Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Der wohl größte Rettungswagen der Welt
DRK Ulm: In 30 Tagen wird ein Bus für den Transport von vier Intensivpatienten umgebaut
GULM - Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) Ulm verfügt über einen umgebauten Bus, der vermutlich der größte Intensivtransportwagen weltweit ist. Aus einer spontanen Idee war in nur 30 Tagen ein einsatzbereites Rettungsfahrzeug mit mehr als zwölf Metern Länge geworden. Mit dem Fahrzeug lassen sich vier schwer kranke und künstlich beatmete Patienten schonend zwischen Kliniken transportieren. Gerade während der Corona-Pandemie werden damit kurzfristig überlastete Krankenhäuser entlastet und Patienten in andere Landesteile zur Weiterbehandlung gebracht.
David Richter, Geschäftsführer des DRK-Rettungsdienstes HeidenheimUlm, hatte Ende März seinem Rettungsdienstleiter Ludwig Merkle von seiner Idee erzählt, mehrere Patienten auf einmal zu transportieren. Bisher gibt es in Baden-Württemberg etwa sechs Intensiv-Transportwagen (ITW) für jeweils einen Patienten. Die Stuttgarter Feuerwehr betreibt einen Bus, der als Großraum-Rettungswagen drei liegende Patienten befördert, doch die Ulmer Idee ging noch weiter. Am Tag, nachdem Richter mit Merkle gesprochen hatte, telefonierte der DRK-Geschäftsführer mit dem Notfallmediziner Prof. Dr. Claus-Martin Muth von der Ulmer Universitätsklinik und erzählte auch Muth von seinem Vorschlag. Auch der Mediziner fand die Idee gut. Am nächsten Tag sah Muth in den Fernsehnachrichten den TGV-Zug der Franzosen, mit dem liegende und beatmete Corona-Patienten aus dem Elsass in andere Teile Frankreichs gebracht wurden. Die Bundeswehr hat einige Corona-Patienten mit Flugzeugen aus Italien und Frankreich nach Deutschland geholt. Der Bedarf für Langstreckenverlegungen ist also in Europa tatsächlich vorhanden und kann im Verlauf der Pandemie auch Württemberg treffen.
Gleichzeitig wurde die Werksleitung von Evo Bus auf die Idee angesprochen und um Unterstützung gebeten. In der Folgewoche hatte der NeuUlmer Werksleiter ein geeignetes Vorführfahrzeug im Mannheimer Werk gefunden. Der neuwertige Stadtlinienbus wurde sofort nach Neu-Ulm überführt und von seinen Fahrgastsitzen befreit. Das DRK informierte gleichzeitig Lieferanten für medizinische
Ausstattung und bestellte Material. In täglichen Besprechungen im Evo-BusWerk in Neu-Ulm wurde der Umbau schrittweise von einem zwölfköpfigen Team umgesetzt. 15 Arbeitstage später war das Fahrzeug fertig. Bei der Übergabe vor wenigen Tagen in Neu-Ulm staunte auch Ulms Oberbürgermeister Gunther Czisch, dass so ein Projekt ohne Marktanalyse, monatelange Planungen und unzählige Konstruktionszeichnungen umsetzbar war.
Eine Trennwand und eine umgebaute Belüftungsanlage schirmen den Busfahrer komplett vom Patientenraum ab, sodass er nicht mit Coronaviren in Kontakt kommt. Doch benötigte das DRK für das Fahrzeug auch erstmal einen Busfahrer. Richter schrieb den SWU-Chef Klaus Eder an, der zwei Minuten später zurückrief und von der Idee begeistert war. Er klärte bei den Verkehrsbetrieben alle Möglichkeiten ab und sagte zu, dass die SWU gemeinsam mit anderen Busunternehmen aus dem Verkehrsverbund DING die Fahrer für den Bus stellt. Außerdem wird der Bus außerhalb der Einsätze im Betriebshof der SWU abgestellt, dort gewartet und getankt.
Notfallmediziner Muth organisierte aus der Anästhesie der Uni-Klinik die benötigten Notärzte für den Transport. Zwei von ihnen werden zusammen mit drei Notfallsanitätern und zwei Rettungssanitätern die vier
Patienten im Bus mit dem gleichen medizinischen Standard betreuen wie in einer Intensivstation eines Krankenhauses. Daher gehören neben Beatmungsgeräten und Überwachungsgeräten auch 20 Spritzenpumpen für Medikamente genauso zur Ausstattung wie ein Ultraschallgerät und ein Blutgasanalysegerät. Die Sauerstoffvorräte reichen laut Richter rechnerisch für eine durchgehende Fahrt von Ulm bis Hamburg.
Das Grundfahrzeug stellt Evo Bus für ein halbes Jahr zur Verfügung, danach wird entschieden, ob weiter Bedarf für das Fahrzeug besteht. Laut dem Hersteller der eingebauten Tragensysteme gibt es weltweit kein Straßenfahrzeug, das vier Beatmungsplätze gleichzeitig bietet. Größer sind nur die Med-Evac-Flugzeuge der Bundeswehr und anderer Militärs, die in einem Airbus sechs Beatmungsplätze haben und der behelfsweise umgebaute TGV-Zug der Franzosen.
Denkbar ist neben den Langstrecken-Verlegungen mehrerer schwer Erkrankter auch der Einsatz bei großen Verkehrsunfällen in der Region oder bei Naturkatastrophen, um regionale Krankenhäuser zu entlasten. Die Einsätze des Intensivtransportbusses erfolgen baden-württembergweit über eine zentrale Koordinierungsstelle gemeinsam mit den sechs Intensivtransportwagen und drei Intensivtransporthubschraubern.