Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Wie das Leben Filmemacher inspiriert
Die Filme „Und morgen die ganze Welt“sowie „Vamos!“werfen komplexe Fragen auf
BIBERACH - Eine Regisseurin, die für ihren Film Medienanfragen aus der ganzen Welt erhält, und eine Filmemacherin, die seit 28 Jahren noch nebenbei Fahrlehrein ist – diese Eindrücke hat die „Schwäbische Zeitung“am Mittwoch bei den 42. Biberacher Filmfestspielen gesammelt.
Ist linke Gegengewalt ein legitimes Mittel gegen rechtsextremistische Gewalt? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Spielfilm
von Regisseurin Julia von Heinz. Sie erzählt ihre Geschichte anhand einer jungen Studentin Luisa, die sich einer Antifa-Gruppe anschließt und in immer gewaltsameren Aktionen versucht, den charismatischen Anführer dieser Gruppe zu beeindrucken. Plötzlich eskaliert das Ganze und Luisa steckt in einem schweren Gewissenskonflikt (Filmbesprechung siehe Seite 11 diese Ausgabe).
Die Initialzündung zu dem Film habe es für sie 2015 gegeben, als es, infolge der vielen Flüchtlinge, die nach Deutschland kamen, vermehrt zu rassistischer Gewalt kam, sagte
morgen die ganze Welt“
TRAUERANZEIGEN
„Und
von Heinz, die ihren Film am Mittwoch nach Biberach begleitete. Obwohl sie in den 90er-Jahren selbst in der Antifa aktiv gewesen sei, sei der Film rein fiktional.
Als einziger deutscher Wettbewerbsbeitrag lief er im September bei den internationalen Filmfestspielen von Venedig und wurde dort gefeiert, aber auch kontrovers diskutiert. „Ich habe dort eine Vorstellung miterlebt, und das Publikum hat uns am Ende acht, neun Minuten lang im Stehen applaudiert“, erzählte die Regisseurin in Biberach, wo der Saal coronabedingt leerer und der Applaus demzufolge spärlicher ausfiel als auf dem Lido.
„Interessant war für mich, dass ich in Venedig schnell aus der Rolle der Filmemacherin in die Rolle einer Aktivistin gerutscht bin“, sagte Julia von Heinz im SZ-Gespräch. „Anfangs habe ich mich etwas dagegen gesträubt, habe es dann aber gerne angenommen.“Sie sei von Journalisten sehr viel zur Situation in Deutschland befragt worden. Diese Rolle habe sie sich gerne angeeignet. An einem Interviewtag seien Journalisten aus Belgien, Ungarn, Polen, Italien, Frankreich und den USA zu ihr gekommen. „Alle hatten den Eindruck, dass ihr Land vor ganz ähnlichen Problemen steht, und dass ich einen Film gemacht habe, der auch in ihrem Land entstanden sein könnte.“In den USA sei das Echo auf den Film auch deswegen so groß gewesen, weil Donald Trump kurz zuvor den Begriff „Antifa“zu einem neuen Kampfbegriff gemacht hatte. Der Film kommt diesen Donnerstag in die Kinos. „Wir hoffen, dass er trotz des drohenden Lockdowns eine Chance hat, gesehen zu werden“, so Fimfest-Intendantin Helga Reichert.
Wie gehe ich damit um, wenn ich mein Leben ändern muss? Sei es, weil mich der Partner verlässt, die Kinder ausziehen, mich mein Beruf zunehmend unglücklich macht oder ich erblinde. Mit dieser Frage setzt sich der schweizerische Dokumentarfilm auseinander. „Mit der Corona-Krise mussten wir alle lernen, uns neu zu organisieren“, sagte Reichert. Doch ganz unabhängig davon gebe es Momente, in denen man sich neue Ziele setzen müsse.
Das zeigen die Schicksale der vier Protagonisten in der 90-minütigen Doku. Regisseurin Silvia Häselbarth Stolz hat zwei Männer und zwei
„Vamos! – Ein neuer Weg“
Frauen im Alter von etwa 50 Jahren bei der Suche nach ihrem neuen Glück ein Jahr lang begleitet. Lange Gespräche, teilweise auch mit engen Freunden, schaffen eine intime Atmosphäre.
„Zudem sind wir eine kleine Crew“, antwortete die Regisseurin auf eine entsprechende Publikumsfrage. Auch erzählten die Filmemacher den Protagonisten von sich, wodurch die Stimmung schnell vertrauensvoll wurde. Das hat Silvia Häselbarth Stolz auch im Kino in Biberach getan. So gab sie preis, dass sie seit 28 Jahren als Fahrlehrerin arbeitet und ihr der Film dabei geholfen hat, ihren eigenen Sohn gehen zu lassen. Thema und Protagonisten für die Doku, die in den Kinos und im SRF laufen soll, hat sie eher zufällig gefunden. „Mir sind die Protagonisten über die Füße gelaufen“, sagt sie. Angefangen hat alles mit Ralph, der aus ihrer Straße für ein neues Leben weggezogen ist.
zum 42. Biberacher Filmfest finden Sie im Internet unter