Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Trotz Corona nicht alles Käse
Allgäuer Traditionsunternehmen Hochland setzt auf Wachstum und Nachhaltigkeit
GRAVENSBURG - Der Boom währte nur kurz. Während gerade zu Beginn der Corona-Krise die Nachfrage bestimmter Artikel wie Klopapier, Mehl und Milchprodukte enorm anstieg, haben sich die Verkaufszahlen mittlerweile wieder auf einem Normalmaß eingependelt. Das musste auch der Allgäuer Käsehersteller Hochland feststellen, der seine Produktion im März und April zeitweise sogar hochgefahren hatte. Ein großer Grund zur Freude waren die guten Ergebnisse im Einzelhandel aber sowieso nie. Das Problem: Durch die coronabedingte Schließung der Gastronomie und den temporären Wegfall von Großabnehmern in der Lebensmittelindustrie ist für Hochland ein Absatzloch entstanden, das die guten Verkaufszahlen in den Supermärkten bei weitem nicht stopfen können.
Allein im Bereich Foodservice, also der Belieferung von Gastronomie und Ketten wie McDonald’s sowie der Lebensmittelindustrie, rechnet das Unternehmen mit Umsatzeinbußen von 30 bis 40 Prozent – und das in jenem Geschäftsfeld, in dem Hochland in den vergangenen Jahren am stärksten gewachsen ist. Abhängig vom weiteren Verlauf der Pandemie und davon, wann Restaurants wieder öffnen dürfen, rechnet Hochland beim Gesamtumsatz für das Jahr 2020 mit einem Minus von fünf bis 15 Prozent, wie Marketingvorstand Thomas Brunner am Dienstag bei einer virtuellen Pressekonferenz erklärte.
Leidtragende der aktuellen Situation sind auch die Landwirte. Da die Absätze aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen deutlich zurückgegangen sind, gibt es derzeit mehr Angebot als Nachfrage. „Es ist zu viel Milch am Markt“, sagte der Vorstandsvorsitzende von Hochland, Peter Stahl. Das führe dazu, dass einige Molkereien ihre Lieferanten bereits aufgefordert haben, die Milchproduktion zu reduzieren. Auch gehe die Tendenz dahin, dass der Milchpreis, den die Landwirte erhalten, sinken wird, erklärte Stahl die allgemeine Situation am Markt ohne speziell auf die eigenen Lieferanten einzugehen.
Bei Hochland selbst sind die Verantwortlichen trotz der vermeintlichen Verluste noch relativ entspannt. Das liegt vor allem an der zuletzt guten Entwicklung der Gruppe, die für Marken wie Hochland, Grünländer, Almette und Patros bekannt ist. 2019 hat die 1927 gegründete Käserei, die heute in vierter Generation im Eigentum von drei Familien ist, im siebten Jahr in Folge einen neuen Rekord beim Absatz (378 000 Tonnen, plus vier Prozent) und Umsatz (1,6 Milliarden Euro, plus sieben Prozent) aufgestellt und dabei einen operativen Gewinn von rund 80 Millionen Euro erwirtschaftet. Trotz einiger größerer Investitionen beträgt das Eigenkapital der Firma zudem noch immer mehr als 62 Prozent. „Damit sind wir sehr solide aufgestellt und vorbereitet für Krisen, wie wir sie aktuell haben“, sagte der kaufmännische Vorstand Hubert Staub.
Der Käsehersteller mit seinen mittlerweile 5200 Mitarbeitern weicht deshalb auch nicht von seinem Plan ab, weiter zu wachsen. Das Potenzial dazu sieht das Allgäuer Traditionsunternehmen vor allem in den USA (Stahl: „Das ist ein gigantischer Markt) und in Osteuropa („In Russland haben wir das Potenzial noch nicht voll ausgeschöpft.“). Bereits im vergangenen Jahr ist die HochlandGruppe dort am stärksten gewachsen, in Russland ist der deutsche Käsehersteller laut eigenen Angaben mittlerweile gar der klare Marktführer. Der Umsatz in den sogenannten „Drittländern“, also allen Absatzmärkten außerhalb der EU, hat im vergangenen Jahr bereits mehr als 32 Prozent des Gesamtumsatzes ausgemacht. Der Absatzmarkt Deutschland, der im vergangenen Jahr mit 36 Prozent des Gesamtumsatzes nach wir vor den größten Teil beisteuerte, sei hingegen weitgehend ausgeschöpft.
Dennoch will Hochland auch seine Standorte in Deutschland weiter stärken. Sowohl im Werk Schongau als auch am Hauptsitz in Heimenkirch sind in den nächsten Jahren große Investitionen für Erweiterungen und Modernisierungen eingeplant. So soll in Heimenkirch möglichst schnell eine neue Montagehalle für die konzerneigene Maschinenbaufabrik Natec entstehen. Außerdem sind der Ausbau eines Verwaltungsgebäudes und der Bau eines größeren Hochregallagers und eines Parkhauses mit 800 Stellplätzen geplant. Für diesen Ausbau des Heimatstandorts will Hochland in den nächsten Jahren rund 50 Millionen Euro investieren. „Wir wollen heute schon die Voraussetzungen für die Herausforderungen von morgen schaffen“, sagte HochlandChef Peter Stahl.
Neben Wachstum spielt für den Käsehersteller auch Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle. Nach eigenen Angaben betreibt das Unternehmen seine Produktionsstätten mittlerweile zu 100 Prozent mit Ökostrom, zum Ausgleich des CO kümmert sich Hochland im Rahmen des Programms „Plant for the planet“um die Planung neuer Bäume. Seit 2017 bezieht die Käserei nur noch Milch von Landwirten, die auf gentechnisch verändertes Futter verzichten. In der vergangenen Woche gab das Unternehmen schließlich bekannt, dass die Milchlieferanten vom 1. Juli an nur noch Futter aus Europa und nicht mehr aus Übersee an ihre Tiere verfüttern werden. „Nachhaltigkeit ist eine unglaubliche Leidenschaft und unsere tiefe Überzeugung“, sagte Stahl. „Das wird mit Sicherheit nicht der letzte Schritt in diese Richtung sein.“
Vorerst geht es aber für Hochland darum, die Corona-Krise möglichst schadfrei zu überstehen. Zumindest der Vorstandsvorsitzende ist dahingehend zuversichtlich. „Unvorhergesehene Schwierigkeiten gibt es immer“, sagte Stahl. „Ich hoffe, schon im nächsten Jahr wird Corona nicht mehr die große Rolle spielen.“Hochland selbst will hingegen eine immer größere Rolle auf dem Weltmarkt spielen.