Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Freiburg bleibt wieder ohne Sieg
schaut er das Spiel, notgedrungen, „aber am liebsten würde ich Sky abschaffen, da spuck ich Gift und Galle, die haben doch überall ihre Pfoten drin.“Natürlich trägt auch Max ein teures Original-Trikot des VfB, aber ohne Aufschrift. „Was will ich mit einem Namen? Ein Freund von mir hat ein Ginczek-Trikot gekauft, einen Monat später war Ginczek weg.“Trotz allem bleibe er VfB-Fan, „der Club ist größer als alles“, sagt Max. Im Badischen sei das nicht einfach, „das ist für VfB-Fans eigentlich Feindesland“, meint er. „Aber dann sind wir halt die Untergrundkämpfer.“
Christine und Markus aus Dillingen, ebenfalls im Palm Beach, haben derweil einen Übergrundkampf hinter sich. „Wir haben vom Parkplatz bis hierher 45 Minuten gebraucht“, erzählt das Paar. Allerdings wundert das nicht, denn beide liefen den kurzen Weg passend zum Geisterspiel in einem schlohweißen Geisterkostüm. Alle stürzten sich auf die beiden, die Sky-Sender, die Journalisten, Passanten wollten Fotos machen, doch nun haben sie es geschafft und sich ihr Hefeweizen und Spezi redlich verdient. Markus hatte Karten für die am 6. April geplante Partie erworben und entschied sich nach der Neuansetzung, wenigstens vor Ort zu sein, und seine Frau überraschte ihn mit dem passenden Outfit. Der Reporter darf ein Bild machen, hat aber einige unbequeme Fragen zu überstehen. „Komm, du hast doch Beziehungen, kannst du uns Karten besorgen?“, fragt Christine. Die Antwort „Nicht mal das Fritzle bekommt eine Karte, das schafft nicht mal der Herr Vogt“, scheint sie nicht ganz zu überzeugen. Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass es Menschen auf dieser Erde gibt, die auf die Frage, was ihnen lieber sei – a) Ein Serum gegen das Virus, b) VfB-Karten – ohne zu zögern b) sagen würden.
Den Herrn Vogt, 50, seit sechs Monaten VfB-Präsident, trifft der Reporter übrigens postwendend an der Sicherheitsschleuse. Vogt hat 36,4 Grad Körpertemperatur – gemessen natürlich kontaktlos – der Reporter 36,6, womöglich auch umgekehrt, in jedem Fall dürfen wir beide ins Stadion, weil wir die Virus-Kontrolle am VIP-Eingang, dem einzigen, der offen hat, souverän bestehen. Kaffee oder Essbares gibt es bei Geisterspielen offenbar nicht, gemeinsam fahren wir also den Aufzug hoch, jeder in seinem Eck, jeder mit Mundschutz. Der Reporter prophezeit, Vogt und sein VfB würden heute Glück haben, er sei von der „Schwäbischen Zeitung“, Vogt lacht.
Im Stadion selbst? Was soll man sagen. Es ist ungewohnt leise, ungewohnt meditativ, nur die Rufe der Spieler und Betreuer sind zu hören. Der preisgekrönte FAZ-Reporter neben mir schwärmt von den Butterkeksen, die ich vorsorglich mitgebracht habe. Und staunend werden wir Zeugen des Wunders vom Wasen, der beherzten Aufholjagd der Stuttgarter, die mit dem 3:2 von Gonzalo Castro in der 92. Minute gipfelt und einer Jubeltraube, die sich an keine Kontaktverbote mehr hält.
50 Meter unter uns stehen Vogt, Vorstand Thomas Hitzlsperger und Teambetreuer Günther Schäfer im Zwei-Meter-Abstand auf der VIP-Tribüne. (Gem)Einsam beklatschen sie jeden Einzelnen, der in die Katakomben läuft, jeden Ersatzspieler, jeden Betreuer. Vermutlich haben sie Tränen in den Augen, sie funkeln über dem Mundschutz.
Eine Stunde später, 23.30 Uhr. Claus Vogt schaut noch im Clubheim vorbei, die Maske darf er abstreifen, er strahlt wie ein Solarkraftwerk. „Nie im Leben hätte ich das für möglich gehalten nach dieser ersten Halbzeit“, sagt er, dann wird er nachdenklich: „Das wäre ein Spiel für die Zuschauer gewesen.“Eine Stunde zuvor hatte er gepostet: „Ich habe mir lange überlegt, ob ich bei einem Geisterspiel ins Stadion gehen soll. Heute ist mir noch klarer geworden, warum der Fußball ohne seine Fans nichts ist.“
Die großen Emotionen im Leben, die würde man eben doch gerne mit jemandem teilen.
FREIBURG (dpa) - Der SC Freiburg muss weiter auf den ersten Sieg nach dem Restart in der Fußball-Bundesliga warten. Am Freitagabend verloren die Breisgauer ihr Heimspiel gegen Bayer 04 Leverkusen mit 0:1. Die Werkself kletterte damit vorübergehend auf Platz drei zurück.
Freiburg verteidigte so intensiv wie Trainer Christian Streich an der Seitenlinie agierte. Bayer dominierte das Spiel und besaß im ersten Durchgang fast 80 Prozent den Ball, Streich forderte seine Spieler zur dauerhaften Gegenwehr auf. Während Leverkusens Trainer Peter Bosz die Partie die meiste Zeit ruhig beobachtete, dirigierte Streich fast jeden Spielzug seines Teams. Lucas Höler hatte kurz vor der Pause die Großchance für den SCF, er vergab jedoch. Stattdessen traf Kai Havertz kurz nach dem Seitenwechsel. Kurz vor Schluss hatte Nils Petersen die Chance zum Ausgleich, doch Torwart Lukas Hradecky war zur Stelle. „Mindestens einen Punkt hätten wir verdient gehabt“, meinte Christian Günter.
Ins neue Stadion will Freiburg erst umziehen, wenn Fans erlaubt sind. „Ohne Zuschauer macht es keinen Sinn“, sagte SC-Sportvorstand Jochen Saier bei DAZN. Die 35 000Zuschauer-Arena im Freiburger Norden wird aber ohnehin nicht zum Saisonstart 2020/21 fertig.
– Tor: 0:1 Havertz (55.). – SCF: Schwolow – Kübler (66. Gulde), Lienhart, Heintz, Günter – Koch (75. Frantz), Höfler, Sallai (66. Schmid), Grifo (75. Kwon), Höler (75. Waldschmidt) – Petersen.