Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Mutierte Viren machen Spahn Angst
Gesundheitsminister bittet um Geduld – Südwesten setzt beim Impfen auf Wartelisten
BERLIN/STUTTGART - Die Bundesregierung befürchtet zunehmende Probleme durch die Ausbreitung mutierter Virenstämme. Derzeit finden sich zwar in weniger als sechs Prozent der untersuchten Proben die Corona-Variante, die zuerst in Großbritannien nachgewiesen wurde. „Doch sie breitet sich schnell aus. Sars-CoV-2 ist gefährlicher geworden“, sagte Lothar Wieler, der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI) am Freitag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Die Lage sei „besorgniserregend“. Spahn warnte daher erneut vor einem zu frühen Nachlassen der Pandemiebekämpfung. „Wenn wir der Mutation die Möglichkeit zur Ausbreitung geben, riskieren wir einen erneuten Anstieg der Infektionszahlen.“
Ihm sei klar, dass viele Familien mit Kindern bereits am Limit seien. „Wir vergessen sie nicht“, so Spahn weiter. Wenn geöffnet werde, dann zuerst bei Kitas und Schulen. Doch gerade, um die Pandemie wieder beherrschbar zu machen, sei jetzt noch Geduld nötig. Spahn sprach sich für eine Senkung der Infektionszahlen deutlich unter 50 Fälle auf 100 000 Einwohner aus. Eine Senkung auf null, wie von einigen Initiativen gefordert, hält er nicht für realistisch.
Spahns Ministerium bereitet derzeit eine Verlängerung der Ausnahmeregeln vor, mit denen der Minister ohne Zustimmung des Bundesrats Verordnungen erlassen kann. Darunter fallen zum Beispiel Regeln für Ein- und Ausreisende, Maskenpflicht und Abstandsgebote oder
Untersagung von Freizeitveranstaltungen. Der Bundestag hat die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“zuerst im März vergangenen Jahres festgestellt und diesen Status im November verlängert. Die Ausnahmeregeln laufen im kommenden Monat erneut aus. Um sie weiter zu verlängern, ist ein weiterer Bundestagsbeschluss nötig. Im Gespräch ist eine Verlängerung bis zum 30. Juni.
An der Impfstoff-Front sieht Spahn derweil eine merkliche Entlastung durch den neu hinzugekommenen Impfstoff des schwedischbritischen Anbieters Astra-Zeneca. Er erwartet eine Lieferung von drei Millionen Einheiten in den kommenden Wochen. Als mögliche Empfänger dieses Impfstoffs sieht Spahn vor allem Pflegepersonal und Ärzte. Die Ständige Impfkommission hatte empfohlen, den Impfstoff zunächst nur bei Bürgern unter 65 Jahren einzusetzen. Minister Spahn deutete nun am Freitag an, das Astra-ZenecaVakzin auch für Ältere zuzulassen, sobald die entsprechenden Daten vorliegen.
Sechs Wochen nach dem Impfstart hat Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) trotz aller Kritik eine positive Zwischenbilanz der Kampagne gezogen. „Das System funktioniert. Woran es mangelt, ist ausreichend Impfstoff “, sagte er am Freitag in Stuttgart. Außerdem kündigte er an, die telefonische Terminvereinbarung ab Montag zu vereinfachen. „Die Menschen sind enttäuscht, wenn sie trotz mehrfacher Anrufe keinen Termin bekommen. Das können wir so nicht lassen.“Künftig soll es, so Lucha, aus diesem Grund eine Warteliste geben.