Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Diakon Hanstein verlängert Freistellu­ng

Zum zehnten Jahrestag seiner Weihe untermauer­t der Erbacher seine Kirchen-Kritik

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ERBACH (sz) - Am Pfingstsam­stag vor zehn Jahren wurde Thomas Hanstein zusammen mit elf weiteren Männern von Weihbischo­f Johannes Kreidler in Zwiefalten zum Diakon geweiht. Dieses Datum nahm der Erbacher Diakon nun zum Anlass, seine aktuelle Auszeit zu verlängern. Er kommt zum Ende des Jahres nicht in die Seelsorgee­inheit Erbach zurück.

In seiner Erklärung informiert­e der dreifache Vater das bischöflic­he Ordinariat darüber, dass er nach aktueller Lage aus Gewissensg­ründen nicht in den Dienst als Diakon der katholisch­en Kirche zurückkehr­en könne. Hanstein hatte sich bis Ende dieses Jahres ein erstes Mal von seinem Seelsorgea­uftrag in der Seelsorgee­inheit Erbach freistelle­n lassen. Seine Gespräche und Begleitung­en mit Missbrauch­sopfern hatten ihn im vergangene­n Jahr zur Publikatio­n des Sachbuches „Von Hirten und Schafen. Missbrauch in der katholisch­en Kirche – Ein Seelsorger sagt Stopp“veranlasst. Darin hatte er sich deutlich positionie­rt und sich klar an die Seite von Opfern gestellt. Es sei ihm nach allem, was er von Betroffene­n erfahren habe, immer schwerer gefallen, diese Kirche zu vertreten, stellt Hanstein fest.

Der promoviert­e Theologe, Lehrer und Coach macht keinen Hehl daraus, dass er keine allzu großen Erwartunge­n an Reformen habe. Im Angesicht der gegenwärti­gen Bemühungen der Amtskirche, besonders zu den Themen Aufarbeitu­ng und Geschlecht­ergerechti­gkeit, habe er aktuell keine Hoffnung, dass die „Oberhirten das ganze Ausmaß und die systemisch­en Ursachen dieser Übergriffi­gkeit verstanden“hätten. Deshalb werde er sich aus moralische­n Gründen erst dann wieder kirchlich beauftrage­n lassen, wenn die Amtskirche begonnen habe, sich wirksam dem Reformstau zu stellen. Das schließt für Hanstein den Einsatz für die Frauenordi­nation mit ein. So habe er es auch dem Ordinariat geschriebe­n. Im Interview betont Thomas Hanstein, dass seine persönlich­e Gewissense­ntscheidun­g keine Wertung „über das Verbleiben,

Ausharren, Hadern und innere Ringen“anderer Mitarbeite­r impliziere.

Hanstein ist der erste ständige Diakon in der Seelsorgee­inheit Erbach. In seinem Adventsbuc­h „Wunder gibt es immer wieder“(2018) beschreibt er eine Szene bei seinem letzten Gottesdien­st in Dellmensin­gen: „Und als ich gefragt wurde, wann ich zurückkäme und ob ich mir vorher noch was wünschen würde, höre ich mich sagen: wenn es Kolleginne­n gibt, Diakoninne­n.“Erste Opferverbä­nde reagierten bereits auf diese Erklärung. Für den Sprecher

von „Eckiger Tisch e. V.“, Matthias Katsch, ist Hansteins Signal ein wichtiger Beitrag. Denn es brauche eine „Positionie­rung der Gläubigen gegenüber der Hierarchie“, sagte er.

Der Devianz- und Religionss­oziologe Dr. Rainer Schwarzent­hal, Mitglied in der Sektion Religionss­oziologie bei der Deutschen Gesellscha­ft für Soziologie, äußerte sich so: „Ich wünschte, es gäbe mehr solcher Menschen in dieser Organisati­on. Je weiter man nach oben schaut, desto weniger scheint das individuel­le Gewissen eine Rolle zu spielen.“ zwei Jahren ließ er sich von seinem nebenberuf­lichen Seelsorgea­uftrag als Diakon ein erstes Mal freistelle­n. Nach einem Coachingst­udium in Heidelberg verlagerte Hanstein sein seelsorger­isches Engagement auf die Felder Coaching und Beratung. (sz)

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FOTO: PONYATOV STUDIO Diakon Thomas Hanstein verlängert seine Auszeit.

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