Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Leben im Schwebezustand
Wie der Kinderschutzbund die Herausforderungen der Zeit an die Familien erlebt
LAUPHEIM - Corona-Krise, Lockdown, Kontaktbeschränkungen: Die derzeitige Situation fordert alle Menschen. Finanzielle, aber auch psychische Herausforderungen müssen bewältigt werden. Eine, die guten Einblick in die Gedankenwelt junger Menschen und Familien hat, ist Ursula Dreiz, die Vorsitzende des Laupheimer Kinderschutzbunds.
„Die Nerven vieler Familien liegen blank“, sagt Ursula Dreiz. Viele Eltern könnten ihren Kindern nicht mehr helfen in Sachen „Unterricht daheim“. Neben gestressten Erwachsenen sei mittlerweile aber auch die Psyche des Nachwuchses angeschlagen. „Gerade die Schülerinnen und Schüler, die vor den Abschlussprüfungen stehen, haben Angst.“Angst davor, in der Klausur zu versagen. Angst, vielleicht keinen Ausbildungsplatz zu finden. Angst, künftig immer den „Corona-Stempel“tragen zu müssen. „Die Jugendlichen fragen sich, wie ihr Leben nach der Schule weitergehen wird“, weiß Dreiz. Alles sei für die jungen Menschen derzeit in der Schwebe.
Doch auch die Elterngeneration habe Existenzängste: Sorge, dass man arbeitslos werden könnte, dass es wirtschaftlich bergab geht. Die Befürchtungen würden nicht nur Menschen betreffen, die im unteren Einkommensbereich leben, sondern auch den Mittelstand. Wer Kinder hat, habe zudem Angst, was nach dem 21. Februar passiert, ob Kitas und Schulen wieder geöffnet werden.
Für Ursula Dreiz steht beim Thema
„Betreuung“und „Präsenzunterricht“dabei die seelische Gesundheit im Vordergrund. „Das soziale Umfeld der Kinder wird durch die Kontaktbeschränkungen und Schließung von Schulen und Kitas immer mehr gestört“, sagt sie. „Die Kinder haben kaum Kontakte zu Freunden.“Das schlage den jungen Menschen auf die Psyche – „und zwar allen, vom KitaKind bis zum Teenager“. Letztere würden sich zwar meist an die Corona-Regeln halten. „Aber viele verstehen nicht, warum ihr Lebensumfeld jetzt so eingeschränkt ist, und manche gehen auch mal über die gesetzlichen Grenzen hinaus, weil sie sich einsam fühlen.“
Auch der Kinderschutzbund hat seine Arbeit aufgrund der aktuellen Situation einschränken müssen. „Wir bieten im Augenblick nur eine Notbetreuung für Kleinkinder an, seit vergangenem Montag haben wir auch wieder ein Notprogramm in der Hausaufgabenbetreuung eingerichtet“, erklärt Dreiz. Die Hausaufgabenbetreuung findet jedoch vorerst nur an zwei Tagen pro Woche statt; es nehmen augenblicklich lediglich zwei Kinder daran teil. „Der Bedarf ist aber auf jeden Fall da“, weiß die Kinderschützerin. Denn gerade Familien mit Migrationshintergrund hätten oftmals Probleme, ihre Kinder beim Heimunterricht zu unterstützen.
„Das Schöne im Kinderschutzbund ist, dass wir in unseren Räumen ein ausgefeiltes Hygienekonzept umgesetzt haben, das sowohl für die Kinder als auch für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen höchstmögliche Sicherheit bietet“, erläutert Dreiz. Auch die Familienpaten sind weiterhin im Einsatz, und der „begleitete Umgang“, bei dem ein Elternteil sein Kind nur in Anwesenheit einer Begleitperson treffen darf, findet weiterhin statt. „Wenn wir diesen Dienst einstellen würden, könnten einige Eltern ihre Kinder in dieser Zeit gar nicht sehen“, sagt Ursula Dreiz. Dabei sei dies für beide Seiten gerade jetzt so wichtig wie nie.
Ihr Wunsch an die Politik wäre, dass die Schulen wieder öffnen – „in kleinen Schritten, mit Wechselunterricht über den Tag verteilt in kleinen Gruppen und vielleicht auch nur für wenige Stunden“, meint Ursula Dreiz. Das sei wichtig für die Kinder und Jugendlichen, um soziale Kontakte zu ermöglichen. „So werden sie zufriedener, stabiler.“Auch die KitaBetreuung sollte ihrer Meinung nach verstärkt werden, um für Eltern wieder verlässliche Bedingungen für ihre eigene Arbeit und die Anforderungen daheim zu schaffen. „Die aktuelle Lage darf nicht zum Dauerzustand werden“, mahnt sie.
Eine gute Botschaft jedoch gibt es auch: In Sachen Missbrauch und Gewalt in den Familien in und um Laupheim könne der Kinderschutzbund bislang keine Verschärfung feststellen.