Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Laupheims klimafreundlichstes Wohngebiet
Ganzheitliches Energiekonzept für das künftige Quartier „Am Mäuerle“setzt auf Photovoltaik und Agrothermie
GLAUPHEIM - Rund 200 Wohnungen sollen in dem künftigen Baugebiet „Am Mäuerle“entstehen, geplant sind überwiegend Einfamilien-, Doppel- und Mehrfamilienhäuser. Aufhorchen lässt das Energiekonzept: Weitgehend autark und zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen wollen die Ingenieure den Bedarf der Menschen an Strom, Wärme und Kälte decken.
Das Quartier sei aufgrund seiner Lage am südlichen Rand der Kernstadt, seiner Größe – 5,5 Hektar – und der Art der Bebauung bestens geeignet für ein ganzheitliches und klimafreundliches Konzept, betonte Raymond Ihle, Technischer Leiter des Eigenbetriebs Stadtwerke, jüngst im Gemeinderat. Mit Unterstützung der Abteilung Quartiersentwicklung des Energieversorgers EnBW und gefördert vom Bund wird es nun im Detail entwickelt.
Die Experten der EnBW haben Berechnungen angestellt, was am „Mäuerle“möglich ist. Den jährlichen Strombedarf setzen sie mit 760 Megawattstunden an. Drei Viertel davon ließen sich durch Photovoltaik gewinnen, würden etwa 75 Prozent der Dachflächen mit optimal ausgerichteten Modulen bestückt.
Zum Zweiten setzt das Konzept auf Agrothermie. Auf städtischem Grund zwischen dem Militärflugplatz und der Umgehungsstraße
Richtung Burgrieden, nur wenige Meter vom Wohngebiet entfernt, werden Erdwärmekollektoren installiert. Die fast 34 000 Quadratmeter große Fläche würde auf Basis der jetzigen Annahmen ausreichen, um den gesamten Wärme- und Kühlbedarf des Quartiers zu decken, über eine Ringleitung und dezentrale Wasser-Wasser-Wärmepumpen in den Häusern.
Die Pläne sehen ferner dezentrale Puffer- und Batteriespeicher vor, öffentliche Schnellladesäulen für EMobilität, Wallboxen in den Tiefgaragen
für Elektro-Fahrzeuge, Straßenlampen mit WLAN, Notruf und Sensorik, Breitband sowie Terminals für Paketzustellung und Retouren, um den Verkehr im Quartier zu reduzieren.
Die CO2-Emissionen im künftigen Wohngebiet „Am Mäuerle“könnten mit diesem Konzept gegenüber einer konventionellen Energieversorgung – Strombezug aus dem Netz, Wärmedeckung durch Erdgas – um mehr als 70 Prozent gesenkt werden, haben die Fachleute errechnet. Statt 390 Gramm Kohlendioxid fielen pro Kilowattstunde
nur noch 90 Gramm an. Der jährliche CO2-Ausstoß je Wohneinheit würde sich sogar um mehr als 80 Prozent verringern.
Die Investitionen in die zentralen Versorgungselemente können auf den Wärmepreis umgelegt werden. Einen Anschlusszwang soll es nicht geben, jedoch haben verschiedene Investoren in dem Baugebiet schon im Vorfeld signalisiert, mitziehen zu wollen. Die Stadt will auf den Grundstücken, die sie dort veräußert, den Anschluss an das innovative Versorgungsnetz zur Bedingung machen, sagte Oberbürgermeister Rechle.
Der Gemeinderat befürwortete das Konzept und gab grünes Licht, die EnBW für die weitere Ausarbeitung als Dienstleister ins Boot zu holen. Einzig dieser Punkt störte Martina Miller und Edith Lorenz-Henselmans von der SPD, weshalb sie mit „Nein“stimmten. Die EnBW sei ein bewährter Partner, sagte Miller; gleichwohl würde man ein unabhängiges Planungsbüro bevorzugen.
Die Stadtwerke hätten sich nach eigenem Bekunden gern der Aufgabe gestellt, ein nachhaltiges Energiekonzept für das Quartier „Am Mäuerle“zu entwickeln. Sie sehen sich laut Sitzungsvorlage „aktuell aber nicht in der Lage, ein Vorhaben dieser Größenordnung und Komplexität mit der gebührenden Gründlichkeit zu planen“.
„Der Ansatz, dass unsere Stadtwerke so etwas selber machen, ist richtig“, sagte OB Rechle. Beim ersten Mal greife man nun aber auf externe Hilfe zurück. Die Kooperation mit der EnBW biete immerhin die Chance, eine Blaupause für künftige Wohngebiete zu haben.
Die weiteren Arbeitsergebnisse der EnBW-Abteilung Quartiersentwicklung sollen dem Gemeinderat präsentiert werden. Das Gremium entscheidet dann, ob das Konzept realisiert wird. Die EnBW zeigt auch Finanzierungs- und Betreibermodelle auf.
Gerold