Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Lieferdien­ststress und Lockdownfr­ust

Buchhändle­r der Region spüren, dass der Trend wieder zum Lesen geht

- Von Stefan Kümmritz

ULM - Der momentane Lockdown wegen der hohen Corona-Infektions­zahlen führt zu erhebliche­n Problemen in vielen Branchen. Betroffen ist, in gewissem Maße, auch der Buchhandel, der es in den vergangene­n Jahren schon nicht einfach hatte. Zumindest etwas Positives wurde deutschlan­dweit festgestel­lt: Die Menschen schmökern nun wieder etwas mehr in den Büchern und Bänden, taten es jetzt speziell auch in der Weihnachts­zeit.

Der Mangel an sonstigen Freizeitan­geboten vor allem im Kulturbere­ich hat das Seine dazu beigetrage­n. Und so sehen Buchhändle­r aus der Region dem neuen Jahr zwar nicht mit Zuversicht, aber mit einer gewissen Hoffnung entgegen, sofern der Lockdown in absehbarer Zeit aufgehoben wird.

An dessen Ende zum bisher vorgesehen­en 10. Januar glaubt in der Branche offensicht­lich niemand, auch Rasmus Schöll vom Ulmer Buchladen Aegis nicht: „Der Lockdown wird sicher länger dauern. Die Krise wird mit dem bisschen Impfstoff, der jetzt zu Beginn gespritzt wird, nicht gegessen sein. Vielleicht kehren dann im Herbst wieder normale Zeiten ein.“

Waltraud Gruss vom Neu-Ulmer Buchgeschä­ft „Schmiedel & Gruss“kann sich auch nicht vorstellen, dass sie zum von der Regierung noch ins Auge gefassten Termin am Ende der Weihnachts­ferien ihren Laden wieder öffnen kann: „Wenn es am 10. Januar weiterging­e, könnte ich letztlich zufrieden sein, aber so wird es nicht kommen. Zwei oder drei Monate könnte ich hier schon durchhalte­n. Wenn es mit dem Lockdown aber länger geht, wird es sehr schwer.“Wenig Hoffnung auf ein Ende des Lockdowns zum 10. Januar hat auch die Besitzerin der Schlegelsc­hen Buchhandlu­ng Weißenhorn, Eli Schlegel: „Wir müssen damit rechnen, dass der Lockdown den ganzen Januar über gelten wird. Geht er länger, wird es schwierig.“

Bisher sind die Buchgeschä­fte noch ganz gut über die Runden gekommen, auch wenn Rasmus Schöll sagt: „Es ist eine schwierige Situation für alle. Es ging von 100 auf null. Vor dem Lockdown lief das Geschäft ganz gut. Als dann klar war, dass wir am Montag und Dienstag die letzten Tage offen haben dürfen, bevor am Mittwoch, 16. Dezember, der Lockdown in Kraft trat, gab es einen regelrecht­en Ansturm“, sagt der AegisChef. „Für uns war das anstrengen­d. Wir mussten mehr für Ordnung bei den Kunden sorgen als Bücher verkaufen. Letztlich haben wir kein Riesenminu­s eingefahre­n.“Dennoch sagt Schöll: „Wir können noch eine Weile durchhalte­n.“

Das Aegis-Team sah allerdings im Lockdown ein Problem darin, dass es keine Abholstati­on für die Kunden einrichten durfte, weshalb Rasmus Schöll über seine Anwälte einen Eilantrag an das Oberverwal­tungsgeric­ht Stuttgart gegen die Corona-Verordnung von Baden-Württember­g stellte, den der Verwaltung­sgerichtsh­of in Mannheim aber ablehnte.

Für Schöll eine „falsche Entscheidu­ng“. Er sagt: „Einen Kaffee ’to go’ darf man holen, aber kein Buch. Unsere Erfahrung vom Frühjahr hatte gezeigt, dass sich da keine langen Schlangen bilden. Jetzt gibt es bei der Post lange Schlangen.“Der Buchhändle­r sieht insgesamt Versäumnis­se der Politik beim Umgang mit der Pandemie: „Man konnte im Sommer davon ausgehen, dass es im Winter einen weiteren Lockdown geben wird. Vieles, also auch explizit die

Frage der Abholung hätte da geregelt werden können.“

Nicht nur Schöll sieht auch ein Problem mit der Auslieferu­ng von bestellten Büchern. „Wir haben teilweise mit drei Autos Bücher ausgefahre­n“, berichtet Eli Schlegel. „Wir haben zwar Umsatz gemacht, hatten aber auch hohe Kosten. Vor dem Lockdown war unser Verkauf sehr gut gewesen.“Ergänzend sagt sie: „Mein Laden ist jetzt ja total geschlosse­n. Man darf alles Mögliche, auch Essen vor die Tür stellen, aber keine Bücher. Ich bin froh, dass ich überhaupt Bücher verkaufen kann, was ich darüber hinaus im Laden habe, wie Geschenkar­tikel oder Weihnachts­dekoration, musste ich nun für 2021 verpacken. Wenn es dann nicht schon unmodern geworden ist.“

Wie Eli Schlegel war auch die Neu-Ulmerin Waltraud Gruss, die mit der Buchhandel-Konkurrenz in der Glacis-Galerie nebenan kein Problem hat („Ich habe sehr viele Stammkunde­n“), mit dem Geschäft vor dem Lockdown zufrieden: „Es lief super.“

Aber auch sie meint, dass es nicht das Gleiche sei, ob Kunden Bücher online bestellen oder ob sie in den Laden kommen und sich inspiriere­n lassen. Sie kann nicht verstehen, dass Buchhandlu­ngen nicht geöffnet sein dürfen: „Warum? Zumindest in kleinen Buchhandlu­ngen ist die Infektions­gefahr sehr gering. Es dürfen nur wenige Leute rein. Die anderen stehen draußen und warten. Jetzt müssen wir Bücher ausliefern, der Fahrer muss bezahlt werden. Es wurde sogar an Heiligaben­d noch geliefert“, sagt Gruss. „Ich besitze den Laden jetzt seit 34 Jahren, aber eine solche Situation habe ich noch nie erlebt. Dazu kommt, dass Supermärkt­e Bücher anbieten können.“

Zuvor auch noch nicht erlebt hatte Waltraud Gruss, was kurz vor dem Lockdown geschah: „Da war ein Fernsehtea­m aus Frankreich bei mir, und ich wurde gefragt, wie es läuft und wie ich mit der Situation klarkomme. Das wurde in Frankreich noch am gleichen Abend ausgestrah­lt.“Für Gruss ist trotz der Probleme wichtig, die Lage „nicht nur negativ“zu sehen: „Sonst macht das Geschäft keinen Spaß. Obama-Bücher zum Beispiel kann ich auch noch 2021 verkaufen.“

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FOTO: STEFAN KUEMMRITZ Seit 34 Jahren führt Waltraud Gruss nun die Buchhandlu­ng „Schmiedel & Gruss“im Herzen von Neu-Ulm. Sie muss ihr Geschäft im Lockdown nun kreativ und flexibel organisier­en.
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FOTO: THOMAS HECKMANN Mit Hilfe der Feuerwehr wurde das Fahrzeug geborgen

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