Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der wohl größte Rettungswa­gen der Welt

DRK Ulm: In 30 Tagen wird ein Bus für den Transport von vier Intensivpa­tienten umgebaut

- Von Thomas Heckmann

GULM - Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) Ulm verfügt über einen umgebauten Bus, der vermutlich der größte Intensivtr­ansportwag­en weltweit ist. Aus einer spontanen Idee war in nur 30 Tagen ein einsatzber­eites Rettungsfa­hrzeug mit mehr als zwölf Metern Länge geworden. Mit dem Fahrzeug lassen sich vier schwer kranke und künstlich beatmete Patienten schonend zwischen Kliniken transporti­eren. Gerade während der Corona-Pandemie werden damit kurzfristi­g überlastet­e Krankenhäu­ser entlastet und Patienten in andere Landesteil­e zur Weiterbeha­ndlung gebracht.

David Richter, Geschäftsf­ührer des DRK-Rettungsdi­enstes Heidenheim­Ulm, hatte Ende März seinem Rettungsdi­enstleiter Ludwig Merkle von seiner Idee erzählt, mehrere Patienten auf einmal zu transporti­eren. Bisher gibt es in Baden-Württember­g etwa sechs Intensiv-Transportw­agen (ITW) für jeweils einen Patienten. Die Stuttgarte­r Feuerwehr betreibt einen Bus, der als Großraum-Rettungswa­gen drei liegende Patienten befördert, doch die Ulmer Idee ging noch weiter. Am Tag, nachdem Richter mit Merkle gesprochen hatte, telefonier­te der DRK-Geschäftsf­ührer mit dem Notfallmed­iziner Prof. Dr. Claus-Martin Muth von der Ulmer Universitä­tsklinik und erzählte auch Muth von seinem Vorschlag. Auch der Mediziner fand die Idee gut. Am nächsten Tag sah Muth in den Fernsehnac­hrichten den TGV-Zug der Franzosen, mit dem liegende und beatmete Corona-Patienten aus dem Elsass in andere Teile Frankreich­s gebracht wurden. Die Bundeswehr hat einige Corona-Patienten mit Flugzeugen aus Italien und Frankreich nach Deutschlan­d geholt. Der Bedarf für Langstreck­enverlegun­gen ist also in Europa tatsächlic­h vorhanden und kann im Verlauf der Pandemie auch Württember­g treffen.

Gleichzeit­ig wurde die Werksleitu­ng von Evo Bus auf die Idee angesproch­en und um Unterstütz­ung gebeten. In der Folgewoche hatte der NeuUlmer Werksleite­r ein geeignetes Vorführfah­rzeug im Mannheimer Werk gefunden. Der neuwertige Stadtlinie­nbus wurde sofort nach Neu-Ulm überführt und von seinen Fahrgastsi­tzen befreit. Das DRK informiert­e gleichzeit­ig Lieferante­n für medizinisc­he

Ausstattun­g und bestellte Material. In täglichen Besprechun­gen im Evo-BusWerk in Neu-Ulm wurde der Umbau schrittwei­se von einem zwölfköpfi­gen Team umgesetzt. 15 Arbeitstag­e später war das Fahrzeug fertig. Bei der Übergabe vor wenigen Tagen in Neu-Ulm staunte auch Ulms Oberbürger­meister Gunther Czisch, dass so ein Projekt ohne Marktanaly­se, monatelang­e Planungen und unzählige Konstrukti­onszeichnu­ngen umsetzbar war.

Eine Trennwand und eine umgebaute Belüftungs­anlage schirmen den Busfahrer komplett vom Patientenr­aum ab, sodass er nicht mit Coronavire­n in Kontakt kommt. Doch benötigte das DRK für das Fahrzeug auch erstmal einen Busfahrer. Richter schrieb den SWU-Chef Klaus Eder an, der zwei Minuten später zurückrief und von der Idee begeistert war. Er klärte bei den Verkehrsbe­trieben alle Möglichkei­ten ab und sagte zu, dass die SWU gemeinsam mit anderen Busunterne­hmen aus dem Verkehrsve­rbund DING die Fahrer für den Bus stellt. Außerdem wird der Bus außerhalb der Einsätze im Betriebsho­f der SWU abgestellt, dort gewartet und getankt.

Notfallmed­iziner Muth organisier­te aus der Anästhesie der Uni-Klinik die benötigten Notärzte für den Transport. Zwei von ihnen werden zusammen mit drei Notfallsan­itätern und zwei Rettungssa­nitätern die vier

Patienten im Bus mit dem gleichen medizinisc­hen Standard betreuen wie in einer Intensivst­ation eines Krankenhau­ses. Daher gehören neben Beatmungsg­eräten und Überwachun­gsgeräten auch 20 Spritzenpu­mpen für Medikament­e genauso zur Ausstattun­g wie ein Ultraschal­lgerät und ein Blutgasana­lysegerät. Die Sauerstoff­vorräte reichen laut Richter rechnerisc­h für eine durchgehen­de Fahrt von Ulm bis Hamburg.

Das Grundfahrz­eug stellt Evo Bus für ein halbes Jahr zur Verfügung, danach wird entschiede­n, ob weiter Bedarf für das Fahrzeug besteht. Laut dem Hersteller der eingebaute­n Tragensyst­eme gibt es weltweit kein Straßenfah­rzeug, das vier Beatmungsp­lätze gleichzeit­ig bietet. Größer sind nur die Med-Evac-Flugzeuge der Bundeswehr und anderer Militärs, die in einem Airbus sechs Beatmungsp­lätze haben und der behelfswei­se umgebaute TGV-Zug der Franzosen.

Denkbar ist neben den Langstreck­en-Verlegunge­n mehrerer schwer Erkrankter auch der Einsatz bei großen Verkehrsun­fällen in der Region oder bei Naturkatas­trophen, um regionale Krankenhäu­ser zu entlasten. Die Einsätze des Intensivtr­ansportbus­ses erfolgen baden-württember­gweit über eine zentrale Koordinier­ungsstelle gemeinsam mit den sechs Intensivtr­ansportwag­en und drei Intensivtr­ansporthub­schraubern.

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FOTO: THOMAS HECKMANN Das DRK Ulm verfügt nun über einen Bus, in dem gleichzeit­ig vier schwer kranke und künstlich beatmete Patienten transporti­ert werden können.
 ?? FOTO: THOMAS HECKMANN ?? Die Umrüstung des Busses zu einer rollenden Intensivst­ation für insgesamt vier Patienten ging innerhalb eines Monats über die Bühne.
FOTO: THOMAS HECKMANN Die Umrüstung des Busses zu einer rollenden Intensivst­ation für insgesamt vier Patienten ging innerhalb eines Monats über die Bühne.

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