Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„So darf es nicht weitergehen, wir müssen schnell handeln“
Im zweiten Teil des Jahresinterviews äußert sich Landrat Heiko Schmid über die Vorwürfe gegen den Schlachthof
BIBERACH - Der Landkreis Biberach hat es Ende des Jahres deutschlandweit in die Schlagzeilen geschafft. Geht es um den Tierschutz und die Vorwürfe gegen den Schlachthof Biberach, gibt es definitiv Nachholund Aufklärungsbedarf, auch bei der Landkreisverwaltung und dem zuständigen Veterinäramt. Wie Landrat Heiko Schmid zum Thema steht und wie er davon erfahren hat, Tanja Bosch hat nachgefragt.
Herr Schmid, was sagen Sie zu den Vorwürfen, wenn es um das Thema Schlachthof Biberach und den Tierschutz geht? Wie haben Sie von den Ermittlungen erfahren?
Ich wurde nach der unangekündigten Kontrolle des Veterinäramts gemeinsam mit dem Regierungspräsidium Tübingen am Montagnachmittag (23. November 2020) im Krankenhaus darüber informiert. Als ich dann am darauffolgenden Tag die Bilder über die Zustände im Schlachthof gezeigt bekam, war ich tief erschüttert. Für mich war klar: So darf es nicht weitergehen, wir müssen schnell handeln.
Viele Menschen zeigten mit dem Finger Richtung Veterinäramt, ganz unter dem Motto: „Das hätten die Veterinäre doch sehen müssen, wenn da was nicht stimmt“. Sind die zuständigen Kontrolleure in der Verantwortung?
Das, was wir im Veterinäramt mit den uns zur Verfügung gestellten Personalressourcen leisten konnten, haben wir nach allem, was mir von der Verwaltung dargelegt wurde, auch geleistet. Das Grundproblem ist die Personalausstattung: Wir brauchen dringend mehr Amtstierlinde ärzte, dafür ist das Land zuständig, das haben wir seit Langem und oft angemahnt. Was wir als Landkreis tun können und wollen, ist, die Amtstierärzte durch Verwaltungsmitarbeiter noch mehr zu entlasten, damit sie ihrer eigentlichen Aufgabe besser nachkommen können, dafür benötigen wir als Landkreis entsprechende Mittel. Wichtig ist auch: Der Schlachthof muss einen Tierschutzbeauftragten benennen, der sämtliche Vorgänge dokumentiert, bewertet und gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen muss, um tierschutzkonforme Bedingungen herzustellen. Dies ist dann von den Amtstierärzten beziehungsweise dem amtlichen Kontrollpersonal zu überprüfen.
Was erwarten Sie vom Land? Mehr Amtstierarztstellen?
Ein klares und deutliches Ja. Um allein die Pflichtaufgaben erledigen zu können, bräuchten wir laut einer Organisationsuntersuchung aus dem Jahr 2017 13 Tierarztstellen. Tatsächlich stellt uns das Land bisher aber nur acht Stellen zur Verfügung, welche aus unterschiedlichen Gründen leider auch nicht vollumfänglich besetzt werden konnten.
Wie stehen Sie dazu, dass der Kreistag die dringend benötigte Stelle fürs Veterinäramt am Ende mehrheitlich abgelehnt hat?
Die zusätzliche Stelle im Veterinäramt haben wir als Verwaltung seit Längerem als dringend erforderlich und völlig unabhängig von den aktuellen Vorkommnissen im Biberacher Schlachthof beantragt. Wir brauchen dringend dieses Personal. Das haben wir immer wieder zum Ausdruck gebracht. Insofern war ich, ge
gesagt, verwundert über die Entscheidung und kann sie überhaupt nicht nachvollziehen. Wir dürfen hier nichts auf die lange Bank schieben, sollten unverzüglich ins Besetzungsverfahren einsteigen.
Wie sehen die nächsten Schritte vonseiten des Landratsamts aus?
Wir sind nach wie vor dabei, die Geschehnisse im Schlachthof lückenlos aufzuarbeiten. Wir arbeiten dabei sehr eng mit den Ermittlungsbehörden zusammen. Der Kreistag hat die Stelle im Veterinäramt schließlich mit einem Sperrvermerk versehen, mit dem Hinweis, dass im Frühjahr 2021 ein grundsätzlicher Bericht über die Arbeit im Veterinäramt abgegeben werden soll. Diesen Bericht erstellen wir und ich gehe davon aus, dass dann die Stelle umgehend freibeiten gegeben wird.
Gibt es auch noch andere Ämter, die möglicherweise überlastet sind und dringend weitere Stellen benötigen?
Wir betreiben ständig Aufgabenkritik. Wir prüfen, welche Aufgaben durch die Verwaltung wie wahrgenommen werden müssen, wo wir noch besser und wirtschaftlicher arkönnen. Dabei gilt auch, dass wir zunächst die gesetzlichen Pflichtaufgaben zu erledigen haben, bevor freiwillige Aufgaben wahrgenommen werden können. Pflicht vor Kür, wenn man so sagen will. Im Kreistag beantragen wir als Verwaltung nur die Personalstellen, die wirklich dringend, um nicht zu sagen unbedingt benötigt werden. Bis auf ganz wenige Ausnahmen sind die neu beantragten Stellen im Übrigen durch Zuschüsse von Bund, Land oder daraus resultierende Mehreinnahmen ganz oder größtenteils gegenfinanziert. Insgesamt stehen wir diesbezüglich in einem guten, fruchtbaren Dialog mit dem Kreistag.
Landrat in dieser schwierigen Zeiten zu sein, ist bestimmt nicht einfach. Haben Sie sich schon überlegt, ob Sie diesen Job gerne weitermachen würden? Streben Sie möglicherweise 2022 eine dritte Amtszeit an?
In der Tat befinden wir uns momentan in einer schwierigen Zeit. Jetzt sind Stabilität, Kontinuität, Krisenerfahrung, Besonnenheit und ein klarer Kurs wichtig. Vor allem auch und gerade, was die Führung anbelangt. Wir sind mit Verstand und ruhiger Hand bislang gut durch die CoronaKrise gekommen und ich bin überzeugt, dass uns das auch weiterhin gut gelingen wird. An meiner Seite stehen hochengagierte Dezernenten, Amtsleitungen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, mit denen ich vertrauensvoll und eng zusammenarbeite. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auf die ich mich und auf die wir uns alle im Landkreis verlassen können.