Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Klare Mehrheit für vollständige Kita-Öffnung
Civey-Umfrage belegt Unterstützung für Pläne der Landesregierung
GRAVENSBURG - Baden-Württembergs grün-schwarze Landesregierung plant die vollständige Öffnung von Kitas bis Ende Juni. Eine Entscheidung, die in der Corona-Pandemie nicht nur von den Oppositionsfraktionen AfD, SPD und FDP begrüßt wird – auch eine klare Mehrheit der Menschen im Südwesten wünscht diesen Schritt, wie eine repräsentative Umfrage im Auftrag der „Schwäbischen Zeitung“zeigt.
Kitas im Südwesten können bereits seit dem 18. Mai die Betreuung schrittweise ausweiten. Für die Umsetzung vor Ort sind Kommunen, Träger und die Einrichtungen selbst verantwortlich. In Baden-Württemberg befanden sich 2019 rund 444 000 Kinder in Kita-Betreuung.
Pläne für eine vollständige Öffnung stoßen auf viel Zuspruch. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage hervor, die die „Schwäbische Zeitung“und Schwäbische.de mit dem Online-Umfrageinstitut Civey durchgeführt haben. Auf die Frage „Wie bewerten Sie es, dass Kitas in Baden-Württemberg spätestens bis Ende Juni wieder vollständig geöffnet werden sollen?“, antworteten rund 43,8 Prozent der befragten Personen im Land mit „eindeutig richtig“, weitere 23 Prozent mit „eher richtig“. Nur 7,9 Prozent finden die vollständige Kita-Öffnung Ende Juni „eindeutig falsch“und weitere 10,7 Prozent „eher falsch“. 14,6 Prozent wollten sich nicht festlegen.
Verdi-Landeschef Martin Gross hatte jüngst betont, die Belastung für Kinder und Eltern durch die Schließungen seit 17. März sei „kaum noch erträglich“. Er warnte aber davor, aus Zeitdruck den Gesundheitsschutz zu vernachlässigen.
Zuletzt hatte es über die Frage nach der Infektiosität von Kindern eine Debatte um eine Erhebung des Berliner Virologen Christian Drosten gegeben. Der Wissenschaftler und sein Team an der Charité hatten auf Grundlage einer sogenannten Pre-Print-Studie vor den Gefahren einer uneingeschränkten Wiederöffnung von Schulen und Kitas gewarnt. Mit Blick auf die sozialpsychologische Bedeutung befürwortet Drosten allerdings eine kontrollierte Öffnung von Schulen und Kitas.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) berufen sich bei den Öffnungsplänen des Landes auf Zwischenergebnisse einer Studie der vier baden-württembergischen Universitätskliniken. Demnach spielten Kinder als Überträger des Virus eine untergeordnete Rolle.
Die Pläne für eine vollständige Kita-Öffnung erhalten in Baden-Württemberg denn auch breite Zustimmung
durch alle Altersgruppen. Neben einer klaren Mehrheit von 74,1 Prozent bei den Personen zwischen 30 und 39 Jahren, unterstützen auch Menschen aus der altersbedingten Risikogruppe die Pläne. So ist die Zustimmung bei Personen ab 65 Jahren mit 66,4 Prozent sogar noch etwas höher als bei der Gruppe der 50- bis 64-Jährigen (64,3 Prozent).
Wenig überraschend ist die Zustimmung von rund Dreiviertel aller Haushalte mit Kindern in BadenWürttemberg (75,6 Prozent) – doch auch 65,9 Prozent der kinderlosen Haushalte befürworten die vollständige Wiederöffnung von Kitas.
Eine Auffälligkeit ergibt sich beim Blick auf die Berufsbildung der Befragten, wobei hier eine relativ hohe statistische Unschärfe berücksichtigt werden muss. Doch selbst dann zeichnet sich eine Tendenz ab: In allen Gruppen mit beruflicher Ausbildung befürwortet eine Mehrheit die Öffnung, nur in der Gruppe ohne berufliche Ausbildung halten vergleichsweise viele Befragte diesen Plan für falsch.
„Es ist noch nichts normal, weil Corona leider noch nicht weg ist“, mahnte Kultusministerin Eisenmann vergangene Woche. Sollte es einen Corona-Ausbruch in einer Kita oder Schule geben, sei nicht auszuschließen, dass Einrichtungen wieder geschlossen werden und alle Beteiligten in Quarantäne müssten. Zu entscheiden hätten das aber die jeweiligen Gesundheitsämter vor Ort.
Die Civey-Umfrage fand online vom 26. bis zum 31. Mai 2020 statt. In Baden-Württemberg nahmen 3579 Menschen daran teil. Die Stichprobengröße lag bei 3002 Personen. Der statistische Fehler lag bei 2,9 Prozent.