Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Visier statt Maske: Ist das erlaubt?
Das Regelungs-Wirrwarr offenbart sich dieser Tage in Ulm und Neu-Ulm auch in Sachen Mundschutz
GNEU-ULM/ULM - Visiere aus Kunststoff, Face-Shields, tauchen zurzeit in vielen Bereichen auf: im Einzelhandel, in der Gastronomie, in der Kultur, dort, wo sie bereits geöffnet ist. Die Visiere werden von den Trägern als viel komfortabler gelobt als der übliche Mund-Nasen-Schutz, und manch einer trägt das Visier auch leichtfertig nach oben geschoben, um noch leichter Luft zu bekommen. Doch wie ist das eigentlich? Ist es erlaubt, dass die Bedienung die Pizza mit Face-Shield bringt oder der Mann im Supermarkt an der Kasse nur das Visier trägt?
Bei einem Face-Shield, einem Visier, handelt es sich eher um Schutzbrillen als um Masken. Die Visiere verhindern nach Expertenmeinung nur, dass Aerosole in die Augen des Trägers gelangen. Sie dichten das Gesicht aber nicht ab und verhindern somit nicht, dass Tröpfchen eingeatmet werden oder dass sie beispielsweise beim Niesen in den Gesichtsbereich eines anderen Menschen kommen können. Gedacht sind die Visiere eigentlich nur als zusätzliche Schutzmaßnahme für Situationen, in denen ein besonderes Risiko besteht für den Zahnarzt beispielsweise oder in der Pflege oder beim Rachenabstrich beim Corona-Test. Eine gleichwertige Ergänzung zu Masken sind sie nicht und sie entbinden nicht von der Verpflichtung zum Tragen eines MundNasen-Schutzes,
wo eine solche Verpflichtung besteht. Als zusätzliche Schutzmaßnahme versteht auch die Leiterin der Krankenhaushygiene am Ulmer Universitätsklinikum, Heike von Baum, die Visiere. Im klinischen Bereich habe man alles Denkbare für den Gesundheitsschutz der Mitarbeiter getan, um sie vor Corona-Infektionen zu schützen, sagt die Professorin. Bernd Ohlmann, Pressesprecher der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik in München, verweist ganz klar auf die bayerischen Hygieneund Sicherheitsmaßnahmen: „Visiere als Ersatz für Mund-NasenSchutz sind im Handel nicht zulässig“, sagt er. Weder dürften Kunden noch Personal sie ohne Mund und Nase abschließende Schutzmaßnahmen tragen. „Für jemanden, der stundenlang Regale einräumt, ist das eine Belastung.“Mund und Nase abzudecken, sei aber die Grundlage und Bedingung dafür, dass der Handel die Geschäfte habe öffnen dürfen, und gleiche Regeln gelten in der Gastronomie. „Es ist eine besondere Zeit und die verlangt besondere Maßnahmen.“Die Berufsgenossenschaften bitten das Personal dringend, diese Maßnahmen einzuhalten, und auch darum, Kunden auf die Maskenpflicht hinzuweisen. „Außer bei Menschen, die medizinisch davon befreit sind“, sagt Ohlmann. „Aber diese Menschen haben dann einen ärztlichen Nachweis dabei. Und wenn wir weitere Lockerungen wollen“, sagt Ohlmann, „brauchen wir niedrige Fallzahlen“. Die erreiche man, wenn man sich an die Hygienevorschriften hält. Für BadenWürttemberg und damit für Ulm gelten die gleichen Regeln für die Face-Shields. In der Neu-Ulmer Stadtverwaltung dagegen lebe man im
Kleinen den Föderalismus, erzählt Ralf Mager, Leiter der Zentralen Dienste der Stadt: „Wir haben eigene Regelungen.“Und die sehen so aus, dass man verpflichtet ist, beispielsweise auf den Fluren im Rathaus Maske zu tragen. Erlaubt aber ein Beschäftigter des Rathauses den Besuchern, die sowieso angemeldet sein müssen, in einem großen Raum aufgrund der Einhaltung des Mindestabstandes die Masken abzunehmen, so ist das in Ordnung, sagt Mager. „Das Wichtigste für uns ist, dass die Abstandspflicht eingehalten wird.“Erlaubt habe man die FaceShields in Kultureinrichtungen der Stadt, beispielsweise im Museum für Führungen. „Das Museum darf das selbst regeln“, erklärt Mager. Im Hygienekonzept, das das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst in Absprache mit dem Gesundheitsministerium für die bayerischen Museen ausgearbeitet hat, ist das Tragen eines anliegenden Mund-Nasen-Schutzes für Personal und Besucher verpflichtend für die Wiedereröffnung. Für nicht staatliche Museen wurde dieses Hygienekonzept empfohlen, aber nicht verpflichtend gemacht, teilt die Pressesprecherin Bianca Preis mit.
Martina Junk, stellvertretende Pressesprecherin im Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, sagt auf Anfrage, dass Visier-Schutzmasken aus Sicht des Gesundheitsamtes nicht die Anforderungen des Infektionsschutzes erfüllen.