Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Nur Gras und getrocknetes Gras
Im Südwesten setzen immer mehr Bauern auf das Konzept „Heumilch“– Höhere Preise, mehr Aufwand
KISSLEGG/RAVENSBURG - Vollmundig, ein klein wenig süßlich, und rein, so schmeckt die sogenannte Heumilch nach Ansicht des Allgäuer Bauern Wilfried Müller. „Manche finden das besser als die Silage-Milch“, sagt Müller. „Aber das ist Geschmackssache.“Der Landwirt ist auf den Geschmack gekommen: Seit vier Jahren stellt er auf seinem Hof in KißleggWallmusried (Kreis Ravensburg) Bio-Heumilch her. Anders als bei der konventionellen Milchviehhaltung verzichtet er auf Silofutter, bei dem Gras, Mais oder Getreide durch Gärung haltbar gemacht und oft durch sogenannte Kraftfuttermittel wie Soja aus Lateinamerika ergänzt wird. Stattdessen bekommen seine Kühe frisches Gras oder im Winter Heu direkt von der Allgäuer Weide.
Diese Art der Fütterung sei nicht nur regional verortet, sondern auch bekömmlicher für das Vieh, sagt Müller, der 32 Kühe besitzt. Und sie habe neben dem Geschmack noch andere Vorteile für den Verbraucher. „Heumilch enthält auch mehr lebenswichtige Omega-3-Fettsäuren als konventionelle Milch“, erläutert der Bauer. Manche Produkte, wie der Allgäuer Emmentaler, lassen sich zudem nur aus Heumilch herstellen. Anders als Silage-Milch enthalte sie keine Sporen, die den Hartkäse während der Reifung aufblähen lassen.
All diese Unterschiede gegenüber der konventionellen Milcherzeugung hält Müller zwar für wichtig – doch ausschlaggebend für die Umstellung seines Betriebs von Silageauf Heumilch war ein anderer. „Der Hauptgrund war, dass Heumilch besser bezahlt wird“, sagt er.
Müller verkauft seine Produkte an die zwischen Ravensburg und Wangen gelegene Kofelder Produktion der Ökologischen Molkereien Allgäu. Konkrete Preiszahlen für einen Liter Milch möchte er nicht nennen.
Hier gebe es zum Teil große Unterschiede, sagt er. Insgesamt erhalte er aber einen „deutlichen Mehrerlös“im Vergleich zu seiner Zeit als konventioneller Landwirt.
Das Agrarmagazin Topagrar errechnete 2019, dass Molkereien Bauern im Schnitt 33,7 Cent pro Liter konventionell erzeugter Milch zahlten. Für Biomilch gab es 47,6 Cent – rund 40 Prozent mehr. Und für BioHeumilch konnten Landwirte laut dem Verband Bioland im Einzelfall zwischen 55 und 60 Cent erzielen.
Die Preisunterschiede kommen nicht von ungefähr: Die Herstellung von Heumilch ist für Landwirte mit mehr Aufwand verbunden. „Bei der Heuernte bin ich auf schönes Wetter angewiesen“, erklärt Wilfried Müller. Zudem sei das anschließende Trocknen des Heus sehr aufwendig und zeitintensiv. Es braucht unter anderem spezielle Maschinen und eine regelmäßige Kontrolle, damit das Heu nicht feucht wird und schimmelt. Deshalb hat sich seit den 1960er-Jahren zunehmend leichter herstellbare Silage als Grundfuttermittel durchgesetzt. Doch in den vergangenen Jahren zeichnet sich laut Müller eine Renaissance der Heumilch ab, die als ursprünglichste Form der Milcherzeugung gilt.
Das beobachtet auch Luise Holzinger, Geschäftsleiterin der Bio-Käserei Zurwies in Wangen, die sich auf den Verkauf von Heumilch-Produkten spezialisiert hat. „Vor allem im Corona-Jahr 2020 hat sich die Nachfrage nach unseren Produkten stark erhöht“, sagt sie – trotz des oft höheren Preises. Müller glaubt, dass das neben der guten Qualität der Produkte auch daran liegt, dass die Verbraucher ihre Herstellung transparent nachvollziehen können.
Seit 2016 vergibt die EU das Siegel „garantiert traditionelle Spezialität“für Heumilch, wenn Landwirte nachweisen können, dass sie bei der Herstellung
verbindliche Standards einhalten. Dazu zählt vor allem eine silofreie Fütterung ohne Gentechnik. „So etwas schafft Vertrauen in die Produkte“, sagt Müller.
Dennoch ist Heumilch in Deutschland bislang noch ein Nischenmarkt. Nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter lag ihr Anteil an der Gesamtmilcherzeugung 2019 bei gerade einmal 0,22 Prozent. In Baden-Württemberg schwankt der Anteil dagegen zwischen drei und fünf Prozent, Tendenz leicht steigend.
Die Politik sieht deshalb einen Markt mit Wachstumspotenzial. Bislang können Heumilchbetriebe über einen gemeinsamen Antrag oder das sogenannte Fakt-Programm eine Prämie von 80 Euro pro Hektar vom Staat beantragen. Der Landtagsabgeordnete Raimund Haser (CDU) würde die Fördermöglichkeiten gern ausbauen. .„Ich denke, dass die Herstellung von Heumilch eine regionale, traditionsreiche und nachhaltige Form der Wiesenbewirtschaftung ist, die gut in unsere Zeit passt“, sagt der gebürtige Leutkircher.
Wilfried Müller bleibt vorsichtiger. Wenn es bei der Heumilch zu einer „Produkt-Überschwemmung“auf dem Markt wie bei der konventionellen Milch komme, könne das zu einem Preisverfall führen, sagt er. Zudem befürchtet er, dass kleine Heumilchbetriebe in Zukunft durch Gesetzesänderungen der Politik benachteiligt werden – beispielsweise durch den Beschluss, Gülle auf Grünland von 2025 an nur noch bodennah und streifenförmig auszubringen, den er für nicht umsetzbar hält. Müller warnt davor, Heumilch zu idealisieren. „Zu glauben, dass dieses Produkt den Planeten rettet, wäre verkehrt.“Auch sei Silofutter nicht grundsätzlich schlechter als Heu und Gras. „Entscheidend ist die Qualität. Wenn das Heu schimmelt, kommt dabei auch keine gute Milch heraus.“
Südwestmetall beharrt auf doppeltem Stimmrecht
STUTTGART (dpa) - Der Arbeitgeberverband Südwestmetall hat sich vehement gegen Forderungen nach einer Abschaffung des doppelten Stimmrechts von Aufsichtsratsvorsitzenden ausgesprochen. Südwestmetall-Chef Wilfried Porth sagte in Stuttgart, die Beteiligung von Arbeitnehmern im Aufsichtsrat sei ein signifikanter Eingriff in die Rechte der Anteilseigner. „Sie lässt sich nur damit rechtfertigen, dass der Aufsichtsratsvorsitzende als Vertreter der Eigentümer ein Doppelstimmrecht hat. Wer am Doppelstimmrecht rüttelt, rüttelt an der Mitbestimmung selbst.“