Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Falsche und veraltete Fakten auf Flyern
Corona-Flugblätter in Briefkästen verharmlosen Entwicklung – Angaben auf dem Prüfstand Italiens Regierung verschärft Maßnahmen
BERLIN (dpa) - Das Internet schwappt über in die Briefkästen: Deutschlandweit tauchen vermehrt zweifelhafte Flyer auf, auf denen die aktuelle Entwicklung der CoronaPandemie verharmlost wird. Es gibt Dutzende Versionen und Motive, die Flugblätter tragen Titel wie „Zwang zur Impfung droht“oder „Corona Fakten“. Doch manche Aussagen darauf sind mit Vorsicht zu genießen – sie sind schlicht falsch.
Behauptung: „Der Anstieg der positiven Fälle entsteht nur, weil zu viel getestet wird“, heißt es auf einem Infoblatt mit dem Titel „Positiv ist nicht krank“.
Bewertung: Falsch. Die Fakten: Derzeit beobachtet das Robert-Koch-Institut (RKI) einen beschleunigten Anstieg der Corona-Übertragungen in Deutschland. Tatsächlich sind die aktuellen Werte nur bedingt mit den Zahlen aus dem Frühjahr vergleichbar, weil mittlerweile mehr getestet wird – seit Spätsommer allerdings auf etwa gleichbleibendem Niveau. Seit Mitte August pendelt die wöchentliche Anzahl der Tests um etwa 1,1 bis 1,2 Millionen. Gleichzeitig wächst die Zahl der Corona-Fälle stetig.
Ein Beispiel: In der Woche vom 17. bis 23. August waren von 1,09 Millionen Tests gut 9200 positiv. Sieben Wochen später (5. bis 11. Oktober) wurden 1,17 Millionen Resultate übermittelt, davon mehr als 29 000 positive. Während die Anzahl der Tests um etwa 6,7 Prozent höher lag, stieg die Zahl der Corona-Fälle um 214 Prozent.
Behauptung: Aufgrund der „politisch veränderten Gesetzeslage“im Infektionsschutzgesetz sei eine Corona-Zwangsimpfung möglich, heißt es auf einem Flyer mit dem Titel „Zwang zur Impfung droht“.
Bewertung: Falsch. Solche Pläne hat die Bundesregierung nicht.
Fakten: Immer und immer wieder hat die Bundesregierung betont, dass keine Pflichtimpfung gegen das Coronavirus eingeführt werden soll. „Es wird zu einer freiwilligen Impfung kommen“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) etwa Mitte September. Ziel sei es, eine ausreichend hohe Impfquote zu erreichen. Dafür wurden Millionen an Impfdosen gesichert.
Auch nach den diesjährigen Änderungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) durch den Bundestag findet sich keine konkrete CoronaBewertung:
Impfpflicht in dem Gesetz. Grundsätzlich wären nach dem IfSG verpflichtende Impfungen sowieso schon seit rund 20 Jahren möglich allerdings nur „für bedrohte Teile der Bevölkerung“und nach Zustimmung von Bund und Ländern.
Im Frühjahr gab es Pläne von Gesundheitsminister Spahn, nach denen Menschen mit überstandenen Corona-Infektionen über sogenannte Immunitätsnachweise Ausnahmen von Alltagsbeschränkungen bekommen könnten. Manche Kritiker sahen darin eine Impfpflicht durch die Hintertür: Ihrer Meinung nach könnten Menschen, die keinen solchen Nachweis haben, so zu einer Impfung gedrängt werden. Allerdings lehnte Ende September der Deutsche Ethikrat, der in dieser Sache entscheiden sollte, die Einführung eines solchen Nachweises klar ab, weil es „erhebliche Unsicherheiten“über die Immunität nach einer überstandenen Infektion gebe.
Behauptung: Der Anteil positiver Ergebnisse im Verhältnis zur Gesamtzahl der Corona-Abstriche bleibt seit Wochen gleich. Das sollen Grafiken etwa auf den Flyern „Positiv ist nicht krank“und „Corona Fakten“beweisen.
Veraltete Daten.
Fakten: Die Grafiken sind veraltet und damit irreführend. Auf dem Zettel „Positiv ist nicht krank“enden zum Beispiel die Angaben zum Anteil positiver Tests an allen Abstrichen Mitte September. Zum damaligen Zeitpunkt lag der Anteil der Positiv-Ergebnisse bei 100 000 Tests tatsächlich über einen längeren Zeitraum zwischen 600 und 1000 wöchentlich – also bei 0,6 bis 1 Prozent. Seitdem aber hat sich das Infektionsgeschehen massiv beschleunigt. Nur vier Wochen später (5. bis 11. Oktober) lag diese Zahl nach RKI-Angaben schon bei fast 2500 von 100 000. Diese neuere Entwicklung übermitteln die Flugblätter nicht mehr. Zuletzt war die Positivenrate sogar auf rund 3,6 Prozent gestiegen.
