen den Eurofighter bedrohe die Zukunft der Belegschaft. „Der Kauf der F 18 würde nicht nur deutsches Steuergeld in Milliardenhöhe in die USA fließen lassen, sondern gleichzeitig die Zukunft der militärischen Luft- und Raumfahrt in Deutschland gefährden“, heißt es in dem Brief. Die Unterzeichner beziehen sich in ihrem Schreiben auch auf das Milliardenprojekt FCAS. Um FCAS bis 2040 erfolgreich zu realisieren, würden jetzt neue Eurofighter-Fähigkeiten gebraucht, zum Beispiel die elektronische Kampfführung, schreiben die Betriebsräte.
Kramp-Karrenbauer hat am Mittwoch ihren Vorstoß vor dem Verteidigungsausschuss des Bundestags verteidigt. Der Vorschlag sei ein Kompromiss. Er garantiere den Erhalt von industriepolitischen Fähigkeiten in Deutschland und Europa und bilde eine Brücke in die Zukunftstechnologie FCAS. „Deswegen kann ich diesen Vorschlag auch wirklich voller Überzeugung vorlegen“, sagte sie. Die F 18 soll für einen Teil der Aufgaben des Tornado beschafft werden wie den elektronischen Luftkampf sowie die „Nukleare Teilhabe“Deutschlands an US-Waffen. Das Abschreckungskonzept der Nato sieht vor, dass Verbündete Zugriff auf US-Atomwaffen haben.
Von den 45 F-18-Jets sind 30 Flugzeuge für das Tragen von Atombomben und 15 für den elektronischen Kampf bestimmt. Aus Sicht von Airbus könnte allerdings auch der Eurofighter mit den notwendigen Systemen ausgerüstet werden – zumindest im Hinblick auf den elektronischen Kampf. „Für das Thema gibt es absolut kein Argument, ein US-Flugzeug zu kaufen, denn man könnte diese Fähigkeit auch auf den Eurofighter
bringen und muss das ohnehin tun, um ihn für FCAS nutzen zu können“, sagte der Airbus-Sprecher. Und auch die Fähigkeit, Atombomben zu tragen, spricht nicht unbedingt für den US-Jet, denn auch der F-18-Bomber ist noch nicht für den Einsatz von Atomwaffen zertifiziert. Nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“aus Branchenkreisen hat das Verteidigungsministerium bei der US-Regierung nachgefragt, ob der Eurofighter und die F 18 für solche Einsätze zertifiziert werden können. Die Antwort lautete, dass das für beide Jets möglich sei – die Zertifizierung beim Eurofighter allerdings wesentlich schneller gehe.
Lob für Kramp-Karrenbauer kam von der US-Botschaft.„Wir stimmen mit Verteidigungsministerin KrampKarrenbauers Entscheidung überein, den Tornado dringend nach dem neuesten Stand der Technik zu ersetzen, um Erfordernisse der Nato und deutsche Bündnisverpflichtungen zu erfüllen“, hieß es in einer Erklärung. Die Freude ist verständlich: Deutsche Steuergelder stützen auf diese Weise den strauchelnden US-Konzern Boeing.