Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Ein Panzer nach dem anderen rollt auf den Hof
Vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg – Eine Zeitzeugin erinnert sich
GBURGRIEDEN - 75 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg kommen der Vorsitzenden des Historischen Vereins Gesamtgemeinde Burgrieden, Maria Dietrich, immer wieder Erinnerungen an das Ende jener unglückseligen Zeit hoch. Es sind Bilder, die mit besonderen Ereignissen im April 1945 verknüpft sind.
„So habe ich immer wieder vor Augen, wie ein Panzer nach dem anderen in unsere große Hofstelle in Hochstetten einrollte, bis der ganze Hof mit diesen Kampffahrzeugen vollgestopft war“, erzählt Dietrich. Bei diesem erschreckenden Anblick rief jemand aus der Familie: „Die Franzosen kommen!“Voller Angst rannten Maria Dietrich, ihre Mutter, die Tante, der fast 90-jährige Großvater samt Enkelkind im Kinderwagen sowie der Knecht schutzsuchend in den Keller des stattlichen Bauernhauses.
„Dort vernahmen wir nur noch ein Dröhnen der Fahrzeuge. Ab und zu fiel auch ein Gewehrschuss“, sagt Dietrich. Bald erkannten die verängstigten Bewohner, dass die französischen Soldaten Jagd auf die freilaufenden Hühner machten und sie zum Teil sogar erschossen. Sie brachten das tote Federvieh in die Küche, wo es von Marias Tante gerupft und gebrüht werden musste. Ununterbrochen brutzelten die ungebetenen Gäste nebenher Eier auf dem Küchenherd, bis der Vorrat zu Ende ging. Sogar die im Keller eingelagerten Wurstdosen fielen den Männern zum Opfer.
Währenddessen hatte der Knecht des Hauses alle Hände voll zu tun. Ohne Ende schleppte er Holz aus dem Schuppen. In Begleitung eines bewaffneten Soldaten musste die Mutter von Maria Dietrich die eingelegten Eier aus dem Keller holen. „Nach gefühlt unendlich langer Zeit donnerte ein stählernes Ungeheuer nach dem anderen wieder aus unserem Hof “, sagt Dietrich. Gott sei Dank war der Spuk vorbei, ohne dass etwas Schlimmes passiert war – sieht man vom Verlust etlicher Hühner und Nahrungsmittel ab. Aber das, was sich an jenem denkwürdigen Tag zugetragen hatte, ist der Zeitzeugin bis heute im Gedächtnis geblieben, auch wenn sie damals noch ein Kind war.
So denkt sie auch noch daran, dass größere Kinder aus der Nachbarschaft den Panzern ein Stück weit nachrannten und von der Besatzung unerwartet Süßigkeiten bekamen. „Ich, ein kleines Mädchen, drückte immer wieder neugierig die Nase an die Fensterscheiben und erblickte dabei auch einen schwarzen französischen Soldaten. Der schnipste symbolisch mit dem Finger auf meine Nase – nur getrennt vom Fensterglas.“
Und noch eine Episode wird bei passender Gelegenheit gerne erzählt: Wohl zur gleichen Zeit nach Ende des Krieges versteckten sich heimkehrende deutsche Soldaten auf dem Heustock und in der Strohkammer des großen Stadels des bäuerlichen Anwesens. „Meine Mutter brachte ihnen öfters etwas zu Essen, während der Großvater die Familienmitglieder immer wieder ermahnte, dass man den Soldaten keinen Most bringen dürfe, sonst fingen sie zu singen an und wir alle werden eingesperrt.“
Besagtes landwirtschaftliches Anwesen in Hochstetten hatte in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts historische Bedeutung für den damals weitgehend selbständigen Weiler Hochstetten. Dort gab es einen Anwalt, ein paar Gemeinderäte und einen Rechner. Ein eigenes Rathaus war im Weiler nicht vorhanden, aber immerhin eine Kapelle. Im Gebäude von Anwalt Jakob Humm fanden sich die Bürgervertreter zu wichtigen Besprechungen zusammen. Hier wurden für die Bewohner in der geräumigen Bauernstube mit großem Eichentisch in der Mitte weitreichende Entscheidungen getroffen. Die elf Kinder der Anwaltsfamilie mussten während der Beratungen, die in der Regel am Sonntagnachmittag stattfanden, „in der Küche ruhig gehalten werden.“
Ein wichtiger Tagesordnungspunkt der Ratszusammenkünfte war damals immer wieder die Frage, ob der Weiler Hochstetten wohl selbständig bleiben oder er ganz und gar nach Burgrieden, dem sogenannten Mutterort, eingemeindet werden sollte. Als Alternative befürworteten ein paar Verantwortlichen den Anschluss an das benachbarte Bühl.
Man machte sich die Entscheidung nicht leicht, die man letztlich auf nicht alltägliche Methode herbei führen wollte: Es sollte die Wegstrecke von der Kapelle in Hochstetten bis zur Kirche in Burgrieden, respektive bis zum Gotteshaus Bühl, abgeschritten werden. Die kürzere Entfernung sollte ausschlaggebend sein, doch schlussendlich konnten sich die Herren Gemeinderäte samt
Anwalt in dieser Frage nicht einig werden, zumal auch angestrengt über wirtschaftliche Vor- und Nachteile nachgedacht worden war. Nach einer weiteren und wohl der bedeutendsten Sitzung der „Weilemer“in Hochstetten, am 25. Februar 1931, zu der auch Verwaltungsaktuar Denser hinzugezogen wurde, wurde endlich ein Knopf an die Angelegenheit gemacht: Die Teilgemeinden Hochstetten und Bürghöfe wurden zum 1. April 1931 nach Burgrieden eingemeindet, das bis dato 965 Einwohner zählte.
Mit der Eingemeindung beschloss man, dass sich einerseits an der bisherigen Regelung der Farrenhaltung nichts ändern darf und andererseits die Kosten für das Läuten und Reinigen der Hochstetter Kapelle im bisherigen Betrag von der Muttergemeinde übernommen werden. Außerdem sollte „auf eine einheitliche Regelung des Fronwesens in Bezug auf Fronvergütung“hingewiesen werden. Solche und viele andere für die damalige Zeit weitsichtige Beschlüsse wurden im Hause des Anwalts Jakob Humm in Hochstetten gefasst und damit ein Stück weit an der Historie der Hauptgemeinde mitgeschrieben.