Behauptung: Das aktuelle Corona-Geschehen gehe „weltweit ohne erkennbaren Anstieg der Toten“einher – unter anderem auch in Deutschland. Das steht auf dem Flyer „Positiv ist nicht krank“.
Bewertung: Die Daten sind überholt.
Fakten: Die Grafiken auf dem Infoblatt enden auch hier spätestens am 11. September. Dem RKI zufolge starben vor diesem Datum tatsächlich vergleichsweise wenige Menschen
an oder mit dem Coronavirus. Im Juli, August und dem Großteil des Septembers lag die gemeldete Todeszahl nicht höher als 14 pro Tag, häufig sogar im unteren einstelligen Bereich. Doch seit Oktober steigen die Zahlen wieder, an einzelnen Tagen lagen sie bei mehr als 40. Solchen Trends versuchen Bund und Länder frühzeitig mit verschärften Corona-Regeln Einhalt zu gebieten.
Dass die Todeszahlen und die Fälle intensivmedizinischer Betreuung lange Zeit nicht in gleichem Maße stiegen wie die Positivergebnisse, lag vor allem am Alter der Getesteten. Nach 50 Jahren im Frühjahr sank der Mittelwert der erfassten Corona-Infizierten bis Mitte August auf 32 Jahre. Seitdem wächst er wieder an – zuletzt auf 39 Jahre.
Covid-19-Erkrankungen nehmen aktuell unter älteren Menschen wieder zu. Damit gibt es auch wieder mehr schwere Verläufe. Während im Sommer täglich jeweils weniger als 300 Covid-Patienten auf die Intensivstation mussten, werden seit Ende September wieder mehr Betten belegt. Nach Angaben der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensivund Notfallmedizin (Divi) wurden am Sonntag 1296 Corona-Infizierte intensivmedizinisch betreut.
ROM (dpa) - Unter dem Druck steigender Infektionszahlen hat Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte ein neues Paket von Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus unterzeichnet. Landesweit müssen demnach alle Restaurants und Bars von Montag an um 18 Uhr für Gäste schließen. Zudem dürfen auch Kinos, Theater, Fitnessstudios, Bäder, Skiresorts und Konzerthallen nicht mehr öffnen. Die Maßnahmen sollen zunächst bis zum 24. November gelten. Unternehmen hatten sich über neue Einschränkungen wegen der Auswirkungen auf ihre Geschäftslage besorgt gezeigt. Zudem gab es in Rom und Neapel, wo nächtliche Ausgangssperren bereits in Kraft sind, am Wochenende gewalttätige Proteste gegen Einschränkungen. Italien hatte zu Beginn der Pandemie zu den am stärksten getroffenen Ländern in Europa gehört. Zuletzt stiegen die Infektionszahlen wieder stark an. Die offizielle Zahl der Neuinfektionen lag am Sonntag auf dem Rekordwert von 21 273. Seit Beginn der Pandemie gab es in dem Mittelmeerland damit 525 782 bestätigte Infektionen mit dem Virus Sars-CoV-2.
Die Zahl der Todesopfer stieg um 128 auf 37 338.
Spanische Regierung ruft Gesundheitsnotstand aus
MADRID (dpa) - Zur Eindämmung der rapide steigenden CoronaInfektionszahlen hat die Regierung in Spanien erneut den nationalen Notstand ausgerufen und eine nächtliche Ausgehsperre angekündigt. Die Verhängung des sogenannten Alarmzustands, der dritthöchsten Notstandsstufe des Landes, wurde am Sonntag bei einer außerordentlichen Ministerratssitzung in Madrid beschlossen, wie Ministerpräsident Pedro Sánchez mitteilte. Die Maßnahme sollte noch am Sonntag mit Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft treten.
Nur unter dem Notstand darf die Regierung die Bewegungsfreiheit der Menschen einschränken. Anders als beim Alarmzustand, der in Spanien wegen Corona zwischen dem 14. März und dem 20. Juni herrschte, wird diesmal keine totale Ausgangssperre, sondern nur ein nächtliches Ausgehverbot zwischen 23 Uhr und sechs Uhr morgens verhängt. Die Regionen bekommen aber Spielraum zur Ausgestaltung der Ausgehsperre und dürfen den Beginn zwischen 22 und 24 Uhr und das Ende zwischen fünf und sieben Uhr ansetzen.