Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Verantwortung für das Ende übernehmen
„Vorsorge treffen“informiert über Patientenverfügung, Vollmacht und Betreuung
LANDKREIS BIBERACH - Es gibt angenehmere Dinge, als sich mit dem Themen Sterben und Tod auseinanderzusetzen. Besonders junge Menschen schieben es von sich, denn „Morgen ist ja noch so weit weg“. Aber: Was passiert, wenn ich selbst nicht mehr entscheiden kann? Mit dieser Frage sollte man sich früh beschäftigen, um später das zu bekommen, was man gerne möchte. Eine echte Hilfe, sich im Dschungel von Vollmachten, Verfügungen und Dokumenten zurechtzufinden, ist der Arbeitskreis „Vorsorge treffen“im Landkreis Biberach.
Ziel der Menschen, die sich in dem Arbeitskreis ehrenamtlich engagieren, ist, die Bevölkerung über vorsorgende Dokumente aufzuklären, mit denen der eigene Wille im Voraus bestimmt wird. Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung sollen die Regelung erleichtern, wenn man sich selbst nicht mehr äußern und entscheiden kann. Initiiert wurde der Arbeitskreis vom Betreuungsverein, Caritas, Gesundheitsamt, von den Kliniken des Landkreises und dem Biberacher Stadtseniorenrat bereits vor 16 Jahren. Zwei Mal im Jahr treffen sich die Ehrenamtlichen zum Austausch, um aktuelle Dinge wie beispielsweise gesetzliche Änderungen zu besprechen.
In der Patientenverfügung werden die eigenen Wünsche in der medizinischen Behandlung und Pflege besonders in der letzten Lebensphase geregelt. Sie muss von den behandelnden Ärzten respektiert werden. Sie hilft den Medizinern auch, den Willen des Patienten umzusetzen und lebenserhaltende oder -verlängernde Maßnahmen unterlassen zu können. Seit 2009 sind die Ärzte gesetzlich verpflichtet, die Patientenverfügung anzuerkennen.
Wie schnell es gehen kann, zeigt das Beispiel von Maria. Sie war 63 Jahre alt, hatte immer gesund gelebt, Sport getrieben, stand mitten im Leben. Ohne Vorzeichen bekam sie eine Gehirnblutung und fiel ins Koma.
Plötzlich wurden ihre Familienangehörigen mit Fragen konfrontiert, die alle überforderten. Wie sieht es mit einer Organspende aus? Wie lange soll Marias Leben künstlich erhalten werden? Keiner aus Marias Familie hatte das Recht, darüber zu entscheiden, wie es weitergehen soll.
Maria war Hildegard Gebeles Freundin. Seit 28
Jahren ist sie examinierte Altenpflegerin. Seit
24 Jahren ist sie auch Hospizmitarbeiterin, in der Altenarbeit tätig und erlebt immer wieder Menschen in solchen Situationen. Sie ist eine von etwa 30 Ehrenamtlichen im Landkreis Biberach, die sich 2004 zu den Themen „Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügungen“fortgebildet haben und seitdem Einzel- und Gruppengespräche anbieten. „Etwa bei den Landfrauen, in Seniorengruppen oder beim Diabetikertreff “, sagt Hildegard Gebele, die zusammen mit Petra Hiebsch Gruppenangebote macht. In den Gesprächen gibt es neben Erklärungen auch Beispiele, wie der Fall der 63-jährigen Maria.
Wer sich lieber in einem Einzelgespräch informieren möchte, ist im westlichen Landkreis bei Franziska Elsner, bei Eva-Maria Berger, Konrad Bühler oder weiteren Ehrenamtlichen richtig. Aber auch in allen anderen Teilen des Landkreises gibt es Ansprechpartner. Die Sprechstunden finden in den jeweiligen Rathäusern statt, über die auch die Anmeldungen laufen. Die Termine dafür werden in den Mitteilungsblättern und der Schwäbischen Zeitung veröffentlicht. Normalerweise werden Termine jeden Monat – außer im August – angeboten. Momentan seien Sprechstunden wegen Corona allerdings schwierig, so Konrad Bühler.
Zu den Treffen sollte möglichst immer der Mensch mitgebracht werden, den man zu seinem Bevollmächtigten macht. „Das klappt in der Regel ganz gut“, ist die Erfahrung von Franziska Elsner. Sie empfiehlt, die Patientenverfügung dem Hausarzt vorzulegen, damit er eine Ausfertigung
zu seinen Unterlagen nehmen kann. Auch die Angehörigen sollten wissen, wo die Vollmachten aufbewahrt werden. Auch sollte man immer mit den Angehörigen im Gespräch bleiben. „Und es spricht nichts dagegen, dem Bevollmächtigten eine Kopie auszuhändigen“, fügt Konrad Bühler an.
Die Ehrenamtlichen finden es überaus wichtig, dass sich auch junge Menschen mit dem Thema auseinandersetzen. Auch sie sollten daran denken, was sie bei plötzlicher Krankheit oder einem Unfall möchten oder auch nicht. In einer Patientenverfügung kann alles bestimmt werden, was einem selbst wichtig ist. Ob Beistand erwünscht ist – von einem Pfarrer, einem Hospizmitarbeiter oder bestimmten Angehörigen. Genauso kann bestimmt werden, wenn man jemanden am Lebensende nicht an seinem Bett sitzen haben möchte. Auch der Musikwunsch oder die persönlichen Eigenheiten können festgehalten werden.
Zur Patientenverfügung gehöre immer auch eine Vollmacht, die neben der Patientenverfügung auch weitere Lebensbereiche abdeckt, darunter auch Regelungen für eine mögliche gesetzliche Betreuung, empfehlen die Ehrenamtlichen des Arbeitskreises. Kann jemand aufgrund einer Krankheit oder Behinderung als Volljähriger seine Angelegenheiten nicht mehr selbst entscheiden und hat keine Vollmacht erteilt, wird – soweit es erforderlich ist – ein gesetzlicher Betreuer bestellt. Während eine Patientenverfügung nicht notariell beglaubigt werden muss, muss bei Vermögen die Vollmacht beim Notar gemacht werden.
Der Arbeitskreis informiert in Einzel- oder Gruppengesprächen, kommt in besonders begründeten Fällen in die Familie nach Hause oder auch ins Pflegeheim. „Übernehmen Sie selbst Verantwortung für das Ende Ihres eigenen Lebens“, empfehlen die Mitarbeiter des Arbeitskreises auch jungen Menschen. Weitergehende Fragen bekommen Interessierte in der Sprechstunde des Arbeitskreises beantwortet.