Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Nachhaltigkeit ist Trumpf
Warum bestimmte Aktienanlagen derzeit besser abschneiden als andere
GSTUTTGART - Trotz beeindruckender Aufholjagd notiert der Deutsche Aktienindex Dax immer noch rund 21 Prozent unter seinem Niveau zum Jahresbeginn – und das bei anhaltend hoher Rückschlaggefahr. Ähnliches gilt für den umfassenden Weltaktienindex MSCI World. Bei genauer Betrachtung der Märkte fällt aber auf, dass nachhaltige Aktienanlagen in der Krise besser abzuschneiden scheinen als andere. Nimmt man den MSCI World als Maßstab, so hat dieser im März 13 Prozent verloren, während sein kleiner Bruder, der Nachhaltigkeitsindex MSCI World Sustainability (SRI), im selben Zeitraum nur 10,8 Prozent eingebüßt hat. Vergleicht man die beiden Indizes seit Jahresbeginn, geht der MSCI World SRI mit einem Minus von nur 10,7 Prozent gegenüber einem Rückgang von 15,8 Prozent beim MSCI World als klarer Sieger hervor.
„Das Thema Nachhaltigkeit bleibt als Megatrend bestehen und schwebt über vielen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Themen“, sagt dazu Alexandra Schadow, Nachhaltigkeitsexpertin im LBBW Research. Wer in nachhaltige Aktienportfolios investiert hat, kommt offenbar leichter durch die Krise. Dies zeigt auch eine Studie der Ratingfirma Scope, die untersucht hat, wie sich nachhaltige Aktienfonds im Abwärtstrend des ersten Quartals 2020 gegenüber konventionellen Produkten geschlagen haben. Im direkten Vergleich hatten demnach nachhaltige Aktienfonds in allen Regionen (Welt, Europa, Nordamerika & Schwellenländer) die Nase vorn. Besonders markant fiel dieser Effekt in Europa aus. Einem starken Minus von 20,7 Prozent bei nachhaltigen Fonds steht hier ein noch höheres Minus von 22,3 Prozent des MSCI Europa gegenüber. Dennoch, nachhaltige Aktienfonds entpuppen sich in der Corona-Krise als widerstandsfähiger als andere, schlussfolgert die Rating-Agentur.
Die Ursache, warum nachhaltige Strategien besser als der Markt laufen können, sieht Gregor Frankenhauser in der Struktur und den Geschäftsmodellen nachhaltig ausgerichteter Unternehmen. „Hier sind häufiger strukturelle Gewinner der Krise zu finden, zumindest aber Unternehmen, die geringere Verschuldungsgrade aufweisen und eine höhere Liquidität haben“, sagt der Kundenbetreuer der Bethmann Bank in Oberschwaben. Zudem werde automatisch der gesamte Energiebereich gemieden, der durch die Krise am Ölmarkt stark unter Druck gekommen ist. Wie sich eine solche Ausrichtung auf die Performance eines Wertpapierdepots niederschlagen kann, rechnet Frankenhauser anhand des hauseigenen Ansatzes vor. Die Vermögensverwaltung der Bethmann Bank hatte in den ersten vier Monaten des Jahres mit minus 2,44 Prozent bei ihrer sicherheitsorientierten Strategie und minus 6,66 Prozent bei ihrer risikofreudigsten Ausprägung die Verluste deutlich in Grenzen halten können – alles vor Kosten und Steuern.
Der Aufbau eines nachhaltigen Portfolios erfolgt in der Regel in zwei Stufen. Zunächst werden die Aktien einer Nachhaltigkeitsanalyse unterzogen, bei der ökologische (ecological = E), sozial-gesellschaftliche Aspekte (social = S) wie etwa der Umgang mit Mitarbeitern sowie Aspekte der guten Unternehmensführung (Governance = G) analysiert werden. Diese drei Bereiche bilden die sogenannten ESG-Kriterien ab. Darüber hinaus gelten Atomkraftwerke, Kohleproduktion, die Spekulation mit Grundnahrungsmitteln oder die Produktion von Landminen vielfach ohnehin als Ausschlusskriterien. In einem zweiten Schritt werden die wirtschaftlichen Zahlen der Aktiengesellschaften unter die Lupe genommen. Auf diese Weise gelangen nur Papiere ins Portfolio, die erfolgreich einer ganzheitlichen Analyse unterzogen wurden und als besonders gutes Investment eingeschätzt werden. Damit bilden diese Anlageprodukte in der Regel innovative und für zukünftige Herausforderungen gut aufgestellte Unternehmen ab.
Vor diesem Hintergrund ist Schadow vom LBBW Research davon überzeugt, dass die Nachfrage nach nachhaltigen Finanzprodukten auch nach Corona weiter steigen wird – nicht zuletzt auch aufgrund des politischen und gesellschaftlichen Drucks. Dabei werde laut Frankenhauser von der Bethmann Bank nicht nur die Wertentwicklung im Fokus stehen, sondern auch die besseren, sogenannten nicht finanziellen Returns in den Bereichen der Ökologie, der sozialen Verantwortung und der guten Unternehmensführung.